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Der Bezirksstadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt (Grüne), aufgenommen im Mai 2017, pflegt ein Image als Investoren-Schreck in Berlin.

© imago/photothek

Keine Zeit für Milliardeninvestor Signa: Kreuzbergs Bezirksstadtrat Schmidt stellt sich tot für den Karstadt-Investor

Das Prestigeprojekt des österreichischen Investors René Benko in Berlin steht auf der Kippe. Grund dafür scheint ein skurriles Kommunikationsproblem zu sein.

Führende Vertreter von Benkos milliardenschwerem Immobilen- und Einzelhandelskonzern gelingt es nach eigenen Angaben seit Monaten nicht, einen Termin beim zuständigen Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg zu bekommen, oder genauer: mit dessen Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne). Anlass sind Pläne, die Benkos Holding im vergangenen Jahr öffentlich gemacht hatte. Demnach will Signa insgesamt 3,5 Milliarden Euro in die Berliner Immobilien investieren.

Den mit rund 450 Millionen Euro größten Anteil solle in den Neubau des Karstadt-Hauses am Hermannplatz fließen. Andere Projekte sind die Kernsanierung des ehemaligen Kaufhof-Gebäudes am Ostbahnhof für den neuen Hauptmieter Zalando, das ehemalige KaDeWe-Parkhaus oder der Neubau des Karstadt-Gebäudes am Ku'damm.

Den Hermannplatz dürften viele Berliner spontan im Bezirk Neukölln verorten. Das dortige Karstadt-Haus, das vor 90 Jahren an dem wichtigen Verkehrsknotenpunkt errichtet worden war und in den letzten Kriegstagen von der SS zerstört wurde, liegt aber verwaltungstechnisch in Kreuzberg. Die meisten Teile des Gebäudes stammen aus den 1950er, 70er und 2000er Jahren.

Doch der Umsatz, den die wirtschaftlich angeschlagene Warenhauskette – die ebenfalls dem Investor Signa gehört – am Hermannplatz macht, habe sich in den vergangenen Jahren deutlich reduziert, wie Signa-Vorstand Timo Herzberg dem Tagesspiegel am Donnerstag erklärte. „Wir müssen hier vorankommen, um das Konzept Warenhaus und den Standort insgesamt zu retten.“

Erst Ende vergangener Woche hatten die gerichtlich bestellten Sachverwalter von Galeria Karstadt Kaufhof bestätigt, dass bundesweit bis zu 80 der insgesamt mehr als 170 Filialen von Karstadt und Kaufhof geschlossen werden könnten. Nach Schätzungen könnte das Unternehmen mindestens 5000 der noch 28.000 Jobs bei den Warenhäusern streichen. Dazu konnte oder wollte Herzberg keine verbindlichen Aussagen treffen. „Wenn ich aber als Kaufmann eine Einschätzung abgeben sollte, würde ich vermuten, dass nicht alle Häuser in Berlin bestehen bleiben können“, sagte er.

Manager Herzberg kam immer zum Karate-Training an den Platz

Speziell das Haus am Hermannplatz liege ihm aber persönlich am Herzen – und das nicht etwa, weil der weltberühmte Architekt David Chipperfield hier den 1928 und 1929 errichteten Bau, damals das größte Warenhaus Europas, neu interpretieren soll. Manager Herzberg, der heute in einem Büro aus dem 31. Stock an der Kantstraße auf die Gedächtniskirche und über die Stadt blicken kann, kennt die Kreuzberger Ecke gut – und mutmaßlich viel länger als der gebürtige Kölner Florian Schmidt. Geboren in Wedding, aufgewachsen in Friedenau, sei er als Jugendlicher bis zu fünf Mal die Woche zum Karate-Training am Hermannplatz gefahren. „Klar hatte und habe ich auch viele Freunde in der Gegend.“

Die Dachterrasse des Warenhauses "Galeria Karstadt" am Hermannplatz in Berlin-Kreuzberg nach einem Entwurf des Architekten David Chipperfield. Er orientiert sich am historischen Karstadt-Haus, das hier 1928 errichtet worden war und im Krieg von der SS auf dem Rückzug zerstört wurde.
Die Dachterrasse des Warenhauses "Galeria Karstadt" am Hermannplatz in Berlin-Kreuzberg nach einem Entwurf des Architekten David Chipperfield. Er orientiert sich am historischen Karstadt-Haus, das hier 1928 errichtet worden war und im Krieg von der SS auf dem Rückzug zerstört wurde.

© Simulation: David Chipperfield Architects

Er und die Signa-Gruppe seien nicht naiv. „Es ist doch logisch, dass ein so großes Projekt, das weit über die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln hinaus Bedeutung für ganz Berlin hat, kontrovers diskutiert wird“, sagte Herzberg. Man nehme die Sorgen – darunter vor Gentrifizierung und Verdrängung der sozial Schwachen – ernst. So sehe der Plan auch zum Beispiel keine Ausweitung der rund 30.000 Quadratmeter Verkaufsfläche vor.

Vielmehr solle es eine für alle zugängliche Dachterrasse geben, kostenfrei besuchbare Aussichtspunkte, ein multikulturelles Ärztehaus, Sportmöglichkeiten, Kultur, Musik. „Karstadt am Hermannplatz soll für die Menschen da sein und wieder der Identifikationsort für die umliegenden Kieze und damit eben für die ganze Stadt werden.“

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Man werde sich jeder Diskussion, jedem Verfahren zur Bürgerbeteiligung stellen, beteuert Herzberg. „Das ist für uns selbstverständlich. Wir haben deshalb sehr lange darauf vertraut, auch hier mit Herrn Schmidt in einen konstruktiven Dialog zu kommen. Das hat er uns auch in Aussicht gestellt. Aber leider ist es dazu nicht gekommen.“

Signa appelliert an "die politisch Verantwortlichen"

Heute stehe Signa mit dem Projekt an demselben Punkt, an dem die Gruppe Mitte vergangenen Jahres stand. „Wir hatten mit Herrn Schmidt im Herbst besprochen, dass der Bezirk ein geordnetes Verfahren zur Beteiligung auf Bezirksebene anstößt, um die Ergebnisse in einen Planungsansatz einfließen zu lassen. Seit diesem Termin ist allerdings nichts passiert. Der Baustadtrat ist für uns derzeit nicht erreichbar.“

Immobilienmanager Timo Herzberg (43), geboren und aufgewachsen in Berlin, ist heute im Vorstand der österreichischen Signa Gruppe. Er betreut die Bauprojekte - darunter Karstadt am Hermanplatz.
Immobilienmanager Timo Herzberg (43), geboren und aufgewachsen in Berlin, ist heute im Vorstand der österreichischen Signa Gruppe. Er betreut die Bauprojekte - darunter Karstadt am Hermanplatz.

© Signa

Mehrere Anfragen, über sein Büro einen Termin zu bekommen, seien unbeantwortet geblieben. „In Bezug auf den Warenhausstandort und die Zukunftsausrichtung war es bereits Mitte 2019 fünf vor zwölf. Auch wegen der Coronakrise brauchen wir dringend politische Entscheidungen. Wir appellieren an die politischen Verantwortlichen, bei diesem Projekt voranzukommen und mitzuhelfen, die Zukunftsfähigkeit des Warenhauses am Hermannplatz abzusichern, sonst ist es fünf nach zwölf.“

Aber was genau bedeutet „nicht erreichbar“? Schmidt pflegt sein Image als Investoren-Schreck – nicht zuletzt wegen seiner Aktivitäten rund um die Genossenschaft Diese eG. Auch ist seine (Nicht-)Kommunikation in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) bereits aktenkundig. Aber stellt er sich buchstäblich tot? So nimmt Herzberg es jedenfalls wahr, kann es sich aber auch nicht erklären. Er habe ja einige Projekte im Bezirk realisiert und den Baustadtrat auch „immer als verlässlichen Gesprächspartner kennengelernt“.

Stand der Dinge: Die Karstadt-Filiale am Hermannplatz in Berlin-Kreuzberg im Mai 2020. Investor Signa besitzt Karstadt und Kaufhof und will beide Ketten sanieren und unter dem Namen "Galeria" verschmelzen.
Stand der Dinge: Die Karstadt-Filiale am Hermannplatz in Berlin-Kreuzberg im Mai 2020. Investor Signa besitzt Karstadt und Kaufhof und will beide Ketten sanieren und unter dem Namen "Galeria" verschmelzen.

© imago images/Stefan Zeitz

Klar haben Schmidt und Herzberg auch Telefonnummern getauscht. „Auch per Handy ist Schmidt für mich aber derzeit nicht zu erreichen“, sagt er. Womöglich folgt Schmidt auch nur einer Empfehlung des ebenfalls umstrittenen Stadtsoziologen und Kurzzeit-Staatssekretärs Andrej Holm. Er hatte im Januar mit Blick auf das Projekt erklär: „Aus meiner Sicht ist das Nichtstun der Verwaltung in diesem Fall die beste Option.“

Schmidt antwortet schriftlich: "Kaum Ressourcen für komplexes Vorverfahren"

Der Tagesspiegel hatte etwas mehr Erfolg als Herzberg. Schmidt antwortete am Donnerstag kurzfristig auf eine schriftliche Anfrage: „Derzeit haben wir sehr viele B-Planverfahren in Arbeit und kaum Ressourcen für ein komplexes Vorverfahren, dass das Bezirksamt überzeugt, doch ein Planerfordernis festzustellen.“ Natürlich sei ein Dialogverfahren mit der Signa möglich. „Allerdings gibt es mittlerweile erhebliche Zweifel an der Möglichkeit, dies ergebnisoffen zu führen“, schreibt Schmidt.

Das Original: Das Warenhaus Karstadt am Hermannplatz von Architekt Philipp Schäfer galt bei der Eröffnung 1929 als das größte Warenhaus Europas. Der Neubau soll sich stark an dem Design orientieren, aber moderne Materialien und Energietechnik sollen es deutlich umweltfreundlicher machen.
Das Original: Das Warenhaus Karstadt am Hermannplatz von Architekt Philipp Schäfer galt bei der Eröffnung 1929 als das größte Warenhaus Europas. Der Neubau soll sich stark an dem Design orientieren, aber moderne Materialien und Energietechnik sollen es deutlich umweltfreundlicher machen.

© akg-images

„Doch das wäre eine entscheidende Voraussetzung. Ich denke, der einzige Weg wäre aktuell, dass die Signa ihren Wunsch nach einem aufwendigen Dialogverfahren in der BVV zur Diskussion stellt. Wenn die BVV dem Bezirksamt einen klaren Auftrag erteilt, werden wir andere Projekte entsprechend zurückstellen.“

Hinweis: In einer früheren Fassung des Textes stand, der Stadtsoziologe Andrej Holm sei "Linke-Parteimitglied". "Das trifft nicht zu - ich bin und war zu keinem Zeitpunkt Mitglied der Linkspartei", stellte Holm in einer Nachricht an die Redaktion klar. Wir haben diesen Irrtum entsprechend korrigiert.

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