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Ein Instrument der Anti-Terror-Maßnahmen: Abhörmaßnahmen.

© Christian Charisius/dpa

Grüne und Linke kritisieren „Sicherheitspopulismus“: Schwarz-Rot will Telefonüberwachung bei Terrorgefahr nicht evaluieren

Ab Anfang April darf die Berliner Polizei keine Telefone bei Terrorgefahr mehr überwachen und keine Handys gefährdeter Personen mehr orten. CDU und SPD wollen die Frist nun streichen. Und damit ein Erbe von Rot-Rot-Grün.

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Die schwarz-rote Koalition in Berlin schleift ein weiteres Erbe von Grünen und Linken in der Sicherheitspolitik. CDU und SPD entfristen eine Regelung, die der Polizei die Telefonüberwachung und Handyortung erlaubt. Konkret geht es um die Telefonüberwachung von Gefährdern und Terroristen, die von Richtern erlaubt werden muss, sowie die Erlaubnis, von den Mobilfunkanbietern den Standort von Handys gefährdeter Personen zu verlangen.

Eingeführt wurde beides 2021 durch die damalige rot-rot-grüne Koalition, das Anzapfen von verschlüsselten Messenger-Apps auf Handy durch die sogenannte Quellen-TKÜ oder der Einsatz von Trojanern wurde jedoch nicht erlaubt. Die damalige Regelung im Berliner Sicherheitsgesetz wurde wegen des tiefen Eingriffs in Grundrechte auf vier Jahre begrenzt.

Am 1. April wäre diese Regelung abgelaufen. Zugleich war eine wissenschaftliche Evaluation der Befugnisse vorgesehen. Beides soll nach dem Willen von CDU und SPD nun kurzfristig aufgehoben werden. Die Koalition hat dazu kurzfristig eine Gesetzesänderung eingebracht, die am Montag erstmals im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses besprochen werden soll.

Datenschutzbeauftragte hat „erhebliche Bedenken“

Grüne und Linke werfen der Koalition nun einen Abschied „von evidenzbasierter Innenpolitik“ vor. „Mit den Befugnissen kann die Polizei bereits zum Zwecke der Gefahrenabwehr tief in die Persönlichkeitsrechte eingreifen und Überwachungsmaßnahmen anordnen“, sagte Grünen-Innenexperte Vasili Franco. Der Koalition fehle das Interesse, Befugnisse auf ihre Wirksamkeit zu untersuchen. „Eine solche Gesetzesänderung im Eilverfahren durchzudrücken, muss als Ausdruck von Wissenschaftsfeindlichkeit verstanden werden.“

Mit diesem Gesetz verabschieden sich CDU und SPD von evidenzbasierter Innenpolitik. Statt von Fakten lässt sich die Koalition von Sicherheitspopulismus leiten.

Niklas Schrader, Innenexperte der Linksfraktion

Ähnlich äußerte sich Niklas Schrader, Innenexperte der Linksfraktion. „Mit diesem Gesetz verabschieden sich CDU und SPD von evidenzbasierter Innenpolitik. Statt von Fakten lässt sich die Koalition von Sicherheitspopulismus leiten“, sagte Schrader. Außerdem kämen Telefonüberwachung und Handyortung kaum zum Einsatz. Nur per Evaluation könne bewertet werden, ob die Instrumente „wirksam und verhältnismäßig“ seien. „Subjektive Erfahrungen und Berichte aus der Polizei sind kein Ersatz dafür.“

Auch Berlins Datenschutzbeauftragte Meike Kamp kritisierte das Vorgehen der Koalition und äußerte „erhebliche Bedenken“. Es bestehe die Gefahr, die Vorbehaltsregeln für verdeckte und intensive Grundrechtseingriffe auszuhöhlen, heißt es einem Schreiben Kamps an den Innenausschuss.

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Mal hat die Polizei 2023 Telefone wegen Terrorgefahr abgehört.

Die Evaluation ist eine wichtige rechtsstaatliche Sicherung. Eine evidenzbasierte Gesetzgebung sei ein wesentliches Qualitätsmerkmal moderner Rechtssetzung, gerade bei Eingriffen in Grundrechte. Die Beurteilung durch die Polizei basiere oft auf subjektiven Erfahrungswerten und institutionellen Interessen. Kamp schlägt als Kompromiss vor, dass lediglich die Befristung der Regeln gestrichen, die Evaluationsvorschrift aber erhalten werden solle.

Die Koalition hatte bereits Ende 2023 die Vorgaben aufgeweicht. Bis dahin sah das Gesetz vor, dass dem Parlament ein Evaluationsbericht bis spätestens ein Jahr vor Auslaufen der Regelung vorgelegt werden sollte. Demnach hätte ein solcher Bericht bereits vor einem Jahr fertig sein müssen. Nun kippt die Koalition die Evaluation komplett.

CDU und SPD argumentieren, dass Telefonüberwachung und Handyortung „wichtige und unverzichtbare Instrumente der polizeilichen Arbeit“ seien. Es müsse verhindert werden, dass Instrumente ab April nicht mehr erlaubt seien und laufende Maßnahmen abgebrochen werden müssen. Wobei bei erlaubter Telefonüberwachung sogar ein Richter die Gefahren für die öffentliche Sicherheit bestätige.

Eine Evaluation sei nicht möglich gewesen, etwa „wegen der hohen Anforderungen an eine Sicherheitsüberprüfung“ der Sachverständigen. Zudem zeige die Praxis, dass die Polizei Telefonüberwachung und Handyortung benötige. Die Koalition verweist auch auf ihre weiteren Gesetzespläne. Nach einer ersten Novelle des Sicherheitsgesetzes 2023 plant sie eine weitere Novelle. Die sollte eigentlich schon 2024 vorgelegt werden.

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