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Raed Saleh (r), Vorsitzender der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin, spricht während eines Pressegesprächs neben Dirk Stettner, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin.

© dpa/Sebastian Gollnow

Kein Kopftuchverbot bei Lehrerinnen, Polizei, Mindestlohn: CDU und SPD bringen in Berlin zahlreiche Gesetze auf den Weg

Kurz vor der parlamentarischen Sommerpause haben sich die Koalitionspartner in Berlin auf eine Reihe von Reformen verständigt. Zudem sollen weitere Schulden aufgenommen werden.

Stand:

Die Koalitionsspitzen von SPD und CDU haben sich am Wochenende auf zahlreiche Gesetzesvorhaben verständigt, die sie noch in diesem Jahr im Abgeordnetenhaus beraten wollen. Neben dem Vergesellschaftungsrahmengesetz plant die Koalition Reformen beim Berliner Polizeigesetz, beim Neutralitätsgesetz und beim Landesmindestlohn. Darüber hinaus soll eine Ausbildungsplatzumlage sowie ein Nachtragshaushalt vorbereitet werden. Die Maßnahmen im Überblick.

Nachtragshaushalt für das Jahr 2025

Weil die Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten in den vergangenen Jahren drastisch gestiegen sind, plant die Koalition, eine außerordentliche Notlage zu beschließen. Dies ermöglicht trotz Schuldenbremse die Aufnahme zusätzlicher Kredite, die den Kernhaushalt nicht belasten. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Torsten Schneider, erklärte, dass die Koalition einen Nachtragshaushalt für das Jahr 2025 einbringen werde, der Kredite in Höhe von 400 Millionen Euro vorsehe. Dies ermögliche „etwas mehr Beinfreiheit“ in den kommenden Jahren, da Rücklagen des Landes Berlin im laufenden Jahr geschont würden.

Auch für die kommenden beiden Jahren sind entsprechende Notlagenkredite für die Unterbringung von Geflüchteten vorgesehen. Schneider kündigte zudem an, dass Berlin die neu geschaffene Möglichkeit für die Bundesländer, Schulden in Höhe von 0,35 Prozent ihres jährlichen Bruttoinlandsprodukts aufzunehmen, voll ausschöpfen werde.

Landesmindestlohn soll steigen wie im Bund

Die Entwicklung des Landesmindestlohns, der derzeit bei 13,69 Euro liegt, soll in Zukunft an die Entwicklung des Mindestlohns im Bund (12,82 Euro) gekoppelt werden. Heißt: Beschließt die Mindestlohnkommission im Bund eine zehnprozentige Steigerung, steigt auch der Berliner Landesmindestlohn entsprechend.

CDU und SPD planen dabei, zwei Grenzen nach oben und nach unten zu ziehen. So dürfe der Landesmindestlohn niemals unter dem Mindestlohn im Bund liegen. Nach oben gilt ein Maximalwert von 1,50 Euro über dem Bundesmindestsatz. Damit sollen Unsicherheiten verhindert werden für den Fall, dass der Bund den Mindestlohn gesetzlich auf 15 Euro festsetzt. Der Landesmindestlohn gilt für Unternehmen, die öffentliche Aufträge des Landes Berlin ausführen.

Zeitplan für die Ausbildungsplatzumlage

Die Ausbildungsumlage ist seit längerem ein Streitthema zwischen CDU und SPD. Als Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) im April medienwirksam einen Gesetzentwurf vorlegte, widersprach ihr der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) öffentlich. Allerdings ist die Umlage im Koalitionsvertrag fest vereinbart. Sollten Berlins Unternehmen bis Ende 2025 nicht 2000 zusätzliche Menschen ausbilden im Vergleich zu Ende 2023, kommt die Umlage: Alle Unternehmen ab einer bestimmten Größe müssen dann eine Abgabe leisten. Das Geld fließt an alle Unternehmen zurück, die tatsächlich ausbilden.

CDU und SPD haben nun verabredet, einen entsprechenden Gesetzentwurf für die Umlage zu Beginn des vierten Quartals in erster Lesung im Parlament zu beraten. Sollten die 2000 zusätzlichen Ausbildungsplätze zum Jahresende nicht erreicht werden, soll das Gesetz Anfang 2026 beschlossen werden.

Die IHK Berlin kritisierte die Einigung umgehend. „Die Berliner Wirtschaft ist seit mittlerweile drei Jahren im Konjunktur-Tief. Sämtliche weiteren Belastungen sind Gift angesichts der gesamtwirtschaftlichen Lage“, sagte IHK-Präsident Sebastian Stietzel. Sowohl die Beschlüsse zur Umlage als auch zum Mindestlohn und zum Vergesellschaftungsrahmengesetz seien deshalb „das falsche Signal“.

Neutralitätsgesetz soll verfassungskonform werden

Die Reform des Neutralitätsgesetzes, das unter anderem Lehrerinnen das Tragen eines Kopftuches untersagt, soll bereits am 10. Juli erstmals im Abgeordnetenhaus beraten werden. Das Bundesverfassungsgericht hatte das Kopftuchverbot für Lehrerinnen vor Jahren für verfassungswidrig erklärt, allerdings wurde das Gesetz in Berlin bisher nicht entsprechend angepasst. Lediglich ein Rundschreiben der Bildungsverwaltung an die Schulen regelt, dass das Tragen eines Kopftuchs kein Grund sein darf, einer Lehrerin eine Anstellung zu verweigern.

Das neue Neutralitätsgesetz soll regeln, dass ein Kopftuchverbot nur möglich ist, wenn eine hinreichend konkrete Gefährdung oder eine Störung des Schulfriedens oder der Neutralität des Staates vorliegt. Dies muss im Einzelfall von der Schulaufsichtsbehörde begründet und belegt werden. CDU-Fraktionschef Dirk Stettner betonte, dass sich an der bisherigen Praxis dadurch nichts ändere. Es gehe um „Rechtssicherheit und Planungssicherheit“.

„Finaler Rettungsschuss“ und Videoüberwachung

Schließlich haben sich CDU und SPD auch auf eine umfassende Reform des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) verständigt. Damit soll unter anderem der sogenannte „finale Rettungsschuss“ gesetzlich geregelt werden. Kriminalitätshotspots wie der Hermannplatz und der Görlitzer Park sollen in Zukunft per Video überwacht werden können. Dabei soll auch Künstliche Intelligenz zum Einsatz kommen, um auffällige Verhaltensmuster frühzeitig zu erkennen. Dafür würden im kommenden Haushalt zwei Millionen Euro zur Verfügung stehen, sagte Stettner. Dies würde reichen, um zunächst vier Orte mit der Videotechnik auszurüsten.

Die BVG soll Videoaufnahmen zudem in Zukunft für 72 Stunden und nicht mehr nur für 48 Stunden speichern können. Auch den Opferschutz wollen CDU und SPD stärken. Bei gewalttätigen Ex-Partnern soll das Tragen einer elektronischen Fußfessel angeordnet werden können. Als Vorbild gilt eine Regelung in Spanien.

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