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Das Phantombild des mutmaßlichen Täters. Im Hintergrund der Tatort in Kleinmachnow: das Panzerdenkmal.

© Montage: Thilo Rückeis/PD West

Update

Erst freundlich, dann brutal: Was über den Serienvergewaltiger und seine Taten bekannt ist

Mindestens acht Frauen soll ein 29-Jähriger in Berlin und Brandenburg attackiert haben. Nach der Festnahme enthüllt die Polizei Details über den Verdächtigen.

Nicht im Dämmerlicht, sondern tagsüber, zunächst nicht grob, sondern freundlich: So näherte sich der mutmaßliche Täter seinen Opfern. Am Dienstag wurde ein 29-jähriger Serbe von der Brandenburger Polizei gefasst. Er soll für mindestens acht teils vollzogene, teils versuchte Vergewaltigungen in Berlin und Brandenburg verantwortlich sein. Die Ermittler stellten am Mittwoch in Berlin erste Ergebnisse vor.

Das Tatmuster

Bei allen Fällen stießen die Ermittler auf ein Muster: Der Täter habe die Opfer zunächst ganz freundlich angesprochen. Danach sei er mit massiver körperlicher Gewalt vorgegangen, berichtet Norma Schürmann vom Landeskriminalamt (LKA) Berlin. Er habe die Frauen gepackt, gewürgt und schließlich vom Weg in entlegenere Gebiete gezerrt, sie mit körperlicher Bedrohung zum Schweigen gebracht, so dass sie nicht um Hilfe gerufen hätten.

Bei drei der Vergewaltigungen benutzte der Mann gefährliche Werkzeuge. Welche, dazu wollte die Polizei keine genaueren Angaben machen. Allerdings ist schon jetzt klar: Für jede dieser drei Taten droht dem mutmaßlichen Täter eine Haftstrafe von fünf Jahren.

Nach den Vergewaltigungen tat der Täter etwas, das aus Sicht von Ermittlerin Schürmann „sehr ungewöhnlich“ ist: Er habe sich regelrecht um die Opfer „gekümmert“, habe vornehmlich Fürsorge gezeigt und sogar vorgeschlagen, sich am Folgetag wieder zu verabreden. Einige der Frauen seien zum Schein und in der Hoffnung, sich so retten zu können, darauf sogar eingegangen

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Das erste Opfer des mutmaßlichen Serienvergewaltigers ist laut Staatsanwaltschaft minderjährig. Zudem ist ein weiteres Opfer immer noch unbekannt. Ein Zeuge hatte die Vergewaltigung der Polizei gemeldet. Bislang hat sich die Geschädigte aber noch nicht bei der Polizei gemeldet. Dies sei allerdings nicht ungewöhnlich, hieß es. Es sei nicht auszuschließen, dass es sich um eine Touristin gehandelt haben könnte, die von der Suche nach dem Täter nichts mitbekommen habe.

Die Taten

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Die erste Tat ereignete sich am 12. Juni in Grunewald, die nächste in Bernau nordöstlich von Berlin am 15. Juni. Später wird dieser Fall noch eine wichtige Rolle spielen. Denn auf einem S-Bahnhof wurde er von einer Überwachungskamera gefilmt. In der Nähe war eine 20-Jährige auf einem Geh- und Radweg angegriffen worden. Der Täter habe sie unter Drohungen mit sich gezogen und sie vergewaltigt. So teilte es die Polizei danach mit.

Nach drei weiteren, kurz aufeinanderfolgenden Vergewaltigungen am 22., 25. und 28. Juni am Wannsee und am Teufelsberg ging die Berlin Polizei schließlich von einem Serientäter aus, auch weil die Opfer ein ähnliches Muster schilderten. Das alles geschah weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit – das änderte sich nach der Tat am 28. Juni.

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An diesem Tag wurde eine Joggerin in einem Waldstück in Kleinmachnow an der südwestlichen Grenze zu Berlin überfallen. Drei Stunden lang soll der Mann die Frau in seiner Gewalt gehabt und sie mehrfach vergewaltigt haben. Die 27-Jährige konnte dann mit dem Fahrrad des Täters flüchten. Die noch am selben Abend ausgelöste Großfahndung der Polizei blieb ohne Erfolg. Am 1. Juli bat die Berliner Polizei um Hinweise.

Am Dienstagmittag dann der nächste Überfall in Potsdam: Diesmal war die Polizei schnell zur Stelle. Nach einer Großfahndung wurde der 29-Jährige von Einsatzkräften der Brandenburger Polizei kurz hinter der Landesgrenze in Wannsee gefasst.

Der Verdächtige

Das ehemalige Panzerdenkmal bei Kleinmachnow: Nach einer Vergewaltigung an diesem Ort wurden die Taten öffentlich.
Das ehemalige Panzerdenkmal bei Kleinmachnow: Nach einer Vergewaltigung an diesem Ort wurden die Taten öffentlich.

© Andreas Klaer

Der 29-Jährige hat sich offenbar wiederholt in Berlin aufgehalten, hatte allerdings keinen festen Wohnsitz in der Stadt. Zuletzt lebte er offenbar in einer „heimähnlichen Unterkunft, einem Hostel“, wie Norma Schümann vom LKA Berlin sagte.

Der Mann war der Polizei schon im Zusammenhang mit anderen Straftaten aufgefallen, darunter allerdings keine Sexualdelikte: Im Dezember vergangenen Jahres hatte er einen Diebstahl begangen, für den er zu einer geringen Geldstrafe verurteilt wurde. Im März dieses Jahres kam es zu einem weiteren Eigentumsdelikt. Im Juni war der Tatverdächtige offenbar in eine Laube eingebrochen, bei der man seine Fingerabdrücke feststellen konnte. Dieser Einbruch hatte nah an einem der Orte stattgefunden, wo es zu einer Vergewaltigung gekommen war – auf diesem Weg fand die Polizei die Identität des Mannes heraus.

Warum der mutmaßliche Täter sich immer wieder in Berlin aufhielt und was er in der Stadt tat, ist unbekannt. Allerdings wissen die Ermittler, dass er versucht habe, Geld zu machen, indem er ein Auto verkaufte, sagte Ermittlerin Schürmann am Mittwoch. Der Verdächtige sei bei einem vorangegangen Aufenthalt mit einer Begleiterin in Berlin gewesen. Diese Frau halte sich derzeit allerdings im Ausland auf, hieß es.

Die Festnahme

Mit diesem Foto vom Bahnhof Bernau wurde nach Sinisa K. gefahndet.
Mit diesem Foto vom Bahnhof Bernau wurde nach Sinisa K. gefahndet.

© Polizei Berlin

Bei der Berliner Polizei war die Soko „Orange“ auf den Serientäter angesetzt. Die Brandenburger Polizei lieferte vergangene Woche zunächst auf Grundlage der Beschreibung des Kleinmachnower Opfers ein Phantombild, dann schließlich das Fahndungsfoto aus der Überwachungskamera in Bernau.

Die Öffentlichkeit war gewarnt, die Polizei sprach von einem gefährlichen Täter. Wo sich der Gesuchte aufhielt, blieb allerdings weiter unbekannt. Als am Montag die Identität des Mannes feststand, gingen die Berliner Ermittler zunächst davon aus, dass sich der Täter nach Serbien abgesetzt hat.

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Doch am Dienstag ging dann um 11.30 Uhr bei der Polizei ein Anruf ein – die Anruferin sagte, sie habe in einem Waldstück bei Potsdam eine Frau gefunden, die unter Schock stehe: Sie sei joggen gewesen, ein Mann habe sie auf einem Waldweg angesprochen, nach dem Weg gefragt, dann soll er sie überwältig haben. In der Nähe stießen Polizisten auf einen Mann mit Fahrrad, er passte zur Beschreibung des Opfers. Der Mann flüchtete, ließ sein Fahrrad zurück, die Beamten feuerten mehrere Warnschüsse ab.

Danach wurde „ein großes Kino aufgefahren“, wie Oskar Vurgun von der Polizei Brandenburg sagte: Das Waldstück wurde abgesperrt, Suchketten wurden gebildet. Trotzdem konnte der Verdächtige flüchten. Bei seiner Flucht verlor er sein Handy, das dank einer fehlenden Sperre schnell dem Gesuchten zugeordnet werden konnte.

Eine Drohne, Polizeihunde und sogar Boote der Brandenburger Polizei waren im Einsatz. Ein Hubschrauber mit Wärmebildkamera führte die Ermittler dann gegen 19.30 Uhr zum Verdächtigen, sagte Vurgun. Unter brandenburgischer Führung waren Beamte der Bundespolizei, aus Brandenburg und Berlin im Einsatz.

Die Opfer

Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) mahnte, dass jetzt die Unterstützung für die Opfer in den Vordergrund gerückt werden müsse. Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) wünschte den Opfern „bestmögliche Genesung“. Zugleich bedankte er sich am Donnerstag bei allen Beteiligten, einschließlich der Brandenburger Polizei und der Generalstaatsanwaltschaft, für das Engagement bei der Aufklärung der Verbrechen. „Durch die sehr gute Arbeit der Polizei Berlin konnte diese schreckliche Tatserie beendet werden.“

Tag der Festnahme: Polizeiautos stehen in einem Waldstück zwischen Babelsberg und Dreilinden.
Tag der Festnahme: Polizeiautos stehen in einem Waldstück zwischen Babelsberg und Dreilinden.

© Julian Stähle/dpa

Soweit dies möglich sei und die Opfer dazu in der Lage gewesen seien, habe man sie zeitnah vernommen, sagte LKA-Ermittlerin Schürmann. Die Frauen seien vor den Ermittlungsschritten, etwa der Veröffentlichung von Fahndungsfotos, informiert worden. Im Krankenhaus sei niemand mehr. Es bleiben die tiefen seelischen Wunden. Allen Opfern wurde psychologische Begleitung angeboten.

Die Untersuchungshaft

Der Verdächtige wurde am Mittwoch einer Ermittlungsrichterin vorgeführt, die einen einen Haftbefehl verkündete. Jetzt sitzt er in Untersuchungshaft. Ob der Verdächtige sich zu den Beschuldigungen geäußert hat, blieb unklar.

Allerdings berichtete der Polizeibeamte Oskar Vurgun, der mutmaßliche Täter habe sich nach seiner Verhaftung nicht kooperativ verhalten, sondern sich stark gewehrt, sodass körperliche Gewalt eingesetzt werden musste. Der Tatverdächtige soll nun auch von einem psychiatrischen Experten begutachtet werden.

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