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„Wenn sie einen Geländewagenen nehmen und sie stellen einen Erstklässler daneben, dann sieht er nicht über die Motorhaube hinaus“, sagt Gerhard Brand vom VBE – gerade Autos stellen auf dem Schulweg eine große Gefahr dar.

© dpa/Patrick Pleul

Gefährlicher Schulweg: Aktuelle Umfrage unter Eltern zeigt deutliches Problem

Wie unsicher Deutschlands Schulwege sind, zeigt eine repräsentative Forsa-Umfrage. Mehrere Initiativen und Verbände machen konkrete Vorschläge – und fordern die Bundesregierung zum Handeln auf.

Von Luis Brückner

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Jedes fünfte Kind fühlt sich unsicher auf dem Schulweg, jedes achte erlebt mindestens einmal pro Woche eine gefährliche Situation, die durch Eltern verursacht wird, die ihr Kind mit dem Auto bringen. Eine repräsentative Forsa-Umfrage unter mehr als 1000 Eltern von Kindern zwischen sechs und 14 Jahren fasst in Zahlen, wie unsicher der Weg zur Schule in Deutschland ist.

Eltern wünschen sich mehr Querungsstellen, Tempo 30 und ein gutes Angebot öffentlicher Verkehrsmittel als Gegenmaßnahmen. Die Umfrage wurde vom Deutschen Kinderhilfswerk (DKHW), dem Ökologischen Verkehrsclub Deutschland (VCD) und dem Verband Bildung und Erziehung (VBE) in Auftrag gegeben.

Schulstraßen gegen Elterntaxis

Die größte Gefahr auf dem Schulweg gehe von Autos aus, man brauche deshalb „dringend Sperrungen im direkten Umfeld der Schulen“, so die VCD-Bundesvorsitzende Kerstin Haarmann. Damit könne eine Reihe gefährlicher Situationen behoben werden. „Tempo 30, sichere Querungen, Radwege und Halteverbote müssen überall Standard werden“, fordert Haarmann mit Blick auf die Befragungsergebnisse.

Als eine Lösung empfehlen die Verbände Schulstraßen, das sind verkehrsberuhigte Bereiche vor Schulen und Kitas, durch die mindestens morgens und nachmittags keine Autos fahren dürfen. Berlins Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) hatte sich dazu im Tagesspiegel-Interview zuletzt skeptisch geäußert.

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Prozent der befragten Eltern in Großstädten erleben mindestens einmal im Schuljahr eine gefährliche Situation auf dem Schulweg.

In Österreich stehen diese bereits im Gesetz, auch hierzulande „wäre es eine Kleinigkeit, das Gesetz zu ändern“, ist Haarmann überzeugt. Aktuell seien die Kommunen jedoch nicht handlungsfähig, allein um einen Zebrastreifen durchzusetzen gebe es viel zu hohe Auflagen. „Kommunen brauchen in der Straßenverkehrsordnung Möglichkeiten, handeln zu können“. Ihnen die zu verschaffen, sei Aufgabe der Bundespolitik.

Mehr Rücksicht und ein Umdenken

Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Kinderhilfswerks, hält vor allem ein „gesellschaftliches Umdenken“ für nötig. Die Interessen der Kinder müssten „bei der Wegeplanung wesentlich stärker als bisher berücksichtigt werden“, Schülerinnen und Schüler verpflichtend beteiligt werden. Auch ein Mentalitätswechsel bei den Eltern sei wichtig: „Wir sind in Deutschland gegenüber anderen Ländern zu zaghaft – es muss der Regelfall sein, dass die Kinder zu Fuß zur Schule kommen“, und dafür brauche es Voraussetzungen wie etwa mehr Tempo 30 Zonen.

Die Lösung dafür, dass ein Fünftel der befragten Eltern den Schulweg ihres Kindes als unsicher einschätzen, „ist sicher nicht, die Kinder mit dem Auto zu bringen“, sagt auch Gerhard Brand, Bundesvorsitzender des Verbandes für Bildung und Erziehung. Bei Eltern unter 40 Jahren und jenen, die in Städten mit über 500.000 Einwohnenden leben, ist es sogar jedes vierte Elternteil. „Ein selbstständig zurückgelegter Schulweg schenkt Selbstvertrauen“, so Brand. Lehrerinnen und Lehrer würden versuchen, für das Thema auf Elternabenden zu sensibilisieren. Letztlich aber sei der Gesetzgeber gefragt.

Mehr Tempo-30-Zonen, Zebrastreifen und Verkehrsberuhigungen hatte zuletzt am Dienstag der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Berlin gefordert – auch Schulstraßen sieht der Bund als sinnvoll an. „Lippenbekenntnisse vom Regierenden Bürgermeister Kai Wegner und von Verkehrssenatorin Ute Bonde, dass ihnen Sicherheit wichtig ist“, reichten nicht, so Melanie Hartung vom BUND-Mobilitätsteam. Der BUND will Eltern und Lehrer ermutigen, eigeninitiativ bei der Stadt die Einrichtung von Tempo-30-Zonen zu beantragen.

In Österreich stehen Schulstraßen seit 2022 im Gesetz, Helsinki hatte im vergangenen Jahr keine Verkehrstoten, auch durch konsequente Tempo-30-Zonen, erklärt Haarmann. In der EU sei Deutschland „unter den fortschrittlichen Ländern weit hinten“. Sie fordert, auch den EU-weiten Strafrahmen auszuschöpfen, wenn es um die Ahndung von Verkehrsverstößen geht.

Die Novellierung der Straßenverkehrsordnung im vergangenen Jahr sei zwar „ein Schritt in die richtige Richtung“ gewesen, nun kann etwa Tempo 30 bei schützenswerten Einrichtungen leichter verhängt werden. Geringe Sichtweite bei parkenden Autos, zu hohes Tempo und zugeparkte Kreuzungen sind aber weiterhin ein Problem. Deshalb seien 30 Kilometer pro Stunde immer noch zu schnell, ist Gerhard Brand überzeugt.

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