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Hunderttausende Mieter würden profitieren: Berliner Senat will Mietenstopp bei landeseigenen Wohnungen bis Ende 2023
Außerdem wird das geplante Kündigungsmoratorium ebenfalls auf das gesamte kommende Jahr verlängert. Das Abgeordnetenhaus begrüßt diese Entscheidungen mehrheitlich.
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Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) will einen Mietenstopp bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen in Berlin durchsetzen. Das verkündete der SPD-Politiker am Donnerstag via Twitter. „Ich habe der Regierenden Bürgermeisterin vorgeschlagen, das Kündigungsmoratorium bei den Landeseigenen Wohnungsunternehmen auf das ganze Jahr 2023 zu erstrecken und zusätzlich als Teil des Berliner Entlastungspakets bis Ende 2023 auf Mieterhöhungen zu verzichten“, schrieb Geisel dort. „Die Regierende Bürgermeisterin hat dem zugestimmt.“
Damit wären die Menschen in mehr als 350.000 Wohnungen für das gesamte kommende Jahr vor Mieterhöhungen geschützt. Außerdem könnten sie nicht künftig nicht mehr wegen unbezahlter Energiekostenrechnungen gekündigt werden. Letzteres hatte die Regierungskoalition schon als Teil des für den Winter geplanten Entlastungspaketes angekündigt. Der Zeitraum wird nun aber auf das gesamte kommende Jahr ausgedehnt. Einen Mietenstopp für alle kommunalen Mieter hatten zuvor auch Berlins Grüne im Tagesspiegel gefordert.
„Ein sofortiger einjähriger Mietenstopp bei den landeseigenen Wohnungsunternehmen ist überfällig. Es darf keine Mieterhöhungen in Berlin im nächsten Jahr mehr geben“, sagte der Fraktionsvorsitzende Werner Graf dem Tagesspiegel am Mittwoch. Immer mehr Menschen hätten Angst, sich ihr tägliches Leben und ihr Zuhause nicht mehr leisten zu können. „Wenn die steigenden Energiepreise das Geld für die täglichen Mahlzeiten auffressen, dann ist es Zeit, auf die Bremse zu treten.“
SPD-Fraktionschef fordert freiwilligen Mietenstopp privater Eigentümer
Die bisherige Regelung erlaubte den sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen Mieterhöhungen im Bestand von bis ein Prozent pro Jahr, bei durch einst durch den Mietendeckel abgesenkten Mieten sogar bis zu 2,5 Prozent und im Neubau von bis zu zwei Prozent. Dies soll durch den von Bausenator Geisel vorgeschlagenen Mietenstopp nicht mehr möglich sein.
SPD-Fraktionschef Raed Saleh sagte dem Tagesspiegel dazu: „In diesen schweren Zeiten müssen die Berlinerinnen und Berliner entlastet werden. Überall, wo wir Verantwortung tragen, wollen wir ihr gerecht werden.“ Sicherheit für die Mieter der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sei deshalb folgerichtig. Saleh ging noch einen Schritt weiter. Er sagte: „Ich wünsche mir, dass auch private Eigentümer dem Vorbild des Landes für eine soziale Wohnungspolitik folgen.“
Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU) nahm die Entscheidung des Senats kritisch auf. Der BBU vertritt unter anderem die Interessen der landeseigenen Wohnungswirtschaft. Vorständin Maren Kern sagte, die Absicht zu Entlastung sei zwar nachvollziehbar. „Das Einfrieren der Mieten ausgerechnet bei den ohnehin schon günstigen landeseigenen Wohnungsbauunternehmen ist aber wirtschaftlich brisant.“
Der Mietenstopp geht an die Substanz der Wohnungsunternehmen
Der Senat selbst habe noch vor kurzem klargestellt, dass gerade auch die Landeseigenen mit rasant steigenden Kosten bei Neubau, Sanierung und Instandhaltung zu kämpfen haben. Der Mietenstopp gehe zu Lasten der wirtschaftlichen Substanz der Unternehmen, argumentierte Kern. „Dabei ist das wachsende Berlin mehr denn je auf starke landeseigene Wohnungsbauunternehmen angewiesen, die in Neubau, Klimaschutz und energetische Modernisierung investieren können.“
Im Berliner Abgeordnetenhaus wurde die Entscheidung am Donnerstag vor allem von der Koalition positiv aufgenommen. Grüne, Linke und SPD bedankten sich bei den Senatsvertretern für die Entscheidung für den Mietenstopp. Insbesondere Grüne und Linke hatten seit Wochen dafür geworben. Für die SPD bedeutet die Entscheidung einen Politikwechsel. Geisel hatte noch Anfang September auf Tagesspiegel-Anfrage gesagt: „Ich bin mit dem Finanzsenator einig, dass wir die landeseigenen Wohnungsunternehmen nicht anweisen werden, auf Mieterhöhungen zu verzichten.“
Bin sehr froh, dass inzwischen auch Sie erkannt haben, Herr Geisel, dass ein Mietenstopp für Berlin notwendig ist.
Katrin Schmidberger, Wohnungs-Expertin der Grünen
Die Wohnungs-Expertin der Grünen, Katrin Schmidberger, konnte sich am Donnerstag in ihrer Rede im Parlament auch deshalb einen Seitenhieb auf Geisel nicht verkneifen: „Bin sehr froh, dass inzwischen auch Sie erkannt haben, Herr Geisel, dass ein Mietenstopp für Berlin notwendig ist.“ Die Koalition, sagte Schmidberger, wolle den Berlinern „nicht nur warme Worte, sondern warme Wohnungen“ geben.
Sie forderte wie Saleh einen Mietenstopp für alle Mieter in Berlin. Der Linke-Abgeordnete Nikas Schenker schrieb auf Twitter: „Geschafft!“ Seit September fordere seine Partei einen Mietenstopp, nun habe man sich innerhalb der Koalition durchgesetzt.
Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Björn Jotzo, kritisierte die Entscheidung von Geisel und Giffey dagegen. Der FDP-Politiker sagte: „Der pauschale Verzicht auf Mieterhöhungen bei landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ist nicht fair. Denn davon profitieren nur Mieterinnen und Mieter dieser Gesellschaften, und zwar auch dann, wenn sie sehr niedrige Mieten zahlen oder über hohe Einkommen verfügen.“
Diese Entlastung zugunsten nur eines Teils der Mieterinnen und Mieter spaltet die Gesellschaft.
Björn Jotzo, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion
Letztlich müssten alle Berliner die Kosten dafür tragen - die Einnahmeverluste der sechs Wohnungsgesellschaften müssen nämlich über den Landeshaushalt ausgeglichen werden. „Diese Entlastung mit der Gießkanne zugunsten nur eines Teils der Mieterinnen und Mieter ist daher fehl am Platz und spaltet die Gesellschaft“, sagte Jotzo.
Aus der CDU-Fraktion war die Kritik am Willen des Senats verhaltener. Björn Wohlert, Sozialpolitiker seiner Fraktion, wies auf die gemeinsame Verantwortung von Regierung und Opposition hin, damit im „härtesten Winter seit langem“ niemand zurückbleibe. Er forderte deshalb, dass auch Menschen, die von den immensen Steigerungen der Heizöl-Preise betroffen sind, entlastet werden. Eine Übernahme von Abschlagszahlungen im Dezember käme deutlich zu spät. Die AfD-Abgeordnete Jeannette Auricht warf dem Senat vor, an allem selbst Schuld zu sein und die Berliner nicht zu entlasten.
Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen warnte vor dem Vorhaben des Senats. Eine Entlastung der Berlinerinnen und Berliner sei zwar nachvollziehbar. „Das Einfrieren der Mieten ausgerechnet bei den ohnehin schon günstigen landeseigenen Wohnungsbauunternehmen ist aber wirtschaftlich brisant“, teilte der Verband mit. Schließlich hätten auch die Landeseigenen mit rasant steigenden Kosten zu kämpfen.
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