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Blog zum Kirchentag in Berlin: Speeddating beim Kirchentag
Singen, beten, daten - Berlin feiert den Kirchentag mit hunderten Veranstaltungen. Der Kirchentag im Blog.
Stand:
- Angela Merkel warnt vor Verdrängung der Religion ins Private
- Barack Obama sieht die Weltordnung an einem Wendepunkt
- Parallel wird in der Sophienkirche über das christliche Menschenbild in der AfD diskutiert.
- Zahlreiche Sperrungen in Mitte
- Zur Eröffnung am Mittwochabend kamen knapp 200.000 Menschen. Hier unser Liveblog vom Mittwoch zum Nachlesen.
Die AfD auf dem Kirchentag
Erstmals bietet der Evangelische Kirchentag der AfD ein Podium. Landesbischof Markus Dröge diskutiert mit einer Vertreterin der Partei. Die Abneigung ist gegenseitig. Lesen Sie hier den Text von Albert Funk.
Die nächste Herausforderung für die Polizei
Die ersten 24 Stunden des Kirchentags haben die Sicherheitskräfte gut bewältigt. Bei Zehntausenden Besuchern in der Stadt kam es zu keinen nennenswerten Vorfällen. Auch die Veranstaltung mit Barack Obama und Angela Merkel am Brandenburger Tor verlief ohne Zwischenfälle. Doch die nächste Herausforderung steht schon bevor: Am Freitag werden die Fußballfans von Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt erwartet. Hier können Sie mehr darüber erfahren.
Ungewohnte Aufgabenverteilung bei Merkel und Obama
Bundeskanzlerin Angela Merkel und der kürzlich aus dem Amt geschiedene US-Präsident Barack Obama redeten am Donnertag über Fortschritte in der Welt, die Mut machen, und über einen zupackenden Pragmatismus, mit dem sich manches verbessern lasse. Insgesamt überraschten beide den Kirchentag mit einer ungewohnten Aufgabenverteilung. Lesen Sie hier die Reportage von Christoph von Marschall.
Viele junge Menschen nehmen am Kirchentag teil
Das Motto des Kirchentages "Du siehst mich" spiegelt sich in den Brillenmodellen dieser jungen Menschen am Askanischen Platz wider. Hier sind vor allem junge Menschen unterwegs, beteiligen sich an Geschicklichkeitsspielen, spielen Frisbee oder auch Fußball.
Gesine Schwan attackiert Bundesregierung
Die Politikwissenschaftlerin Gesine Schwan hat auf dem Kirchentag die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung scharf kritisiert. "In beiden großen Parteien gibt es Tendenzen, Fluchtwege nicht zu sicher zu machen", so Schwan. Die Wissenschaftlerin forderte stattdessen sichere Zugangswege nach Europa.
Skandinavische Pilgerwanderung im Tiergarten
Elisabeth Lidell, Pilgerpastorin aus Kopenhagen, spricht so zart und beseelt, dass kaum einer der rund einhundert Menschen, die sich zur skandinavische Pilgerwanderung durch den Tiergarten in der St. Ansgar-Gemeinde versammelt haben, sie versteht. "Könnten Sie lauter...", ruft jemand, und Lidell nickt beflissen, mehr zu hören ist dennoch nicht.
Die Pilger, spricht es sich schließlich bis in die hinteren Reihen herum, sollen sich einen Partner suchen und darüber sprechen, wie sie ihren Glauben gefunden haben. Dann setzt sich der Zug langsam entlang der Klopstockstraße in Bewegung. Eine Mittfünfzigerin aus Klein-Machnow und eine junge Berliner Katholikin sprechen über die Religion in ihren Familien, über den Einfluss einer naiv-fromm-fröhlichen Großmutter, und eine die Religion ablehnende Mutter, die ihrem strengen Vater den bärbeißigen Protestantismus nie verziehen hat.
Der Pilgerzug durchquert jetzt das Café am neuen See, irritiert schauen Ausflügler von ihren Aperol-Spritz auf, eine Gruppe Vatertagsausflügler in rosa Hasenkostümen prostet den Pilgern zu, Clash of Cultures im Tiergarten. Die Kirchentagsbesucher scheinen das gar nicht zu bemerken. Sie sprechen jetzt über die Grundbegriffe der skandinavischen Pilgertheologie, unter anderem Stille, Freiheit, Gemeinschaft, Sorglosigkeit.
"Sorglosigkeit, das fällt mir immer schwerer", sagt die Dame aus Klein-Machnow, "jetzt nach Manchester, da habe ich heute morgen bei Obama auch die ganze Zeit dran gedacht." Im Hintergrund grölt die Vatertagsgruppe "Über den Wolken". "... Und alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, bleiben darunter verborgen, sagt man."

Riesenandrang beim Speeddating in Kreuzberg
Die Junge Gemeinde aus Brandenburg an der Havel organisiert ein "Speeddating" im Gemeindehaus von St. Lukas in der Bernburger Straße. Der Andrang ist riesig. Junge Männer und Frauen stehen bis weit auf die Straße, um an einem der 20-Minuten-Durchgänge teilnehmen zu können. Auf dem langen Tisch Rosenblätter, dann geht es los.
Hier wird nicht nach Männern und Frauen getrennt. "Hauptsache kennen lernen." Es werden Fragen vorgelesen, die dann 60 Sekunden lang besprochen werden dürfen, dann rutscht die hintere Tischreihe einen Stuhl auf. Tjorven aus Nordrhein-Westfalen, die gerade ein FSJ macht, sagt immer nur "Darüber würde ich gern mehr hören." "Wann hättest du zuletzt das Gefühl, durchschaut zu werden?" "Bei meiner besten Freundin", erzählt ein bärtiger junger Typ Tjorven. "Das hat mir immer das Gefühl gegeben, da wäre mehr. War es aber nicht." "Das war bestimmt schwierig", sagt Tjorven empathisch.
"Darüber würde ich gern mehr hören." Aber die Glocke klingelt. "Wie sieht die Welt in 20 Jahren aus?" "Weiß nicht, anders auf jeden Fall", sagt eine junge Frau zu Tjorven. "Anders, aha, darüber würde ich gern mehr hören", sagt Tjorven. Doch es klingelt schon wieder. "Worauf schaust du zuerst bei einem MEnschen?" "Die Schuhe." "Aha", sagt Tjorven. Dann sind die 20 Minuten schon rum. Tjorven zieht mit ihrer Freundin. Die beiden sehen ein bisschen erschöpft aus.
Bedford-Strohm: Obama war das "Highlight"
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, hat den Auftritt des früheren US-Präsidenten Barack Obama in Berlin als ein „Highlight“ des Kirchentages bezeichnet. Dies sei auch ein starkes Zeichen im Jahr des 500. Reformationsjubiläums gewesen, sagte Bedford-Strohm am Donnerstag. Man habe das Jubiläum sowohl ökumenisch als auch international feiern wollen, indem man den nationalen Horizont überschreite. Dies sei gelungen. (epd)
Die AfD und die Christen
Wohin jetzt?
Obama vorbei, die AfD zu Ende diskutiert. Wir haben das Programm nochmal gescannt und sind auf ein paar Perlen gestoßen.
- Vielleicht um 15 Uhr in die Evangelische Schule Zentrum zum "Bibliodrama mit Tanz und Textaufstellung"
- Yoga für Schwerhörige im Zentrum Kirchentag
- Christliche Popularmusik - ein Workshop zum Thema "Keyboard und Gitarre im Bandgefüge" in Charlottenburg
- Ein Mitmachangebot: Straßenexerzitien in der Klopstockstr. 31 in Tiergarten
Zum ersten Mal in 96 Jahren ins Ausland - nach Berlin
Govinda Raj, 96 Jahre und seine Enkelin Krittika Arvind, 35 Jahre. Der Rentner ist das erste Mal im seinem Leben außerhalb von Indien. Heute sei er schon zehn Kilometer durch Berlin gelaufen. Besonders beeindruckt ihn, wie nett die Menschen seien. Der Kirchentag sei gut organisiert - nur die Tonübertragung am Brandenburger Tor habe er kaum verstehen können, aber das könne auch am Alter liegen. Vor wenigen Tagen war er in Begleitung seiner Enkelin auch im Vatikan.
Treiben lassen in Berlin
Laura Nauer (l.), 19 Jahre, und Vanessa Schaffranke, 19 Jahre aus Großenlinden sind spontan in Berlin. Beim Kirchentag wollen sie sich treiben lassen und beim Spaziergang durch Berlin das Programm entdecken. Das große Polizeiaufgebot sei angemessen, sicherer fühlen sie sich dadurch.
Obamas Wirkung auf Jugendliche
Für Carolin Sahli war der Auftritt am Brandenburger Tor bewegend und beglückend. Schon um 3 Uhr früh ist die junge Frau aus Hannover zusammen mit ihrer Mutter aufgebrochen, um Barack Obama am Brandenburger Tor zu erleben. „Er ist mein Held“, sagt sie. Angela Merkel habe man angemerkt, dass sie schon im Wahlkampfmodus sei. „Sie war wesentlich lockerer als sonst und hat sich auf vieles eingelassen.“
Auch Klaus Grübener ist früh aufgestanden, um sich am Absperrzaun einen Platz in der ersten Reihe zu sichern. Er fand es spannend, von Politikern mal mehr als die zwei Sätze zu hören. „Wir kriegen doch sonst nur Extrakte“, sagt er. Dabei müssten viel mehr Debatten geführt werden. Zusammen mit einer Jugendgruppe ist er aus der Nähe von Marburg zum Kirchentag gekommen.
Auch Helferin Lia Geßner war angetan, fand den Auftritt viel weniger trocken als sie erwartet hatte. „Das war so authentisch und eine sehr lockere Atmosphäre. „Außerdem haben sie wichtige Themen angesprochen und sind gut mit den Jugendlichen umgegangen.“
Emma und Elena, zwei Cousinen im Teenager-Alter aus Eckernförde fanden es gut, dass so viele Werte angesprochen wurden. Allerdings seien manche Fragen nicht konkret beantwortet worden. Das ist halt Politiker-Stil, so wie vielleicht Angela Merkels Satz, wenn Luther heute lebte, würde er für die Ökumene sein.
Nils Winterhalter und Anton Wichmann von der Insel Föhr waren mitgerissen von dem Live-Auftritt, vor allem von Obamas Plädoyer, die Jugendlichen sollten in einer weltoffenen Gesellschaft Verantwortung übernehmen.
Hitzige Diskussion um "Christen in der AfD"
Also, wen in der deutschen Hauptstadt des Griesgrams die großkonsensuale Kirchentagsfreundlichkeit schon nach dem Eröffnungsabend nervte, der kam am Donnerstag in der Sophienkirche voll auf seine Kosten. Alles wurde geboten, wonach ein streitlustiges Herz dürstet. Vor der Kirche konkurrierten die Prospekteverteiler von „Christen in der AfD“ mit denen, die einen Dialog mit der Partei auf dem Kirchentag grundsätzlich ablehnen. In der Kirche wurde dann abwechselnd zwischengerufen, kurzzeitig die Kanzel gestürmt und „We shall Overcome“ angestimmt, um Redebeiträge zu übertönen. Das Motto heißt schließlich nur „Du siehst mich“, nicht „Du hörst mich“. Immerhin gesehen wurden dann Anette Schultner, die Bundesvorsitzende der „Christen in der AfD“, die stets kluge und kompetente Liane Bednarz, Rechtsanwältin und Kolumnistin auch für den „Tagesspiegel“, sowie Markus Dröge, Berlins Landesbischof. Es ging um Nächstenliebe, Ängste, Menschenverachtung, glaubwürdiges Christsein und konservative Repräsentationslücken. Das ganze Programm. Werden mehr Ängste vor der AfD oder von der AfD geschürt? Haben nur Rechte oder auch Linke einen moralischen Alleinvertretungsanspruch? Und was hilft im Kampf gegen den islamistischen Terror? Einigkeiten gab’s am Ende nicht, aber die waren wohl auch von keiner Seite wirklich erwünscht. Bewiesen werden sollte allein die Fähigkeit zum Dialog. Das gelang.
Ein ausführlicher Bericht zur Veranstaltung folgt.

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