zum Hauptinhalt
Videoüberwachung: Sie soll demnächst mit KI kombiniert werden, etwa zur Früherkennung von Schlägereien.

© Getty Images/Moment RF

Online-Razzien und Videoüberwachung mit KI: Schwarz-Rot verschärft Berlins Polizeigesetz

Mehr Befugnisse bei Videoüberwachung samt künstlicher Intelligenz, bei häuslicher Gewalt, Organisierter Kriminalität und dem Abhören verschlüsselter Kommunikation. Das sind die Pläne der Koalition.

Stand:

Die Fraktionsspitzen der schwarz-roten Koalition haben am Wochenende den Fahrplan für verabredete Gesetze vereinbart. Neben dem Haushalt, dem Vergesellschaftungsrahmengesetz und der Ausbildungsplatzabgabe wurde eine umfangreiche Novelle des Sicherheits- und Ordnungsgesetzes – kurz ASOG – festgezurrt.

Die Polizei soll demnach mehr Kompetenzen bekommen: Online-Durchsuchungen, Fußfesseln für gewalttätige Ehemänner und Videoüberwachung an Kriminalitäts-Hotspots – sogar mit Künstlicher Intelligenz, um Schlägereien frühzeitig zu erkennen. Das bestätigten CDU-Fraktionschef Dirk Stettner und der SPD-Fraktionsvorsitzende Raed Saleh am Sonntag.

„Berlin erhält mit dieser Reform ein bundesweit führendes Polizeirecht für mehr Sicherheit“, heißt es im Koalitionsbeschluss. Ein Dreiklang aus Prävention, Intervention und Repression stärke den Schutz vor häuslicher und geschlechtsbezogener Gewalt, den Opferschutz und den Schutz der Grundrechte. „Dazu wollen wir die Kriminalität mit modernen Technologien bekämpfen und die polizeilichen Befugnisse erweitern“, vereinbarten die Fraktionen.

Videoüberwachung wird mit KI kombiniert

Die erste Lesung der Gesetzesnovelles im Landesparlament ist schon für den 10. Juli geplant. „Mit der umfassenden ASOG-Novelle lösen wir ein Versprechen ein: Die Koalition schafft ein deutliches Plus für den Schutz der Berlinerinnen und Berliner und setzt eines ihrer wichtigsten Vorhaben um“, sagte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) dem Tagesspiegel. „Wir erhöhen die Sicherheit im öffentlichen Raum.“

So soll im Gesetz die Videoüberwachung an kriminalitätsbelasteten Orten wie Görlitzer Park, Alexanderplatz oder Kottbusser Tor geregelt werden, auch Künstliche Intelligenz wird dabei erlaubt. „Es geht nicht darum, Personen zu identifizieren, sondern um das Erkennen von Verhaltensmustern. So können Polizeidienstkräfte schneller Maßnahmen ergreifen, wenn sie Videoaufnahmen auf Monitoren sehen“, sagte Spranger. Für die Videoüberwachung würden im kommenden Haushalt zwei Millionen Euro zur Verfügung stehen, sagte Stettner. Dies würde reichen, um zunächst vier der insgesamt sieben kriminalitätsbelasteten Orte mit der Videotechnik auszurüsten.

Wir erhöhen die Sicherheit im öffentlichen Raum.

Iris Spranger (SPD), Innensenatorin von Berlin

Ein Kernstück ist auch die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung, um verschlüsselte Kommunikation abhören zu können. Denn bei Telefonaten etwa über Whatsapp hilft die klassische Telefonüberwachung nicht. Bei der „Quellen-TKÜ“ greift Überwachungssoftware die Daten ab, bevor sie verschlüsselt werden. „Dabei liegt der Fokus auf der Abwehr von Organisierter Kriminalität und Terrorismus. Und selbstverständlich gilt hier auch der Gerichtsvorbehalt“, sagte Spranger. Auch Kryptowährungen können dann präventiv beschlagnahmt werden. „Wir treffen damit die Organisierte Kriminalität an einer Stelle, die ihr weh tut: am Vermögen“, sagte Spranger.

Harte Linie gegen Femizide und häusliche Gewalt

Um Straftaten in Bahnhöfen, Bussen und Bahnen besser zu verfolgen, sollen die Aufnahmen aus den Überwachungskameras der Verkehrsbetriebe (BVG) länger gespeichert werden. „Die bisherige Speicherfrist von 48 Stunden ist vielfach zu kurz, da viele Opfer von Straftaten unmittelbar nach der Tat emotional noch gar nicht in der Lage sind, Strafanzeigen zu stellen und Aussagen bei der Polizei Berlin zu tätigen“, sagte Spranger. Die SPD-Fraktion hatte auf die 72-Stunden-Löschfrist gedrängt. Spranger und die CDU-Fraktion sahen das anders. „Als Innensenatorin könnte ich mir auch eine Speicherfrist von 96 Stunden vorstellen“, sagte sie.

Im Kiez rund um die Kurfürstenstraße soll mit einer stationären Notrufsäule ein Pilotprojekt gestartet werden. Die Notrufsäule ist mit Videotechnik ausgestattet. „Damit sollen Personen, die den Notruf auslösen, besser vor Angriffen geschützt werden und Verletzungssituationen schnell erfasst werden“, sagte die Senatorin.

Auch beim Kampf gegen Femizide und häusliche Gewalt gegen Frauen bekommt die Polizei mehr Kompetenzen. Sie soll künftig Gewalttätern bis zu 28 statt wie bislang 14 Tagen die Betretung der gemeinsamen Wohnung verbieten dürfen. „Damit erhalten Opfer ausreichend Zeit, um beim Familiengericht Schutz auf Grundlage des Gewaltschutzgesetzes zu erlangen“, sagte Spranger.

Zudem soll das spanische Modell eingeführt werden – gewalttätige und gefährliche Ex-Partner, die mit einem Annäherungsverbot belegt sind, bekommen eine Fußfessel. Betroffene Frauen erhalten auf Wunsch die Technik, mit der sie selbst sehen, ob der Ex-Mann in ihre Gegend kommt. „Das ist ein wichtiges Signal für den Opferschutz“, sagte Spranger. In Spanien wirkt das. In mehr als 13.000 Hochrisikofällen war keine der betroffenen Frauen getötet worden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })