
© Liad Shadmi/Instagram
„Mal nachgedacht, wie es sich für Juden in Neukölln anfühlt?“: Hebräisches Wort auf T-Shirt – Linkes Café wirft Paar raus
Mit dem „Falafel Humanity Shirt“ wird Geld gesammelt für die Friedensinitiative „Women Wage Peace“ in Israel. Doch im „K-Fetisch“ in Berlin-Neukölln tritt darüber Antisemitismus zutage.
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Sie sehen sich als progressiv, als links an. Doch in Berlin-Neukölln bedeutet das nicht mehr viel, wenn es um Juden, den Nahost-Konflikt, Israel und Gaza geht. Selbst bei linken Projekten wie dem sogenannten Kollektiv-Café „K-Fetisch“, einem Lokal, das ein „Safe Space“ für queere Menschen sein soll und sich gegen Rassismus, Sexismus und Diskriminierung engagiert.
So erging es Raffaela und Abby, deren richtige Namen zu ihrem Schutz hier nicht genannt werden. Beide sind Anfang und Mitte 30. Sie ist im Sozialbereich tätig, ihr Schwerpunkt sind interreligiöse Konflikte, er ist Künstler – und Jude. Ein Israeli, der seit einigen Jahren in Deutschland von seiner Kunst lebt.
Am Freitag, später Nachmittag, um 17.30 Uhr waren sie im K-Fetisch. Den Namen des Lokals spricht man als Kaffeetisch aus. Es beschreibt sich selbst so: „Wir definieren uns derzeit als linkes trans* und nichtbinäres Kollektiv, das sich für Menschen mit unterschiedlichen Lebenserfahrungen und Identitäten einsetzt.“
Raffaelas Identität gehört offenbar nicht dazu. „Ich trug ein T-Shirt, auf dem in lateinischer, arabischer und hebräischer Schrift, das Wort Falafel geschrieben steht“, sagt sie. „Als ich an der Theke etwas bestellen wollte, musterte die Bedienung mein T-Shirt und fragte mich dann, ob das Hebräisch sei.“

© privat
Mitarbeiterin beschimpft Kundin wegen hebräischer Schrift
Raffaela antwortet, so berichtet sie es später dem Tagesspiegel, dass das auf ihrem T-Shirt Hebräisch sei und daneben das Wort Falafel auf Arabisch stehe. „Daraufhin weigerte sie sich, mich zu bedienen“, sagt Raffaela. „I don’t serve you“, habe die Mitarbeiterin am Tresen sagt. Und dass sie keine Zionisten bediene.
„Sie begann, mich lautstark zu beschimpfen, ich würde den Genozid in Gaza unterstützen, Hebräisch sei die Sprache des Unterdrückers. Und dass sie keine Menschen wie mich in ihrem Café dulden würden.“ So erzählt es Raffaela zwei Tage später. „Sie forderte mich auf, das Café unverzüglich zu verlassen, woraufhin meine Begleitung und ich gingen.“
Doch das reichte nicht. „Als wir vor dem Café standen, machte sie von drinnen ein Foto von uns“, sagt Raffela. Sie seien dann wieder ins Café gegangen und hätten die Bedienung aufgefordert, das Foto zu löschen. „Doch sie verlangte meinen Namen, um mir offiziell Hausverbot zu erteilen.“ Raffaela nannte ihren Namen nicht,
Die Situation war insgesamt zutiefst feindselig und einschüchternd.
Raffaela (Name geändert) berichtet über ihren Besuch im K-Fetisch.
Die Mitarbeiterin haben sie dann aggressiv aufgefordert, das Café zu verlassen. Raffaela sagt: „Wir sagten, das sei antisemitisch, da sie per se die hebräische Sprache ablehnt. Und dass das wie in den 1930er-Jahren wäre, dass sie uns nicht kenne und kein Recht habe, uns zu verurteilen.“
Doch die Mitarbeiterin habe sie weiter beleidigt und ihnen zugerufen, dass sie sich schämen sollen. Andere Mitarbeiterinnen hätten noch versucht, die Situation zu beruhigen, seien aber selbst schockiert gewesen. Es sei laut geworden, das Café gut besucht. „Ein Gast forderte uns auf, nun endlich Ruhe zu geben“, sagt Raffaela.
T-Shirt galt der Aussöhnung zwischen Palästina und Israel
„Die Situation war insgesamt zutiefst feindselig und einschüchternd“, berichtet die Betroffene weiter. Und alles nur wegen des hebräischen Schriftzugs auf ihrem T-Shirt. „Das ist ein eindeutig antisemitischer Hintergrund.“
Obendrein ist das „Falafel Humanity Shirt“ Teil eines Charity-Projekts, um Frieden und Aussöhnung zwischen Israelis und Palästinensern zu fördern. Initiiert wurde es vom Hamburger Designer Nikolai Dobreff, an Bord dafür kamen die iranische Designerin Golnar Kat Rahmani, die in Berlin lebt, und der in Hamburg lebende israelische Designer Liad Shadmi.
Falafel sind Frieden.
Die Designer des „Falafel Humanity Shirt“
„Falafel sind Kulturerbe, sowohl in Israel als auch in Ländern des Nahen Ostens. Falafel bringen Menschen zusammen, Falafel sind Frieden“, finden die Macher. Der Schriftzug soll die „gemeinsame Menschlichkeit und die kulturellen Bindungen der Menschen und plädiert für Einheit und Mitgefühl“ symbolisieren. Es geht um „Solidarität mit allen Menschen in Israel, dem Iran, Palästina und anderen Krisengebieten“.
Der Erlös aus dem Verkauf geht an „Women Wage Peace“. Die Organisation ist mit 50.000 Mitgliedern eine der größten Friedensinitativen in Israel. Sie wird von Frauen geführt und setzt sich für eine gewaltfreie und respektvolle Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts ein.
Das K-Fetisch war telefonisch nicht zu erreichen, eine schriftliche Anfrage blieb unbeantwortet. Lange galt das Lokal eher als proisraelisch. Juden und israelische Linke zählten zu den Stammgästen. Doch die Stimmung kippte nicht erst mit dem Überfall der islamistischen Hamas auf Israel im Oktober 2023.
Mitte vergangener Woche hielt das Café eine „Küfa“ ab, eine Küche für alle zur „Unterstützung politischer Gefangener, die sich gegen das Regime und die Staatslogik Israels und Deutschlands stellen“, wie es in einem Instagram-Prost hieß.
„Unser Fokus auf Gaza bleibt ungebrochen, und unsere Brüder und Schwestern aus Gaza sind stolz auf unsere Kameraden“, schrieb das Café. Mit Einnahmen und Spenden sollten Anwaltskosten „in Zusammenarbeit mit der Roten Hilfe“, eine linke „Schutz- und Solidaritätsorganisation“ beglichen werden.
Warum haben auf eurer Regenbogenflagge eigentlich alle Platz außer Juden?
Raffaela.
Raffaela bewegt der Vorfall noch immer. Am Sonntagabend verfasst sie ein Statement an das K-Fetisch. „Ich war immer gern bei euch, so wie viele andere, die sich selbst als politisch links einordnen und einen Ort, an dem Diskriminierung keinen Platz hat, schätzen. Leider habt ihr mir jetzt aber euer wahres Gesicht gezeigt“, schreibt Raffaela.
Das K-Fetisch befeuere Polarisierung und feiere den Hass, lehne Koexistenz und Frieden ab, für den das T-Shirt stehe. „Schon mal eine Minute darüber nachgedacht, wie es sich für Juden und Jüdinnen derzeit anfühlt, durch die Straßen in Neukölln zu gehen?“, fragt Raffaela im Statement. „Warum haben auf eurer Regenbogenflagge eigentlich alle Platz außer Juden? Weil ihr selbst so verblendet seid, könnt ihr euch wahrscheinlich gar nicht vorstellen, dass es ziemlich viele Israelis gibt, die die aktuelle Situation in Gaza verurteilen.“
Sie könne verstehen, dass jemand, der persönlich von dem Krieg betroffen ist, emotional reagiere. Jemand, wegen der hebräischen Sprachen „aus eurem Laden, einem öffentlichen Ort, zu werfen und öffentlich zu diffamieren und diskriminieren, ist jedoch Antisemitismus per Definition“. Raffaela will das T-Shirt weiter tragen, sie schreibt: „In meiner Heimatstadt werde ich mir das von euch sicherlich nicht verbieten lassen.“
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