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Ablenkung beim Essen. Zwischen den Gängen warten artistische Einlagen.

© Palazzo

Wenn Artisten über Entenkeulen schweben: Event-Gastronom Hans-Peter Wodarz im Berliner Palazzo

Der Pionier des Gourmet-Theaters lernte von George Harrison, was ein Vegetarier ist. Als Gastgeber ist er in der neuen Saison auf alles vorbereitet.

Stand:

Ente auf dem Teller, Artisten in der Luft und ganz dem Augenblick hingegeben, so sollen die Gäste des Gourmet-Theaters Palazzo die kommende Saison erleben. In diesem Jahr reicht sie vom 10. November bis zum 9. März. Wenn Gastgeber Hans-Peter Wodarz am Samstag vor 300 geladenen Gästen seine Eröffnungsrede hält, wird sein Blick vielleicht wieder auf einen der Tische ganz vorne fallen.

An dem platziert er gern Politprominenz, im vergangenen Jahr zum Beispiel den Regierenden Bürgermeister und drei seiner Vorgänger. Unvergesslich ist ihm aber die vorpandemische Premiere, als dort der israelische, der russische und der ukrainische Botschafter zusammen saßen und gemeinsam das Menü und die Show genossen.

„Das möchte ich gern einmal wieder erleben“, sagt er beim Treffen in der Paris Bar, seinem Lieblingsrestaurant. Und nein, die Ente habe er sich noch nicht leid gegessen. Besonders gern mag er sie, wenn sein Freund und Mitgastgeber Kolja Kleeberg sie zubereitet. In diesem Jahr gibt es als Hauptgang „Confierte Entenkeule an Balsamico-Jus mit überbackenen Polenta-Talern und Wurzelgemüse.

Pompöse Ente

Die Ente fesselt den Witzigmann-Schüler und Küchenstar schon seit fast 50 Jahren, seit er in München sein erstes Restaurant „Ente im Lehel“ eröffnete und sich aus dem Stand heraus seinen ersten Michelin-Stern erkochte. Nach dem Fall der Mauer kam er 1990 nach Berlin und machte mit „Pomp Duck and Circumstance“ das Dinner-Theater populär. Vor 17 Jahren schließlich stieg er bei Palazzo sein.

So ungebrochen seine persönliche Liebe zur Ente ist, so sehr hat sich in der Zwischenzeit das Publikum verändert. „Rund 15 bis 20 Prozent unserer Gäste sind Vegetarier, leben vegan und leiden unter Unverträglichkeiten“, schätzt er. Das vegetarische Vier-Gang-Menü sieht im Hauptgang geschmorten Kürbis an Pastinakenpüree, glasiertem Wurzelgemüse und Balsamicojus vor.

Fleischlust in den 70er Jahren

Es erinnert ihn immer daran, wie er einst an seine Grenzen geriet. Als junger Koch war er begeisterter Beatles-Fan. Eines Abends besuchte George Harrison sein Restaurant und sagte beim Blick in die Karte, dass er Vegetarier sei.

Kann nicht nur Sterneküche. Gastgeber Hans-Peter Wodarz hier bei einem Bar-Besuch.

© Lydia Hesse/Tagesspiegel

„Und ich wusste nicht, was das war!“ Heute kaum vorstellbar, aber in den 70er Jahren war diese Lebensweise in Deutschland weitgehend unbekannt. Ein Kollege in der Küche wusste immerhin Rat, und der berühmte Gast bekam dann alles an Gemüse aufgetischt, was die Küche hergab.

Im Palazzo sind derzeit rund 80 Künstler und Mitarbeiter aus 17 Nationen im Einsatz. Und sie müssen echte Profis sein. Alle zwei Sekunden verlässt eine Vorspeise die Küche. In diesem Jahr ist das bunter Linsen-Brotsalat mit confierter Tomate, frischen Kräutern und marinierten Austernpilzen.

Hula-Hoop-Kunst aus Australien

An der Auswahl der Artistik ist Wodarz selbst nicht beteiligt, gerät aber fast ein bisschen ins Schwärmen, wenn er von den weiten Reisen der Geschäftsführerin Michaela Töpfer erzählt. In diesem Jahr hat sie aus Australien Hula-Hoop-Künstlerin Anna Fisher mitgebracht, deren große Leidenschaft das Kabarett ist.

Der deutsche Comedian Aaron Dewitz hatte keine so weite Anreise, ist dafür ein Clown aus ganzem Herzen. Die ukrainischen Zwillinge Roman und Slava sind Stepptanz-Perfektionisten. Moderator Daniel Reinsberg kann, wenn es ihm die Stimme verschlägt, notfalls auch mit dem Bauch reden. Auch Schleuderbrett, Equilibristik, Luftring und Gesang sind Teil des Programms.

Ursprünglich hatte Wodarz in seinem Wiesbadner Restaurant das Dinner-Theater erfunden, weil seine Gäste sich amüsieren sollten, statt in Ehrfurcht vor der Haute Cuisine zu erstarren. Da ist man inzwischen auch lockerer geworden. Er könnte selbst eine Rolle in der neuen Show „Unikate“ übernehmen, so unterhaltsam erzählt er die Entwicklungsgeschichte der deutschen Kulinarik.

In Berlin lernte er vor über 50 Jahren im KaDeWe das Party-Service-Geschäft in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 1972 in München. Er weiß auch noch genau, wie ihn aus gerechnet am 14. Juli 1971 der Appetit auf Zwiebelsuppe überkam und ein Kollege ihm den Besuch der Paris Bar empfahl.

Die war am französischen Nationalfeiertag gefüllt mit hohen Repräsentanten der drei West-Alliierten und deutschen Regierungsvertretern. Obwohl er keine Einladung hatte, ließ man ihn trotzdem ein. Der 76-jährige Palazzo-Gastgeber freut sich auf manchen prominenten Premierengast und auch auf Stammkunden aus Zürich und Wien.

Was den einstigen Sternekoch zum Gastgeber qualifiziert, muss man ihn gar nicht fragen. Es sind nicht mal die unterhaltsamen Anekdoten, die ihm nie auszugehen scheinen. Er beherrscht einfach die Kunst, dass die Leute sich in seiner Gegenwart wohlfühlen wie unter Freunden.

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