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SPD-Fraktionschef Raed Saleh: Unterstützung oder Belastung für die designierte SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey?

© Gregor Fischer / dpa

Update

Streit in der SPD über Aussage von Fraktionschef: Genossen kritisieren den Beitrag von Saleh zum Demokratieverständnis von CDU und FDP

Mit der Ausgrenzung von CDU und FDP aus dem demokratischen Spektrum wolle Raed Saleh Punkte bei der SPD-Linken sammeln, meinen einige Genossen.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Mit dem Versuch, CDU und FDP wegen des politischen Desasters in Thüringen aus dem demokratischen Spektrum auszugrenzen, stößt der SPD-Fraktionschef Raed Saleh auch in den eigenen Reihen auf Unverständnis und Empörung. „Davon halte ich gar nichts“, sagte der SPD-Kreischef in Friedrichshain-Kreuzberg, Harald Georgii, dem Tagesspiegel. „Die demokratischen Parteien können sich untereinander streiten wie die Kesselflicker, aber wir dürfen uns nicht gegenseitig in die Nähe der Demokratie- und Verfassungsfeindlichkeit rücken“.

Georgii ist der Meinung, dass sich Saleh dafür entschuldigen sollte. Andere Funktionäre der Berliner SPD wollen sich mit ihrer scharfen Kritik an Salehs Gastbeitrag für die „Berliner Zeitung“ nicht zitieren lassen. Sie sprechen von „intellektueller Grütze“, von „unterirdischen Positionen“ und „irren Vorwürfen“ des designierten SPD-Landeschefs, der im Mai gemeinsam mit der Bundesfamilienministerin Franziska Giffey die Führung der Berliner SPD übernehmen will.

„Frontalangriff auf CDU und FDP“

Saleh hatte in seiner Veröffentlichung behauptet: „Uneingeschränkt zur Demokratie und zum Grundgesetz stehen nur die Parteien der linken Mitte - nämlich SPD, Grüne und Linke". Das wollte auch der Arbeitskreis jüdischer Sozialdemokraten in Berlin und Brandenburg so nicht stehen lassen. „Raed Saleh hat mit seinem Frontalangriff auf CDU und FDP viele engagierte Menschen zutiefst verunglimpft", heißt es in einer Stellungnahme des Arbeitskreises. Freuen könne sich über die unnötige Eskalation nur die AfD.

Mit seinen Äußerungen hat Saleh jetzt auch in der eigenen Partei eine kontroverse Debatte ausgelöst. Viele Genossen werfen ihm vor, sich aus rein taktischen Gründen so geäußert zu haben, um beim linken Flügel des SPD-Landesverbands Punkte zu sammeln. Dies nähre Zweifel daran, so ein Parteifreund, ob Saleh tatsächlich die richtige Wahl als Co-Vorsitzender der Berliner SPD sei.

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Es gibt aber auch Sozialdemokraten, die Saleh loben. „Ich kann seiner klaren Positionierung viel abgewinnen", sagte die SPD-Linke und Vize-Fraktionschefin Ülker Radziwill. CDU und FDP müssten nach Thüringen erst einmal ihre Glaubwürdigkeit zurückgewinnen.

Auch Jörg Stroedter, SPD-Kreischef in Reinickendorf, kann Salehs Argumente gut nachvollziehen. Seitdem Burkard Dregger CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus sei, gebe es „enorme Annäherungen an die AfD". Gleiches gelte für einzelne FDP-Politiker in Berlin.

Offene Kritik am Duo Giffey/Saleh nicht zu erwarten

Trotzdem spielte das Thema im SPD-Landesvorstand am Montagabend keine Rolle. Auf der Tagesordnung stand lediglich die „Mittelfristige Finanzplanung" des SPD-Landesverbands, vorher wurde noch über die „Aktuelle Lage" in der Partei debattiert. Dazu gehörte die organisatorische Vorbereitung der Neuwahl des SPD-Landesvorstands auf einem Parteitag am 16. Mai.

Ein Antrag der Vize-Chefin der Arbeitsgemeinschaft der Selbstständigen, Angelika Syring, auf ein Mitgliederbegehren, um die neue Parteiführung per Basisbefragung zu wählen, wurde vom Vorstand erwartungsgemäß abgelehnt. Syring wollte gemeinsam mit ihrem Parteifreund Ulrich Brietzke gegen das Duo Giffey/Saleh kandidieren.

Nicht nur Saleh, sondern auch Giffey nahmen an der Sitzung des SPD-Landesvorstands teil, der zum ersten Mal nach dem Verzicht des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller auf eine erneute Kandidatur für den Landesvorsitz tagte. Müller schilderte den Genossen aus seiner Sicht, wie es zu dem Verzicht gekommen war. Daraufhin kritisierte eine Vertreterin der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, dass der Plan für das neue Personaltableau von einer "Männerklüngelrunde" ausgehandelt worden sei.

Danach habe Giffey kurz das Wort ergriffen und von der "letzten Chance" für die Berliner SPD gesprochen. Weitere Diskussionsbeiträge gab es offenbar nicht. Die Wahrnehmung der Sitzung war sehr unterschiedlich: Während die einen davon sprachen, dass nach Giffeys Redebeitrag "eisiges Schweigen" geherrscht habe, berichten andere Teilnehmer von "großem Beifall" und allgemeiner Zustimmung für die Bundesministerin, aber auch für Saleh und Müller.

Salehs Aufgabe werde es nun also sein, spottete ein Genosse vor der Sitzung, die SPD-Rechte Franziska Giffey in den linken Landesverband „einzupflegen“. Nur mit der Neuköllner Genossin als Spitzenkandidatin könnten die Chancen für die Abgeordnetenhauswahl 2021 verbessert werden. In den Umfragen liegt die Berliner SPD unverändert bei 15 Prozent.

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