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Die beiden Angeklagten auf der linken Seite des Saales verdecken sich hinter einer Jacke und einem Poster beim Prozessauftakt.

© dpa/Carsten Koall

„Es ging nur um Fußball oder den politischen Gegner“: Ermittler berichtet von Chats zwischen Neuköllner Neonazis

Im Prozess wegen einer rechten Anschlagsserie in Berlin-Neukölln wird einer der zentralen Ermittler befragt. Er berichtet von gezielten Ausspähversuchen und sichergestellten Chats.

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Eigentlich, sagt der Ermittler Z., sei es in den Chats und Telefonaten zwischen den angeklagten Neonazis Sebastian T. und Tilo P. immer nur um zwei Themen gegangen: „Wenn es nicht um Fußball ging, ging es um den politischen Gegner“, sagte Z. am Donnerstag vor dem Berliner Landgericht.

Sebastian T., ehemaliger NPD-Kader, und Tilo P., früherer AfD-Politiker, müssen sich hier unter anderem wegen zweier Brandanschläge auf die Autos des Linken-Politikers Ferat Kocak und des Buchhändlers Heinz Ostermann in der Nacht zum 1. Februar 2018 verantworten. Die beiden Anschläge gelten als trauriger Höhepunkt einer Anschlagsserie insbesondere in Süd-Neukölln, der die Behörden mindestens 72 Straftaten zurechnen, darunter weitere Brandanschläge, Morddrohungen und andere Einschüchterungsversuche.

Ermittler Z. hatte als Teil der ab 2017 zuständigen Ermittlungsgruppe Resin und auch in der anschließenden Soko „BAO Fokus“ unter anderem die Daten aus der Telefonüberwachung der beiden Tatverdächtigen sowie die bei Durchsuchungen beschlagnahmten Datenträger und Handys ausgewertet.

Wir sollten unserem besonderen Freund einmal vermummt auflauern und so richtig aufs Maul hauen.

Das soll Tilo P. in einer Nachricht an Sebastian T. geschrieben haben

Nach dem Brandanschlag am 1. Februar hatten die Ermittler:innen auf den beschlagnahmten Handys von Tilo P. umfangreiche Chats zwischen den beiden Hauptverdächtigen entdeckt. Darin thematisierten die beiden auch immer wieder das spätere Anschlagsopfer Ferat Kocak. In einem der Chats kündigte P. an, man müsse einer bestimmten Person, „unserem besonderen Freund“, „mal vermummt auflauern und richtig aufs Maul hauen“. Einen Namen nennt P. nicht, die Ermittler:innen gehen aber davon aus, dass Kocak gemeint war.

Anhand der im Februar 2018 gesicherten Daten können die Ermittler:innen belegen, dass T. und P. unter anderem Ferat Kocak umfangreich ausspioniert hatten: Z. berichtet etwa, dass P. auf Google Maps intensiv dessen Wohnhaus betrachtet, immer wieder hin und her gezoomt hatte. Im Carport dieses Hauses brannte später Kocaks Auto. Zudem sind die beiden Angeklagten Kocak im Bus gefolgt, Sebastian T. wurde von Observierungsbeamt:innen schon 2017 vor dessen Haus beobachtet.

T. und P. hatten Kocak intensiv ausgespäht

Zuletzt hatten T. und P. am 15. Januar 2018 Kocaks Auto verfolgt, zwei Wochen vor dem Anschlag. Darüber informierte am 31. Januar auch das Landesamt für Verfassungsschutz das Landeskriminalamt. In dem entsprechenden Behördenzeugnis soll aber lediglich gestanden haben, dass zwei namentlich nicht benannte Neonazis einen roten Smart ausgespäht hatten. In derselben Nacht brannte eben jener Smart, Kocaks Auto. Erst in einem zweiten Behördenzeugnis am 1. Februar gab der Verfassungsschutz demnach weitere Details und Namen preis.

Dass T. und P. die beiden Autos tatsächlich angezündet haben und auch hinter den anderen Anschlägen der Serie stecken, ist nicht bewiesen. In erster Instanz wurden sie vor zwei Jahren mit Blick auf die Brandanschläge freigesprochen. Zuletzt war vor einer Woche erneut wegen zweier anderer Brandanschläge bei T., P. und einem weiteren Verdächtigen durchsucht worden.

Am 11. November sollen Kocak und Ostermann im Prozess als Zeugen gehört werden. Parallel ruft ein Bündnis zu einer Kundgebung vor dem Gericht auf, das Motto lautet: „Den rechten Terror stoppen. Neukölln-Komplex aufklären. Täter zur Rechenschaft ziehen.“ Erst Ende Oktober waren nachts die Reifen von Ostermanns Auto zerstochen worden.

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