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„Für Respekt und Gleichbehandlung“: Berliner Initiative erfolgreich – Länder wollen queere Menschen im Grundgesetz schützen
Mehrere Länder setzen sich für eine Grundgesetzänderung zum Schutz queerer Menschen ein. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner begrüßt den Vorstoß. Was das für Artikel 3 bedeuten könnte.
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Die Länder wollen den Schutz vor Diskriminierung wegen sexueller Identität im Grundgesetz verankern. Eine entsprechende eigene Gesetzesinitiative will der Bundesrat nun in den Bundestag einbringen, wie die Länderkammer in der aktuellen Sitzung beschloss. Eine Verfassungsänderung bräuchte eine Zweidrittelmehrheit beider Kammern. In der Vergangenheit gab es bereits Anläufe für eine entsprechende Änderung des Grundgesetzes mit Blick auf die sexuelle Identität.
Konkret geht es darum, dass Artikel 3 im Grundgesetz im ersten Satz von Absatz 3 um den Zusatz „sexuelle Identität“ erweitert wird. Derzeit heißt es an der Stelle: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“
„Der heutige Beschluss des Bundesrats ist ein wichtiges Signal für Respekt und Gleichbehandlung. Der Berliner Senat hat Wort gehalten“, sagte der Regierende Bürgermeister von Berlin, Kai Wegner (CDU). „Auf Initiative Berlins haben wir den Weg geöffnet, dass niemand in unserem Land wegen seiner sexuellen Identität benachteiligt werden darf.“
„Akuter Handlungsbedarf“
Eingebracht hatte den Vorstoß ursprünglich das Land Berlin, weitere Länder schlossen sich an. „Es zeigt auch, dass die Zeichen der Zeit und der akute Behandlungsbedarf erkannt wurden“, sagte Cansel Kiziltepe (SPD), Berliner Senatorin für Arbeit, Soziales, Gleichstellung, Integration, Vielfalt und Antidiskriminierung, im Bundesrat. In einer Zeit, in der „queerfeindlicher Hass“ im Alltag „so spürbar geworden“ sei, brauche es ein Grundgesetz, das klar die Diskriminierung wegen der sexuellen Identität verbiete.
Nur ein ausdrückliches Verbot der Diskriminierung aufgrund der sexuellen Identität in der Verfassung schütze davor, dass künftige politische Mehrheiten die bereits erstrittenen Rechte nicht wieder zunichtemachen könnten, so die Senatorin. „Nur eine Verankerung im Grundgesetz bietet eine dauerhafte Absicherung der anerkannten Rechte für die Zukunft.“
Transpersonen nicht inkludiert
„Wir haben heute Geschichte geschrieben!“, teilt Berlins Queerbeauftragter Alfonso Pantisano auf Instagram mit. Der SPD-Politiker wurde 2023 als Referent des Berliner Senats zur ersten „Ansprechperson Queeres Berlin“ ernannt. „Der Bundesrat hat der Ergänzung von Artikel 3 des Grundgesetzes zugestimmt: Die sexuelle Identität soll endlich geschützt werden! Ein Schritt, auf den die queere Community seit über 30 Jahren wartet.“
Pantisano äußert in seinem Post auf Instagram jedoch auch Kritik an dem Entwurf: „Die geschlechtliche Identität wäre nicht Teil dieser Reform. Damit bleiben trans*, inter* und nicht-binäre Menschen ausgeschlossen – genau die Community, die derzeit am stärksten bedroht ist, auch institutionell.“ Er will sich deshalb weiter für die Rechte queerer Menschen einsetzen: „Unser Kampf geht weiter.“
Scheitert der Entwurf an der CDU?
Auch der queerpolitische Sprecher der Fraktion Die Linke im Bundestag, Maik Brückner, schließt sich der Kritik an: „Uns geht der Begriff ‚sexuelle Identität‘ nicht weit genug: auch ‚geschlechtliche Identität‘ muss in die Verfassung aufgenommen werden, damit auch trans und inter Personen in den Schutz eingeschlossen werden.“
Weiter sagte er: „Jetzt ist die Union im Bundestag gefragt: CDU-Mann Kai Wegner hat den Antrag in den Bundesrat eingebracht, nun erwarte ich, dass seine Parteikolleg*innen ihm folgen.“ Auch der Bundeskanzler Friedrich Merz betonte in einer Regierungsbefragung am 7. Juli 2025, dass er queeren Menschen „ein gutes und auch ein sicheres Leben in unserer Gesellschaft“ ermöglichen will.
Auch die Grünen fordern dazu auf, den Entwurf zu unterstützen. „Die Regierung muss gerade in den eigenen Reihen für eine breite Unterstützung werben“, sagte die queerpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Nyke Slawik. „Nur so können wir diese historische Lücke schließen und unser Grundgesetz zu einem starken Schutzschild für alle Menschen machen.“
Mit dem englischen Wort queer bezeichnen sich Menschen, die nicht heterosexuell sind oder deren geschlechtliche Identität nicht mit gesellschaftlichen Rollenbildern übereinstimmt. Unter ihnen sind Personen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung die wohl größte Gruppe. (mit dpa, kna)
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