
© dpa/Paul Zinken
Hauptstadt ohne Vision: Berlin muss sich einen neuen Sinn suchen
Berlins Sinnsuche hat sich 2025 verschärft: Ideen wie Olympia und Expo erlahmen, nur die Mieten steigen stetig. Immerhin die Infrastruktur wird repariert. Die Stadt bleibt eine Baustelle.

Stand:
Welchen Sinn macht Berlin noch? Diese Frage stellt sich am Ende eines auspowernden Jahres, in dem die Stadt weiter nach einer empowernden Botschaft sucht. Ein Indiz dafür sind die einbrechenden Touristenzahlen: Wofür steht Berlin, wenn Kultur und Wissenschaft eingespart werden und viele Clubs zumachen? Der Menschen verbindende Wahnsinn des Mauerfalls ist bald vier Jahrzehnte her – was gibt’s Neues, Berlin?
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Der Kommentar von Robert Ide zum Nachhören:
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Eine politische Vision fehlt. Bei der Olympiabewerbung hat die Hauptstadt nach gutem Start das Tempo verloren. Bei der aus Engagement erwachsenen Expo-Idee bleibt der Senat auf halber Strecke stehen. Der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) will offenbar lieber ganz Berlin zu Spandau machen – mit Tempo 50 natürlich. Der neue SPD-Mann Steffen Krach aus Hannover muss erst mal seine Partei bereisen. Von Grünen und Linken hört man kaum etwas ein Jahr vor der Wahl. Die Sinnsuche der Politik lähmt die Stadt.
Wenn sogar Kai Wegner zugesteht, dass der Wohnungsmarkt „komplett kaputt“ sei, dann sieht es schlimm aus. Warum erwächst daraus kein Druck?
Tagesspiegel-Autor Robert Ide
Da überrascht es kaum, aber schockiert doch schon, dass das wichtigste Angstthema der Menschen kaum bearbeitet wird: die immer weiter steigenden Mieten. Wenn selbst die olle Eckkneipe weggentrifiziert wird, wenn Polizistinnen und Lehrer keine Wohnung mehr in Arbeitsnähe finden, wenn sogar Kai Wegner zugesteht, dass der Wohnungsmarkt „komplett kaputt“ sei, dann sieht es schlimm aus. Warum erwächst daraus kein Druck auf den Bund, mehr Regulierung zu wagen?
Spekulation und illegale Vermietung verteuern Berlin stetig. Die Bezirke kommen bei den Kontrollen nicht nach. Die Stadtpolitik entwickelt keine Ideen, wo und wie sich die wachsende Metropole entwickeln soll. Neue Wohnungen am Tempelhofer Feld werden totdiskutiert, neue Siedlungsgebiete am Stadtrand zu oft ohne Verkehrsanschluss geplant. Stattdessen pflastert man verbliebene Lücken zu, letzte Brachen und Grünflächen. Und in die endlich wachsenden Hochhäuser ziehen wieder nur Büros ein.
Na klar, 2025 gingen auch Dinge voran in Berlin. Die überfällige Verwaltungsreform wurde beschlossen, bei den Bürgerämtern gibt es wieder freie Termine. Die bröselnden Brücken, Schienen und Straßen werden endlich repariert. Die überfällige Generalsanierung macht die Stadt allerdings auf Jahre zur Baustelle, zumal unter der Erde noch viele alte Wasserleitungen zu platzen drohen. Auch mit dem neuen Baumgesetz keimt Hoffnung auf: Berlin hat endlich begriffen, dass es im Klimawandel auch Luft zum Atmen braucht.
Zum Schluss ein positiver Absacker: Die Sperrstunde wird nach dem absurden Sommerstreit um den Lärm etwas nach hinten verlagert – an Wochenenden dürfen Tische nun bis Mitternacht draußen stehen. Hier können wir im neuen Jahr zusammensitzen und darüber nachdenken, ob Berlin wirklich Spandau werden will. Oder Hannover. Oder vielleicht doch eine Weltstadt der Freiheit, die einen neuen Sinn findet: im Miteinander ihrer Menschen.
Jeden Donnerstag ab 6 Uhr kommentiert Robert Ide stadtpolitische Themen bei Simone Panteleit und Team im Berliner Rundfunk 91.4. Im Tagesspiegel finden Sie den Kommentar zum Nachlesen und Nachhören.
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