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Nächtlicher Lärmschutz für Anwohner: Berliner Senat weitet Tempo-30-Zonen aus
Der Berliner Senat beschließt die Ausweitung der nächtlichen Tempo-30-Zonen. Über 200.000 Berliner sollen von den neuen Regelungen profitieren. Weitere Straßenabschnitte könnten folgen.
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Um Anwohnerinnen und Anwohner vor Lärm zu schützen, soll die Anzahl der Berliner Hauptstraßen, auf denen nachts Tempo 30 statt Tempo 50 gilt, deutlich ausgeweitet werden. Das hat der Senat auf seiner Sitzung am Dienstag auf Vorlage von Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) beschlossen. Demnach darf auf rund 600 zusätzlichen Teilstrecken der Hauptverkehrsstraßen zwischen 22 und 6 Uhr in Zukunft maximal 30 km/h gefahren werden. Nachdem der Rat der Bürgermeister Stellung genommen hat, soll Anfang August ein zweiter Senatsbeschluss folgen und die Anordnung anschließend umgesetzt werden, sagte Bonde.
Betroffen sind Hauptstraßen in allen Bezirken. In Friedrichshain-Kreuzberg etwa die Warschauer Straße zwischen Frankfurter Allee und Mühlenstraße, in Charlottenburg-Wilmersdorf vier Teilstrecken auf der Bundesallee und in Marzahn-Hellersdorf allein neun Abschnitte auf der Märkischen Allee. Derzeit gilt eine nächtliche Geschwindigkeitsbegrenzung auf rund 335 Kilometern, durch den Senatsbeschluss sollen rund 230 Kilometer neu hinzukommen.
Grundlage für die Anordnung ist die Fortschreibung des sogenannten Lärmaktionsplans 2024-2029. An zwei Dritteln der überprüften Abschnitte liege der Lärmpegel nachts im Schnitt über 60 Dezibel, erklärte Bonde. Das entspricht etwa dem Geräuschpegel in einem Großraumbüro. Bei den übrigen Abschnitten habe der Wert nur leicht darunter gelesen. Mit dem neuen Tempo-30-Konzept werde „eine deutliche Entlastung der Anwohnenden von Hauptverkehrsstraßen“ erreicht, heißt es in dem Beschluss des Senats, der dem Tagesspiegel vorliegt. Laut Bonde profitieren 200.000 Berlinerinnen und Berliner.
Weitere 500 Kilometer könnten folgen
Weitere könnten folgen. Die Verkehrsverwaltung hat auf zusätzlichen 500 Kilometern des Straßennetzes eine Lärmbelastung identifiziert. Allerdings können auf diesen „negative Auswirkungen auf den ÖPNV-Fahrgastbelang nicht ausgeschlossen werden“, heißt es in dem Beschluss. Sollte eine Anpassung der Fahrpläne möglich sein, „werden solche Abschnitte in einem späteren Verfahren angeordnet“.
Neben der Ausweitung der zeitlich begrenzten Tempo-30-Zonen will der Senat auf vielen anderen Straßen wieder zu Tempo 50 zurück. Derzeit sind in Berlin 41 ganztägige Tempo-30-Zonen auf Hauptstraßen auf die schlechte Luftqualität zurückzuführen. Laut Senat hätten Prüfungen ergeben, dass dies auf 34 Abschnitten nicht mehr nötig sei, um die Grenzwerte dauerhaft einzuhalten. Dennoch bleibe die Geschwindigkeitsbegrenzung aus Gründen der Verkehrssicherheit auf neun davon bestehen.
Dass es auf den übrigen 25 Abschnitten bald wieder 50 km/h gefahren werden kann, ist allerdings keineswegs sicher. Wie berichtet, prüft die Verkehrsverwaltung nun zunächst, ob diese Straßen „hochfrequentierte Schulwege“ sind oder nicht. Sollte dies der Fall sein, bleibt es bei Tempo 30. Wie lange die Prüfungen dauern, ist unklar. Bonde sprach am Dienstag davon, dass diese „definitiv bis zum Ende des Jahres“ abgeschlossen sind.
SPD kritisiert CDU und Bonde
Das Thema hatte jüngst für Streit in der schwarz-roten Koalition gesorgt. Die SPD-Fraktion wirft der CDU und Bonde vor, die Rückkehr zu Tempo 50 ohne Rücksicht auf die Schulwegsicherheit voranzutreiben. „Diese Prüfung hat die SPD-Fraktion durchgesetzt und im heute durch den Senat verabschiedeten Luftreinhalteplan verankert“, teilte der verkehrspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Tino Schopf, mit. Bonde ging am Dienstag auf Nachfrage nicht direkt auf diese Kritik ein und betonte, man orientiere sich an den gesetzlichen Vorgaben.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kündigte unterdessen an, gegen eine Abschaffung der Tempo-30-Zonen vorzugehen. „Verkehrssenatorin Bonde will Berlin in die Vergangenheit zurückkatapultieren und die autogerechte Stadt zementieren“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Der Senat ignoriere die verschärften Luftqualitätswerte in der EU, die aktuell in Berlin deutlich überschritten würden. „Wir werden rechtliche Schritte prüfen, um die Tempo-30-Strecken und damit potenziell Menschenleben zu retten.“
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