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48 Stunden BVG-Streik in Berlin: Verdi eskaliert den Tarifkonflikt – was Fahrgäste jetzt wissen müssen
Der Tarifstreit im Berliner Nahverkehr spitzt sich zu: Verdi ruft für Mittwoch und Donnerstag zum Streik auf. Die S-Bahn setzt auf zwei Linien mehr Züge ein. Wie es nun weitergeht.
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Verdi lässt den Tarifkonflikt bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) weiter eskalieren. In der kommenden Woche ruft die Gewerkschaft am Mittwoch und Donnerstag, 19. und 20. März, zum Warnstreik auf – also bis kurz vor der entscheidenden Verhandlungsrunde am Freitag.
„Das finanzielle Angebot der BVG ist völlig unzureichend“, sagte Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt am Freitagnachmittag. Es bleibe „deutlich hinter den Erwartungen zurück, da es die drastischen Preissteigerungen der letzten Jahre und den deutlichen Lohnabstand im bundesweiten Vergleich nicht ausreichend kompensiert“. Für den Donnerstag ruft Verdi zu einer zentralen Kundgebung am Berliner Abgeordnetenhaus auf.
Die BVG reagierte ebenso schnell wie scharf: „Bei einem Angebot von 13,6 Prozent mehr Lohn und einer kurzen Laufzeit von nur noch zwei Jahren ist die erneute Eskalation auf dem Rücken unserer Fahrgäste unverhältnismäßig und unnötig“, teilte Jenny Zeller-Grothe mit, Personalchefin und Verhandlungsführerin der BVG.
„Jetzt ist Verdi an der Reihe, einen Kompromissvorschlag zu bringen, statt weiter an Maximalforderungen festzuhalten. Der Ball liegt bei Verdi“, so Zeller-Grothe. Die BVG prüfe rechtliche Schritte, ob der zweitägige Streik noch verhältnismäßig ist.
Für den 21. März, den kommenden Freitag, ist die vorerst letzte Verhandlungsrunde in dem seit zwei Monaten laufenden Tarifstreit angesetzt. An diesem Tag läuft das im Februar gestellte Ultimatum aus: Wenn bis zum 21. März kein „akzeptables“ Angebot vorliegt, will Verdi zu einem unbefristeten Streik aufrufen. Was Berliner jetzt wissen müssen.
Worum geht es?
Ums Geld. Verdi hatte seine Forderungen bereits im Oktober 2024 auf den Tisch gelegt. Im Januar hatte die Gewerkschaft das Paket noch einmal vor Journalisten erläutert: Jeder der 16.600 BVG-Beschäftigten soll monatlich 750 Euro mehr bekommen, dazu ein 13. Monatsgehalt als Weihnachtsgeld. Weitere Forderungen: Eine Anhebung der Fahrdienst- beziehungsweise Wechselschichtzulage auf 300 Euro sowie eine Anhebung der Schichtzulage auf 200 Euro. Zusammen sind das etwa 1000 Euro pro Monat mehr.
Die BVG hatte die Kosten des Pakets auf 250 Millionen Euro beziffert und es als „unfinanzierbar“ zurückgewiesen. Im Jahr 2023 gab die BVG 821 Millionen Euro für ihr Personal aus, rechnet man die Tochter Berlin Transport (BT) dazu, waren es 913 Millionen Euro. Zahlen für 2024 liegen noch nicht vor.
Wieso fordert Verdi so viel?
Weil es mehrere Jahre kaum Lohnerhöhungen gab. Bei der letzten Tarifrunde ging es vor allem um die Arbeitszeit, nicht um die Lohnhöhe. Corona und der Krieg gegen die Ukraine haben dann die Inflation plötzlich und unvorhersehbar drastisch ansteigen lassen. Mit den 750 Euro mehr Lohn will Verdi den „Reallohnverlust“ der vergangenen Jahre ausgleichen.
Die BVG hatte einen gewissen „Nachholbedarf“ der Beschäftigten anerkannt. Im Vergleich der Bundesländer liegt Berlin bei der Bezahlung der Fahrer mittlerweile auf dem letzten Platz.
Was ist in den vergangenen Monaten passiert?
Es hat fünf Verhandlungsrunden gegeben, vier Angebote der BVG und drei Warnstreiks. Die BVG ist den Beschäftigten in mehreren Schritten und in mehreren Punkten weit entgegengekommen. Vor allem bei der Laufzeit hat sich die BVG bewegt. Verdi wollte ein Jahr, die BVG vier Jahre. Die BVG hat die 48 Monate erst auf 30 und zuletzt 24 Monate gesenkt. Die BVG will eine möglichst lange Laufzeit, um Planungssicherheit zu haben.
Wo sind sich beide Seiten einig?
Bei der Laufzeit hat Verdi nicht mehr protestiert. Auch die Zulagen sind offenbar akzeptabel: Die für Fahrdienst und Wechselschicht soll auf 225 Euro angehoben werden, die Schichtzulage auf 130 Euro. Das Weihnachtsgeld soll sich in beiden Jahren um je 100 Euro erhöhen. Und: Die BVG bietet an, dass Mitarbeiter freiwillig ihre Arbeitszeit von 37,5 auf bis zu 39 Stunden erhöhen können. So würden sie bis zu 4,7 Prozent mehr Lohn erhalten.
Und wo nicht?
Beim Lohn. Das ist der Knackpunkt. Die BVG hat zuletzt rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres 240 Euro pro Monat mehr geboten. Ab März 2026 sollen noch einmal 135 Euro pro Monat hinzukommen. Durchschnittlich würden die Löhne in zwei Jahren laut BVG um 13,6 Prozent steigen. Im Ländervergleich würde Berlin wieder auf einen vorderen Platz klettern. Doch das reicht der Gewerkschaft überhaupt nicht: 240 Euro im ersten, 135 im zweiten Jahr sei gerade mal die Hälfte der geforderten 750 Euro, so ist die Stimmung.
Wie geht es jetzt weiter?
Für den 20. März ruft Verdi zu einer „zentralen Kundgebung am Berliner Abgeordnetenhaus“ auf, wie es auf einem Flugblatt der Gewerkschaft heißt. Die Polizei hat für diesen Tag noch keine Anmeldung, wie eine Sprecherin im Präsidium sagte.
Am 21. März wird wieder verhandelt. Dann wird es richtig spannend. Mitte Februar hatte die Gewerkschaft der BVG ein Ultimatum gestellt, dass bis zu diesem 21. März ein „akzeptables“ Angebot vorliegen muss. Wenn nicht, wird Verdi seine Mitglieder befragen, ob es einen unbefristeten „Erzwingungsstreik“ geben soll.
Bislang hatten die Mitglieder jedem Warnstreik mit sehr großer Mehrheit zugestimmt. In einer Videoansprache an die Mitglieder hatte Verhandlungsführer Jeremy Arndt gesagt: „Der BVG-Vorstand versteht nur Druck.“
Kann die BVG denn noch einmal deutlich rauflegen?
Nein. „Wir sind am Limit unserer finanziellen Möglichkeiten“, hatte Personalchefin Zeller-Grothe am Mittwochabend nach der jüngsten Tarifrunde gesagt. Das angebotene Paket koste etwa 125 Millionen Euro pro Jahr.
Knapp die Hälfte davon sichert das Land der BVG im laufenden Verkehrsvertrag für Lohnsteigerungen zu. Den Rest muss die BVG alleine stemmen. Mehr sei „wirtschaftlich absolut nicht vertretbar“, so die BVG. Nun sei die Gewerkschaft dran, Kompromisse einzugehen.
Wie komme ich am Mittwoch und Donnerstag zur Arbeit?
Mit dem Rad, der Bahn, der S-Bahn oder mit dem Auto. Wie bei den ersten drei Warnstreiks werden keine U-Bahnen und keine Straßenbahnen fahren – und auch die meisten Busse nicht. Die im Auftrag der BVG von privaten Unternehmen gefahrenen Linien fahren auch bei Streiks planmäßig. Es sind 22 Linien tagsüber und zwölf Nachtlinien. Überwiegend sind es nur Kiezbusse, viele am Stadtrand.
Die wichtigen Metro- und Expressbusse (M und X) fahren nicht. Auf einigen Linien findet ein Teil der Fahrten statt, und zwar bei denen, die gemeinsam mit Brandenburger Unternehmen betrieben werden, so zum Beispiel auf dem X36 zwischen Bahnhof Spandau und Hennigsdorf. Hier hilft nur ein Blick in die App, welcher Bus fährt und welcher nicht.
Der Aufzugersatz BVG Muva wird nicht bestreikt, auch die Fähren (F10, F11, F12) fahren normal.
Die meisten Fahrgäste werden wieder in die Berliner S-Bahn umsteigen. Sie ist von dem Warnstreik nicht betroffen, weil sie von der Deutschen Bahn betrieben wird. Die Züge dürften voller werden als an normalen Tagen.
Die S-Bahn verstärkt auf zwei Linien den Takt, und zwar auf der S1 zwischen Zehlendorf und Potsdamer Platz sowie der S5 zwischen Mahlsdorf und Lichtenberg. Diese Fahrten wurden vom VBB und dem Land bestellt und bezahlt. Für deutlich mehr Angebot hat die S-Bahn weder Fahrzeuge noch Fahrer.
Bei den vorangegangenen Streiks hatte die S-Bahn sogar auf drei Linien den Takt derart verdichtet. Aufgrund von Bauarbeiten im Ostbahnhof sind zusätzliche Fahrten auf der S3 nicht möglich und die zusätzlichen Fahrten auf der S5 verkehren nur bis/ab Lichtenberg.
Alle Regionalzüge der Bahn und der privaten Odeg fahren normal.
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