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Ulli Zelle gibt alles auf der Bühne im großen Sendesaal des RBB.

© Bernd Matthies

Gala für Berlins Reporterlegende Ulli Zelle: Das Mikro gibt er ungern aus der Hand

Berlins populärster Fernsehmensch bekommt zum Abschied vom RBB eine Gala im großen Sendesaal spendiert. Regierende, Intendantin – alle sind gekommen. Die Show schmeißt Ulli Zelle trotzdem fast allein.

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Zugegeben: Mick Jagger federt noch ein wenig geschmeidiger in den Knien, wenn er für „Satisfaction“ die Bühne quert. Sollte der aber nicht greifbar sein, ist Ulli Zelle ein sehr passabler Ersatz, und auch seine Band, die in Berlin weltberühmten „Grauen Zellen“, rumpeln sehr schön im Stil der alten Meister.

„Satisfaction“ also war der Start der Show, die der RBB seinem Starreporter am Sonnabend spendiert hatte, einer von insgesamt drei Titeln, deren Botschaft ganz klar war: Ich mach’ weiter, ob ihr wollt oder nicht. Kommen wir noch drauf zurück.

Bis zum Anschlag tadellos gearbeitet. Ulli Zelle bei seiner Abschiedsgala.

© Bernd Matthies

„Mach’s gut, Ulli!“ war ein Kuriosum in mehrfacher Hinsicht: Talkshow fürs Dritte, Familienfeier für die im Großen Sendesaal. Und überhaupt: Hat es das schon mal gegeben, dass ein Sender einen Mitarbeiter, der gar nicht gehen will, so herzlich hinauskomplimentiert?

Kein Berliner Fernsehmensch ist populärer

Zelle ist 73, hat bis zum Anschlag tadellos gearbeitet, kein Berliner Fernsehmensch ist populärer und von mehr Zustimmung getragen. Aber im Grunde hätte er – auch als freier Mitarbeiter – schon vor acht Jahren packen müssen, so sind die ehernen Regeln, die für ihn persönlich freundlich gedehnt wurden.

Egal. Nun ist Schluss, er sang zwar selbst. Und hätte das Ganze vermutlich auch noch allein moderiert, aber der Sender hatte ihm vernünftigerweise Janna Falkenstein an die Seite gestellt, die den Altmeister entschlossen an die Hand nahm und mit der gebotenen Flapsigkeit durch den Abend führte.

Nein, ins Dschungelcamp will er nicht

Wo allerhand passierte. Dummerweise war die Sofagruppe auf der Linken so ausgewählt, dass einige der durchweg würdigen Gäste Mühe hatten, wieder aufzustehen. Albrecht Broemme beispielsweise, der ehemalige Feuerwehrchef, der als bekennender Ruhestandsverweigerer so eine Art Ulli Zelle des Katastrophenschutzes ist, oder Klaus Wowereit, der sich hingegen schon mit 61 von der Arbeit verabschiedet hat und nun nur noch als Partygast und entspannter Plauderer glänzt.

Leichtfüßiger wirkte der Reality- und Selbstdarsteller Julian F. M. Stoeckel, der den scheidenden Reporter ins Dschungelcamp einlud und ihm dafür einen märchenhaften Geldsegen versprach. Zelle allerdings, als öffentlich-rechtliches Eigengewächs ohnehin RTL-skeptisch, reagierte auf das Angebot rein körpersprachlich: Äh, nein, danke.

Zelles 101-jährige Mutter schickt eine Videobotschaft

Was ist das überhaupt mit diesem Zelle? Einspieler zeigten Höhepunkte seiner vielfältigen Arbeit, bei der er mit den Rolling Stones und Meryl Streep zusammenkam, sich aber auch nicht zu schade war, mit dem Traktor durchs Brandenburgische zu rumpeln und rotwangige Landwirte nach der Wetterlage zu befragen.

Das Gaga-Interview mit Hape Kerkeling alias Kanzlerkandidat Horst Schlämmer wurde gezeigt, aber auch ein Stück aus der Zeit, als der Sender noch Geld hatte und seinen Reporter nach Adelaide entsandte, wo er die Wiedervereinigung eines verschollenen Berliner Kriegskindes mit seiner Mutter dokumentierte. Die Tochter kam persönlich, die Mutter, inzwischen 101 Jahre alt, schickte eine Videobotschaft – große Momente im großen Saal.

Auch die Besucher kamen zu Wort. Warum sie denn Ulli Zelle so schätze, wurde eine ältere Frau gefragt. Ihre Antwort, kurz und knapp: „Weil er so lange ein guter Mensch war“.

So sah es auch Franziska Giffey, die den aktuellen Senat vertrat und etwas bisher Ungekanntes mitbrachte: eine Dankesurkunde, wie sie sonst nur Mitarbeiter des Öffentlichen Dienstes erhalten, nie aber Außenstehende. Im Text wurde festgehalten, was auch alle anderen Lobreden des Abends aussagten: Da hat einer 40 Jahre lang mit nie nachlassender Neugier und Menschenfreundlichkeit Berlin und seine Menschen erkundet, hat sich am Roten Teppich ebenso den richtigen Ton gefunden wie als erster Reporter des Mauerfalls und beim Berichten über Katastrophen wie den Weihnachtsmarkt-Anschlag.

Nach „Baby come back“ nahm ihm die Moderatorin sanft das Mikro ab

Kaum ein anderer hätte auch zum Abschied so viele ehemalige Stadtoberhäupter zusammengebracht: Neben Giffey und Wowereit gratulierten Eberhard Diepgen und Walter Momper, Kai Wegner schickte eine Videobotschaft. Intendantin Ulrike Demmer grüßte aus der ersten Reihe, und die Abendschau-Truppe war natürlich dabei. Sogar Nicole Massion, die dabei war, als Zelle in den Achtzigern einen Anlauf als Moderator der Sendung grandios in den Sand setzte, irgendwas mit Kontaktlinsen und Hunden auf dem Schoß – es dauerte nur einen Monat.

Das Musikprogramm steuerten Jocelyn B. Smith sowie die Familie Hermlin bei, bevor Zelle selbst noch einmal dem Sofa entstieg und den Rock’n’Roller im knitterigen Leinenanzug gab: „Hinterm Horizont geht’s weiter“ sowie den 67er Equals-Heuler „Baby come back“ – eine klare Botschaft an die Gemeinde. Dann nahm ihm die Moderatorin sanft das Mikro ab – sonst hätte er sicher noch bis in den Juni weitergemacht.

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