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„Heute geflüchtete Menschen, morgen wir“: Mehr als 6000 Menschen protestieren in Berlin gegen Merz-Pläne – CDU-Zentrale geräumt
Über 6000 Menschen haben sich vor dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin versammelt, um gegen die Politik von CDU und Kanzlerkandidat Merz zu protestieren. Zuvor hatte die Polizei vor „Störern“ gewarnt.
Stand:
Tausende Menschen haben sich am Donnerstagabend vor dem Konrad-Adenauer-Haus in Berlin zu einem Protest gegen die gemeinsame Abstimmung von Union und AfD für eine schärfere Migrationspolitik versammelt. Aufgerufen hatte das Bündnis „Zusammen gegen Rechts“. Nach Angaben einer Polizeisprecherin waren in der Spitze mehr als 6000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer vor Ort.
Zum Schutz des Gebäudes hatte die Polizei die Straßenseite, die sich unmittelbar am Gebäude befindet, abgesperrt. Bis auf einen Vorfall, bei dem eine Frau auf einen Mast geklettert ist, um ein Plakat abzunehmen, habe es keine Vorfälle gegeben, teilte die Sprecherin mit. Die Polizei nahm die Personalien der Frau auf und ließ sie im Anschluss wieder frei.
Zuvor hatte die CDU die Beschäftigten ihrer Bundeszentrale in Berlin wegen der angekündigten Demonstration aufgefordert, früher das Haus zu verlassen. Das teilte eine Parteisprecherin mit. Hintergrund waren Hinweise der Sicherheitsbehörden, dass ein sicheres Betreten und Verlassen des Gebäudes nicht gewährleistet seien. Die „Bild“ hatte darüber berichtet.
Das Landeskriminalamt (LKA) hatte CDU-Abgeordnete vorab gewarnt, Berliner Büros der Partei stünden „im Visier von Störern und Demonstranten“. Das ging aus einem Schreiben des Berliner Landesgeschäftsführers Dirk Reitze an seine Parteikollegen hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt. Bürgerbüros seien dabei gleichermaßen betroffen wie Geschäftsstellen.
Vorsorglich hatte die Polizei den Bürgersteig vor dem Konrad-Adenauer-Haus am Donnerstagnachmittag weiträumig mit Gittern abgesperrt. Kurz vor Beginn der Demonstration waren auch im Inneren des Gebäudes Polizisten zu sehen, die den Zustrom beobachteten.

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Tagesspiegel-Reporter schätzten die Zahl der Anwesenden gegen 18.30 Uhr auf mehrere Tausend. Ein Redner kündigte zum Auftakt der Versammlung einen „Aufstand der Anständigen“ an, der an diesem Abend beginnen solle. Die Menge reagierte mit Jubel, Demonstranten rufen „Merz muss weg“ und „Alle zusammen gegen den Faschismus“.
Teilnehmerin: „Ich habe die halbe Nacht nicht schlafen können“
Teilnehmende berichteten Tagesspiegel-Reportern von ihrem Entsetzen gegenüber den Plänen von Kanzlerkandidat Merz. Claudia und Klaus Schülzky waren auf dem Protest, weil ihr Sohn sie auf sozialen Medien geteilt hatte. „Wir waren noch nie auf einer Demonstration, aber jetzt reichts“, sagte der 58-jährige. Es sei unfassbar, was die CDU macht.
Die 56-jährige Klaudia Schülzky erklärte, Deutschland würde eine „Zeitenwende“ erleben. „Jetzt müssen wir etwas tun. Wir erleben mit dem Beschluss etwas, das es seit der Gründung der Bundesrepublik nicht gab“, sagte sie. Dass Friedrich Merz die Mehrheit mit der AfD bedauert, halte sie für verlogen: „Das ist doch nur ein Showelement.“

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Ein älteres Ehepaar hat sich vor dem Konrad-Adenauer-Haus eingefunden. Beide haben als Lehrer gearbeitet. „Ich bin mit meinen Schülern nach Auschwitz gefahren. Ich bin erschüttert über das, was gestern passiert ist“, sagte die 75-jährige Frau. Ihr Mann, 82 Jahre alt, fügte hinzu, dass er das Friedrich Merz nicht zugetraut habe. Er empfinde es als seine Pflicht, auf die Straße zu gehen. „Ich habe die halbe Nacht nicht schlafen können“, sagte seine Ehefrau.
Ali Yolcu sagte, er sei nicht nur auf dieser Demonstration, sondern seit Wochen „überall dort, wo gegen Ungerechtigkeit und den Faschismus demonstriert wird“. Der 51-Jährige habe die Nase voll, als „Terrorist“ abgestempelt zu werden. „Die 60 Jahre, die wir hier gearbeitet und mit aufgebaut haben, werden einfach ignoriert“, sagte er. Er habe Angst. „Heute geflüchtete Menschen, morgen wir, wer kann schon was dagegen tun, wenn wir einfach abgeholt werden?“. Er habe sich gewünscht, mehr Menschen mit Migrationshintergrund vor Ort zu sehen.
Bereits am Mittwochabend hatten mehrere Hundert Menschen vor dem Konrad-Adenauer-Haus gegen den Kurs von Kanzlerkandidat Friedrich Merz und der CDU und demonstriert. (mit dpa)
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