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„Diese Gewalt geht von Männern aus“: Gedenken zum 20. Todestag von Hatun Sürücü in Berlin
Hatun Aynur Sürücü wurde von ihrem jüngeren Bruder erschossen. Bei einer Gedenkveranstaltung in Berlin spricht Bundesfamilienministerin Lisa Paus über Femizide – und darüber, wie sie verhindert werden sollen.
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Die 23-jährige Hatun Sürücü löste sich aus einer gewalttätigen Zwangsehe, holte ihren Hauptschulabschluss nach und sorgte selbstständig für ihren kleinen Sohn. Für ihren Bruder war der selbstbestimmte Lebensweg seiner älteren Schwester ein Grund, um sie am 7. Februar 2005 zu ermorden.
Am Freitag wird der Neuköllnerin zum 20. Todestag bei einer stillen Gedenkveranstaltung am Tatort in der Oberlandstraße gedacht. Bereits am Vorabend haben die Bezirksämter Tempelhof-Schöneberg und Neukölln Sürücüs Fall zum Anlass genommen, um bei einer zentralen Gedenkveranstaltung im Besucherzentrum des ehemaligen Flughafens Tempelhof auf ein in Deutschland wachsendes Problem hinzuweisen: Die steigende Gewalt gegenüber Frauen, weil sie Frauen sind.
Im Jahr 2024 hat die Berliner Polizei über 17.000 Fälle geschlechtsspezifischer Gewalt in Berlin dokumentiert. Das sind beinahe zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Jörn Oltmann (Grüne), Bezirksbürgermeister in Tempelhof-Schöneberg, forderte mehr aktive Täterarbeit. „Die Gewalt, diese Frauenmorde, das geht von Männern aus“, sagt Oltmann. Auch die polizeiliche Statistik stellt fest, dass es zu 98 Prozent Männer sind, die Gewalt an Frauen ausüben.
Noch vor wenigen Jahren – zum Teil noch heute – wurde der Mord an Hatun Sürücü als „Ehrenmord“ bezeichnet. Dieser Begriff zeigt laut Dilken Çelebi, Vorsitzende der Strafrechtskommission vom Deutschen Juristinnenbund e.V., wie die deutsche Mehrheitsgesellschaft aus einem patriarchalen Problem in Deutschland ein ethnisches, nicht-westliches Problem schaffe. Dabei seien es auch nicht-migrantische Männer, argumentierte Çelebi, die Frauen „wegen ihrer selbstbestimmten Lebensweise“ töteten.

© Daniel Sagradov
Bereits in den ersten Wochen dieses Jahres wurden mindestens 24 Frauen in Deutschland ermordet, weil sie Frauen sind. Das sei „kein Randphänomen“, sondern finde „in der Mitte der Gesellschaft statt“, sagte Bundesfamilienministerin Paus dem Tagesspiegel am Rande der Gedenkfeier. Das eigene Zuhause sei oft der gefährlichste Ort für eine Frau; die Täter seien oft aus dem engsten männlichen Vertrautenkreis. „Das gilt für die Villa in Grunewald wie auch für die Mietwohnung in Tempelhof“, so die Bundesministerin.
Neben dem Hatun-Sürücü-Preis für zivilgesellschaftlichen Initiativen, die sich für Frauen, Mädchen und andere diskriminierte Menschen einsetzen, lobte Familienministerin Paus auch ihr eigenes Ministerium. Erst in der vergangenen Woche gelang es ihr, gemeinsam mit der SPD und der Union das Gewalthilfegesetz im Bundestag durchzubekommen. Demnach soll jede Frau in Deutschland kostenlosen Rechtsanspruch auf Unterbringung und Beratung haben.
Der Bund soll die Länder mit 2,6 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren bei der Umsetzung unterstützen. Laut Paus soll Berlin davon 150 Millionen Euro erhalten, um Frauenhäuser und Frauenberatungsstellen auszubauen. Aktuell kommen in Berlin auf 10.000 Einwohnerinnen nur durchschnittlich 1,34 Plätze in Frauenhäusern. Fälle wie der von Hatun Sürücü sollen in Zukunft durch das Gewalthilfegesetz verhindert werden. Am 14. Februar entscheidet letztlich der Bundesrat, ob das Gesetz angenommen wird.
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