
© Schöffling & Co/Jens Brüning
„Es war ihr letzter Wohnort in Berlin“: Gedenktafel für Gabriele Tergit enthüllt
Sie schrieb „Liebeserklärungen an diese Stadt“, doch Gabriele Tergit musste vor den Nazis fliehen. Zu Besuch kam sie später zurück, lebte aber in London. Jetzt erinnert eine Gedenktafel an die Schriftstellerin und Journalistin.
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Es geschah „hier vor ihrer Wohnungstür“, sagt Nicole Henneberg, „kurz nach dem Reichtagsbrand“. Ein SA-Trupp war ins Haus Siegmunds Hof 22 eingedrungen. Dort lebte Gabriele Tergit, die berühmte Gerichtsreporterin („Berliner Tageblatt“) und Romanautorin („Käsebier erobert den Kurfürstendamm“), mit ihrer Familie, von den Nazis gehasst als Jüdin und wegen ihrer antifaschistischen Artikel.
Durch Reste von Rechtsstaatlichkeit, konkret durch einen Anruf beim Berliner Polizeichef, der anordnete, dass die Wohnung nur in Begleitung eines Polizisten betreten werden dürfe, konnte Schlimmeres noch verhindert werden. „Tergit nahm die Warnung ernst“, sagt die Literaturwissenschaftlerin und Tergit-Biografin Henneberg in ihrer Rede zur Enthüllung der Gedenktafel für die Schriftstellerin und Journalistin am heutigen Mittwoch in Siegmunds Hof.
Angeregt hatte die Gedenktafel bereits 2019 die Erinnerungsinitiative „Gleis 69“. Doch der Besitzer des Nachfolgebaus von Tergits zerstörtem Wohnhaus, einem Bürokomplex, hatte kein Interesse. Im benachbarten Altbau sollte dann zunächst die Fassade saniert werden, bevor die Gedenktafel dort nun angebracht werden konnte.

© Markus Hesselmann
Gabriele Tergit floh über die Tschechoslowakei und Palästina nach London, wo sie fortan mit ihrer Familie lebte und unter anderem als Sekretärin des PEN-Zentrums deutschsprachiger Autorinnen und Autoren im Ausland tätig war. Dort starb sie 1982.
Ihr Hauptwerk „Effingers“, eine Berliner Familienchronik, ebenso kunstvoll wie „radikal modern erzählt“ (Henneberg), wurde beim Erscheinen in den Fünfzigerjahren kaum wahrgenommen und erst unlängst einem größeren deutschen und internationalen Lesepublikum bekannt. Dies vor allem dank Nicole Henneberg, die viele Bücher von und über Gabriele Tergit wieder oder erstmals herausgegeben hat.
Nach dem Krieg gab es in Deutschland wenig Interesse an der antifaschistischen, jüdischen Autorin und ihrer Arbeit. Ab und an schrieb sie aus London oder auf Reisen für den Tagesspiegel, der es ihr aber auch nicht leicht machte.
„Ihr geliebtes Berlin besuchte sie ab 1948 jedes Jahr“, sagt Nicole Henneberg, „aber zurückkehren wollte sie nicht.“ Zahlreiche Texte Tergits seien „Liebeserklärungen an diese Stadt“. Auch „Effingers“ gehöre dazu.
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