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Der zerstörte Hausflur nach dem Brand.

© Julius Geiler/Tagesspiegel

Update

Sechsfache Mutter aus Syrien stirbt nach Feuer: Mutmaßliche Brandstiftung in Berlin-Pankow – das ist über den Fall bekannt

In einem Haus in Pankow, in dem Geflüchtete leben, wird offenbar ein Feuer gelegt. Eine 43-Jährige stirbt an den Folgen. Der Fall wirft viele Fragen auf.

| Update:

Am Montagnachmittag wimmelt es im Innenhof eines Eckgebäudes in der Pankower Bahnhofstraße plötzlich von Journalisten. Der RBB ist da, Fotografen und Reporter überregionaler Medien ebenso. Mittendrin steht Familie A. Der Vater und zwei seiner Söhne. Sie sind überrascht von der unerwarteten Aufmerksamkeit, haben nicht damit gerechnet, erzählt der älteste Sohn.

Trotzdem beantworten sie freundlich Fragen und geben Interviews. Zwischendurch nehmen sie Blumen entgegen, die Unterstützer und Nachbarn vorbeibringen. Es ist eine angespannte, bedrückte Atmosphäre. Die syrische Familie A. trauert um ein Familienmitglied. Vor zehn Tagen starb die 43-jährige Ehefrau und sechsfache Mutter Yazi A. an den Folgen eines Brandes.

Was ist passiert?

Am Abend des 25. Januars bricht in dem Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses im Pankower Ortsteil Französisch Buchholz ein folgenschweres Feuer aus. Das Gebäude besteht aus zwei verschiedenem Haushälften. In dem von Brand betroffenen Teil leben ausschließlich Geflüchtete in eigenen Wohnungen, die vom Bezirk Pankow verwaltet werden.

Die Berliner Feuerwehr rückt mit über 100 Einsatzkräften an und rettet die Bewohner mit Brandfluchthauben und über die Fenster. Zwei Personen werden durch den Brand verletzt, eine davon schwer. Es ist Yazi A., die etwa zwei Wochen später ihren schweren Verletzungen in der Charité erliegt.

Was ist über die Brandursache bekannt?

Nachdem das Feuer gelöscht wurde, beginnt sofort ein Brandkommissariat des Landeskriminalamts mit den Ermittlungen wegen schwerer Brandstiftung. Mittlerweile wurden diese ausgeweitet auf den Straftatbestand „Brandstiftung mit Todesfolge“.

Im Treppenhaus waren offenbar mehrere Kinderwagen geparkt, die als Erstes in Brand gerieten. Der 17-jährige Sohn der Familie A. berichtete, dass die Tür zum Hof immer aufstand. Nur an diesem Abend soll sie plötzlich geschlossen gewesen sein, was die Flucht aus dem verqualmten Treppenhaus beträchtlich erschwerte.

Laut Polizei stehen die Brandermittler im engen Austausch mit dem polizeilichen Staatsschutz. Hinweise für eine mögliche politisch motivierte, rassistische Tat liegen laut einer gemeinsamen Pressemitteilung von Polizei und Staatsanwaltschaft bisher nicht vor.

Wieso wird der Fall erst jetzt bekannt?

Bereits am Tag nach dem Brand berichteten zahlreiche Berliner Medien über das Feuer in Französisch Buchholz, darunter auch der Tagesspiegel.

Nachdem der Tod der 43-jährigen Syrerin durch den Aktivisten und Autor Tarek Baé am vergangenen Freitag über Twitter verbreitet wird, bekommt der Fall überregionale Aufmerksamkeit. Baé kritisiert seitdem in zahlreichen Tweets Medien und die Politik dafür, dass diese erst zehn Tage nach dem Tod der Syrerin über die neuen Entwicklungen in dem Fall berichten.

Ungewöhnlich ist tatsächlich die späte Reaktion der Polizei auf den Todesfall. Normalerweise veröffentlicht die Pressestelle bei Getöteten, die Tage später nach dem eigentlichen Vorfall an den Folgen eines Unfalls, Brandes oder Verbrechens versterben, eine separate Pressemitteilung. Dies ist nicht geschehen.

Stattdessen reagierte die Pressestelle erst am Montagnachmittag mit einem eigenen Statement. Und das, obwohl zahlreiche Journalisten die Berliner Polizei bereits kurz nach den ersten Meldungen über den Tod der 43-jährigen am Sonnabend anfragten.

Wie geht es Familie A. aktuell?

Der Vater und seine sechs Kinder mussten mittlerweile in ihr Wohnhaus zurückkehren. Lediglich vorübergehend wurden sie für einige Tage in einer anderen Unterkunft untergebracht. Im Treppenhaus in der Bahnhofstraße riecht es immer noch nach Rauch, die Wände sind verkohlt. Alles erinnert sie hier an ihre verstorbene Mutter, sagt der 17-jährige Sohn. Zweimal seien sie bereits an das Bezirksamt herangetreten, um den Wunsch nach einer neuen Wohnung zu formulieren. Bisher erfolglos.

Trauer in Pankow: Anwohner und Nachbarn übergaben den Angehörigen am Montagnachmittag Blumen.
Trauer in Pankow: Anwohner und Nachbarn übergaben den Angehörigen am Montagnachmittag Blumen.

© Julius Geiler/Tagesspiegel

Erst am Montag hätte man davon erfahren, dass eine ehemalige Bewohnerin des Hauses gestorben sei, teilte der Bezirk Pankow auf eine Tagesspiegel-Anfrage mit. Die Information hätte aber noch nicht „geprüft“ werden können, hieß es von einem Sprecher. Zu diesem Zeitpunkt war die gemeinsame Pressemitteilung der Polizei und Staatsanwaltschaft über den Tod der Frau jedoch schon veröffentlicht.

Wie sind die öffentlichen Reaktionen?

Berlins Verkehrssenatorin und Grünen-Spitzenkandidatin Bettina Jarasch äußerte sich mittlerweile zum Tod der Frau: „Ich bin traurig. Nachdem es vor 2 Wochen in einem Mehrfamilienhaus in Französisch-Buchholz brannte, erlag eine Mutter aus Syrien ihren Verletzungen. In dem Haus lebten Geflüchtete. Meine Anteilnahme gilt ihren Angehörigen. Die Polizei muss nun die Hintergründe aufklären“, schrieb sie bei Twitter.

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Auch Berlins Sozialsenatorin Katja Kipping (Linke) bekundete via Twitter den Angehörigen ihr Beileid: „Meine Gedanken und Tränen gelten ihnen“, erklärte die Politikerin.

Wie ist die Situation in der Gegend?

Nicht weit vom Haus in der Bahnhofstraße entfernt befindet sich in Blankenburg ein Parteibüro der AfD, in dem regelmäßig rechte Veranstaltungen stattfinden. In dem Kiez tauchen immer wieder rechte und rechtsextreme Sticker, Parolen und Graffitis auf. Traditionell gilt der Norden Pankows, insbesondere der Ortsteil Buch, als Hotspot der rechten Szene.

Der 17-jährige Sohn der Familie A. berichtete am Montag, dass auch seine verstorbene Mutter auf der Straße von mutmaßlich Rechtsextremen bereits beleidigt worden sein soll.

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