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Ein Polizeiauto (Symbolbild).

© dpa/Robert Michael

Update

Freigelassen nach Würgeattacke: Polizei verhaftet mutmaßlichen Vergewaltiger in Berlin-Gesundbrunnen

Die Polizei hat einen 25-Jährigen gefasst. Er soll erst eine Rentnerin überfallen haben, wurde aber von der Staatsanwaltschaft freigelassen, und soll dann eine Frau vergewaltigt haben.

Stand:

Die Berliner Polizei hat einen 25-jährigen mutmaßlichen Vergewaltiger verhaftet. Wie Polizei und Staatsanwaltschaft am Donnerstag mitteilten, wurde der gesuchte Tatverdächtige am Mittwochabend in einer Wohnung in der Schwedenstraße in Gesundbrunnen festgenommen.

Der Syrer soll erst eine Rentnerin überfallen haben, wurde dann von der Staatsanwaltschaft freigelassen und soll dann eine Frau in einer Geflüchtetenunterkunft vergewaltigt haben. Der 25-Jährige war zunächst auf der Flucht. Gegen ihn wurde ein Haftbefehl erlassen.

Nach seiner Festnahme brachten die Beamten ihn in einen Polizeigewahrsam. Er soll diesen Donnerstag zur Verkündung des Haftbefehls einem Haftrichter vorgeführt werden.

Der Sprecher der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Benjamin Jendro, teilte mit: „Die Umstände, warum der Mann weiterhin auf freiem Fuß war, werden weiter zu klären sein. Wir sind aber froh, dass diese klar erkennbare Gefahr für die Menschen in dieser Stadt erst einmal gebannt ist.“

Seniorin in Moabit gewürgt

Der 25-jährige Tatverdächtige soll am Freitagnachmittag bei einer 78-jährigen Rentnerin in Moabit geklingelt, sich Zugang zur Wohnung verschafft und sie dann gewürgt haben. Als Angehörige der Frau zur Hilfe kamen, floh der Mann. Auf der Flucht soll er einem Passanten eine Flasche Schnaps gestohlen haben, die sich dieser zurückholte. Bei dem folgenden Einsatz nahmen Polizisten den 25-Jährigen fest, wobei er Widerstand leistete. Er wurde daraufhin festgenommen und kam ins Gewahrsam der Kriminalpolizei.

Die Polizei habe daraufhin telefonisch angeregt, den Verdächtigen vorzuführen, um vor Gericht einen Haftbefehl zu beantragen, hieß es. Laut Staatsanwaltschaft beschäftigte sich eine Bereitschaftsstaatsanwältin am Samstagmorgen mit dem Fall. Da kein „dringender Tatverdacht“ bestanden haben soll, ließ die Staatsanwältin den 25-Jährigen nicht dem Haftrichter vorführen – er kam also frei.

Am Samstagnachmittag dann soll der syrische Staatsbürger, der eine Geflüchtetenunterkunft in Lichterfelde bewohnt, eine Frau in ebendieser Einrichtung vergewaltigt haben. Wie die Polizei mitteilte, soll er die 23-Jährige an der Tür zu ihrem Zimmer überwältigt, die Tür anschließend versperrt und sich dann an der Frau vergangen haben.

Durch Hilferufe wurden andere Bewohner der Unterkunft darauf aufmerksam und betraten das Zimmer. Der 25-Jährige flüchtete daraufhin. Wie die Polizei auf Nachfrage mitteilte, konnten mehrere dieser Zeugen die Identität des Mannes – der weiterhin flüchtig ist – bestätigen.

Staatsanwältin sah weder dringenden Tatverdacht noch Haftgrund

Auf die Einschätzung der Staatsanwältin hin befragt, den Mann auf freiem Fuß zu lassen, teilte eine Sprecherin mit, dass der Vorgang nun intern geprüft werde. Es habe Unstimmigkeiten bei der Identifikation des Mannes durch die Wahllichtbildvorlage geben, erklärte die Staatsanwaltschaft.

Da laut Einschätzung der Staatsanwältin kein „dringender Tatverdacht“ für die Gewalttat am Freitag bestand, hätte auch kein Haftbefehl erlassen werden können. Zunächst hätten weitere Ermittlungen folgen müssen, die diesen erhärteten.

Die Ermittlungen gegen den 25-Jährigen werden nun wegen beider Tatvorwürfe – gefährliche Körperverletzung und Vergewaltigung – in einer Spezialabteilung für Sexualdelikte zusammengeführt, wie die Staatsanwaltschaft am Montag mitteilte.

In ihrer Mitteilung vom Montag gab die Berliner Staatsanwaltschaft weitere Hintergründe zur Entscheidung der Bereitschaftsstaatsanwältin bekannt. Untersuchungshaftbefehle setzten demnach immer sowohl einen dringenden Tatverdacht als auch einen Haftgrund voraus.

Beides sei im Falle des verdächtigen Mannes für die Bereitschaftsstaatsanwältin nicht gegeben gewesen. Auch ein Haftgrund habe laut Einschätzung der Staatsanwältin nicht vorgelegen, da nach ihrer Bewertung weder Anhaltspunkte für die erneute Begehung weiterer Straftaten noch für eine Flucht des Beschuldigten vorgelegen hätten.

Auch wenn ein Haftgrund vorgelegen hätte, wäre nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ein dringender Tatverdacht für den Erlass eines Untersuchungshaftbefehls erforderlich gewesen. Ob vor diesem Hintergrund Versäumnisse seitens der Staatsanwältin vorliegen, könne derzeit nicht abschließend beurteilt werden und werde geprüft.

Die Gewerkschaft der Polizei kritisierte die Justiz. „Natürlich löst das auch bei uns absolutes Kopfschütteln aus. Es ist desaströs, wenn jemand ein derart schweres Sexualverbrechen begeht und man nach vorheriger Gewalttat keine Gefahr für die Bevölkerung gesehen hat“, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro. „Leider hat auch die Staatsanwaltschaft keine Glaskugel, aber wir hoffen, dass man aus diesem grauenhaften Ausgang lernt und auch Prozesse wie Entscheidungen am Telefon noch mal hinterfragt.“

Zur Wahrheit gehöre aber auch, dass Verdächtige bei einer gefährlichen Körperverletzung vor Ort entlassen werden, wenn sie einen festen Wohnsitz haben. „Entscheidend für die Aufarbeitung wird also auch sein, wie das Würgen bewertet wurde“, sagte Jendro. „Nur, wenn es als versuchtes Tötungsdelikt bewertet wurde, muss man fragen, warum ein Haftbefehl nicht wenigstens beantragt wurde.“

Als „frustrierend“ bezeichnete Jörn Badendick vom Polizeiberufsverband „Unabhängige“ den Vorgang. „Mit erheblichem Kräfteaufwand wird jetzt ein potenziell hochgefährlicher Täter gesucht, der zuvor gegen den Protest der Kollegen von der Staatsanwaltschaft auf freien Fuß gesetzt wurde“, sagte Badendick.

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