
© Annette Kögel
„Jetzt habe ich wieder Gänsehaut“: Wegner verlieh Verdienstorden an Berliner Engagierte
Feierstunde im Roten Rathaus: Im Auftrag des Bundespräsidenten ehrte der Regierende Menschen, die sich für die Erinnerungskultur, Demokratie und Freiheit einsetzen.
Stand:
„Ihr Vater, der Offizier Günther Smend, wurde 1944 nach dem Attentat auf Adolf Hitler als Mitwisser verhaftet und von den Nazis in Plötzensee ermordet. Sie sind als Kind ohne Vater aufgewachsen, aber Sie haben doch ein Vermächtnis für Ihr Leben mitgenommen“, sagte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) am Mittwochvormittag im Säulensaal des Roten Rathauses.
Er adressierte in seiner Laudatio Axel Smend, den Ehrenvorsitzenden des Kuratoriums der Stiftung 20. Juli 1944, der sich sein Leben lang ehrenamtlich mit dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus beschäftigt und das Vermächtnis des 20. Juli heute an junge Menschen in Berlin weitergeben wolle. „Sie war und ist die Stadt des Widerstands, der Freiheit, der Demokratie, der Diversität“, wie Wegner bekräftigte.

© Landesarchiv Berlin, Grönboldt
Axel Smend nahm das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse dankend wie bewegt an. Der Regierende hielt die Laudationen auf insgesamt fünf Persönlichkeiten, die Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet hat. Wegner überreichte im Auftrag des Staatsoberhaupts die Ordensinsignien, dafür gab es viel Applaus im repräsentativen Säulensaal mit den vielen Plastiken früherer Mächtiger und Vorbilder.
Engagiert für Erinnerungskultur
Zu den Geehrten gehört auch Sharon Adler, die als Vorsitzende der Stiftung „Zurückgeben“ engagiert ist. Diese Stiftung war im Jahr 1994 von der Berlinerin Hilde Schramm gegründet worden. Sie hatte von ihrem Vater Albert Speer, dem „Architekten Hitlers“, drei Gemälde geerbt, und vermutet, dass sie jüdischen Familien geraubt worden waren, die sie dann intensiv suchte. Schramm wollte das Erbe, dem Unrecht anhaftete, nicht annehmen, und stiftete den Erlös der Bilder als Gründungskapital für „Zurückgeben“. Damit gelang es den vier nichtjüdischen Gründerinnen, alle aus der Frauenbewegung, wie Wegner betonte, eine Stiftung ins Leben zu rufen, die „als einzige Stiftung in Deutschland explizit jüdische Frauen in Kunst und Wissenschaft fördert“.

© Landesarchiv Berlin, Grönboldt
„Als Nachfahrin von Überlebenden der Shoa“ setze sich Adler ein „für Erinnerungskultur“ und engagiere sich „für die notwendige Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit“, sagte Wegner. Die Herausgeberin von des Online-Magazins „AVIVA-Berlin“ trägt jetzt das Verdienstkreuz am Bande, auch für ihr Engagement zugunsten von Gleichstellung von Frauen und gegen Antisemitismus.
Dank an Wegner
Adler nutze die Feierstunde und richtete Worte an Wegner: Sie wolle dem Regierenden Bürgermeister am Pult „ganz persönlich auch sehr danken, für Ihr Intervenieren in Sachen FU beziehungsweise der Einladung von Francesca Albanese“. An der Freien Universität sollte die Sonderberichterstatterin der Vereinten Nationen für die besetzten palästinensischen Gebiete persönlich sprechen, woran es starke öffentliche Kritik gab. Am Mittwoch kündigte die Unileitung an, dass die Veranstaltung digital stattfinden soll.
Adler und Wegner sagten beide, dass sie bewegende Gespräche mit jüdischen Studierenden hatten, denen es, wie Adler sagte, vielfach kaum möglich sei, ihr Studium ohne Sorge um Leib und Seele fortzusetzen. Zudem dankte sie Wegner dafür, „die israelische Fahne nicht abzunehmen vor dem Abgeordnetenhaus, bis die letzte Geisel wieder zurück nach Hause gekommen ist“.

© Landesarchiv Berlin, Grönboldt
Der Regierende ehrte zudem Ulrich Funk, den er schon durch seine frühere Tätigkeit als Leiter des Kulturhauses Spandau kenne und der 1994 das Anne Frank Zentrum Berlin mitgegründet und es als langjähriger ehrenamtlicher Vorstandvorsitzender aufgebaut habe. Funk habe einen politisch-historischen Lernort für Kinder und Jugendliche geschaffen. Er nahm das Verdienstkreuz am Bande entgegen – sowie Umarmungen seiner Familie und seines jüngeren Enkels, weil er auch „als Opa“ toll sei.

© Landesarchiv Berlin, Grönboldt
Ebenso geehrt wurde Elke Schilling mit dem Verdienstkreuz am Bande. Einer ihrer Schwerpunkte ist die Seniorenarbeit, sie gründete den Verein Silbernetz e.V., um die Isolation von Menschen über 60 Jahre zu bekämpfen.
Selbst gerührt und bewegt zeigte sich Kai Wegner auch von Renate Werwigk-Schneider, der er im Auftrag des Bundespräsidenten Verdienstkreuz 1. Klasse verlieh. „Jetzt habe ich wieder Gänsehaut“, sagte Wegner.

© Landesarchiv Berlin, Grönboldt
Werwigk-Schneider begann 1999 als freigekaufte DDR-Bürgerin und frühere Inhaftierte vor allem Jugendlichen von Unrechtserfahrungen und Menschenrechtsverletzungen in der DDR und deren Haftanstalten zu berichten. Werwigk-Schneider ist noch heute beispielsweise in der Gedenkstätte Hohenschönhausen als Zeitzeugin aktiv.
- Adolf Hitler
- Antisemitismus
- CDU
- DDR
- Frank-Walter Steinmeier
- Gleichstellung
- Hochschulen
- Jugend
- Kai Wegner
- Kunst in Berlin
- Nationalsozialismus
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: