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Wegen womöglich bundesweit organisiertem Pflegebetrug sind drei Tatverdächtige verhaftet worden (Symbolbild).

© Paul Zinken/dpa

Update

Millionenbetrug in der Pflege: Drei Verdächtige nach Razzien in U-Haft

Berliner Ermittler werfen Betreibern ambulanter Dienste vor, illegal Laien als Pflegekräfte bei Beatmungspatienten eingesetzt zu haben.

Wieder eine Razzia wegen Abrechnungsbetrugs, wieder geht es um fragwürdige Pflegedienste, wieder ergaunerte Millionensummen. Am Dienstag haben 130 Polizisten deshalb Wohnungen und Büros in 19 Orten in Berlin, Brandenburg und Schleswig-Holstein durchsucht. Konkret geht es um ambulante Dienste, die in der Intensivpflege von Beatmungspatienten betrogen haben sollen. Drei Verdächtige wurden verhaftet, auch eine 63 Jahre alte Frau, die sonst in Spanien lebt, sitzt in Berlin in Untersuchungshaft: Sie soll, so der Vorwurf, die Drahtzieherin des Betrugssystems gewesen sein.

20.000 Euro pro Beatmungspatient von der Kasse

Berlins Staatsanwaltschaft zufolge haben die Verdächtigen seit 2013 Männer und Frauen aus Osteuropa als Intensivpflegekräfte eingesetzt. Die Angeworbenen waren keine ausgebildeten Fachkräfte, weshalb sie für geringere Löhne arbeiteten als üblich – die Krankenkassen bezahlten die Einsätze jedoch so, als wären sie korrekt ausgeführt worden.

Das Betrügernetzwerk soll dafür sechs ambulante Dienste gegründet haben, die Laien mit falschen Zeugnissen als Fachkräfte beworben haben. Intensivpflege von Beatmungspatienten wird oft im Schichtsystem rund um die Uhr erledigt; die Kassen zahlen bis zu 20.000 Euro pro Patient. Die aktuell bekannte Schadenssumme soll 1,5 Millionen Euro betragen, dürfte aber – das zeigen ähnliche Fälle – bald höher eingestuft werden.

Die komplexen Abläufe im Gesundheitswesen gelten als betrugsanfällig, weil sie oft nur schwer beweissicher nachzuvollziehen sind. Auch wenn die Zahl der bekanntgewordenen Fälle von Abrechnungsbetrug in der Berliner Pflege von 2017 zu 2018 sanken, räumen Experten von Polizei und Kassen ein, dass ein Überblick fehle. Pro Jahr fordern die Kassen bundesweit hohe einstellige Millionensummen an Schäden durch Abrechnungsbetrug in der ambulanten Pflege zurück. Intern wird der Gesamtschaden auf mindestens eine Milliarde Euro pro Jahr geschätzt.

Krankenkassen und Ermittler klagen über Personalmangel

Erst vor einigen Monaten hatte Berlins Staatsanwaltschaft zwei Pflegedienstbetreiber angeklagt. Sie sollen drei Millionen Euro durch falsche Abrechnungen bei Krankenkassen und Sozialämtern ergaunert haben – mindestens, denn Beamte und Kassenexperten gehen davon aus, dass der Schaden bis zu 15 Millionen Euro betragen dürfte. Den Beschuldigten wird vorgeworfen, in fünf Jahren in 844 Fällen nicht erbrachte Pflegeleistungen abgerechnet zu haben.

Die gesetzlichen Kassen sind verpflichtet, eigene Korruptions- und Betrugsbekämpfer zu beschäftigen. Diese aber kritisieren seit Jahren, dass auch ihnen die Ressourcen fehlen, die oft bandenmäßig organisierten Betrüger zu erwischen. Zudem seien Polizei und Staatsanwaltschaften in den meisten Bundesländern personell ebenfalls nicht ausreichend gut aufgestellt. Die entsprechenden Spezialabteilungen sind oft klein – dabei ist das Gesundheitswesen mit geschätzt 350 Milliarden Euro Jahresumsatz Deutschlands größte Branche.

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