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„Missbrauch von vertraulichen Informationen“: Berliner CDU will Flüchtlingsaktivisten bestrafen, die Abschiebungen verraten
Nur jede vierte geplante Abschiebung in Berlin ist erfolgreich. Betroffene werden häufig vorgewarnt. Die CDU fordert schärfere Gesetze, die Opposition spricht von einem „schäbigen Vorstoß“.
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Die Berliner CDU-Fraktion will mit einer Gesetzesverschärfung mehr Abschiebungen möglich machen. Nach dem Willen der Christdemokraten soll künftig jeder zu einer Strafe verurteilt werden können, der Daten von Abschiebeflügen und generelle Informationen zu bevorstehenden Abschiebungen weitergibt.
Zugleich will die CDU Flüchtlingsorganisationen ins Visier nehmen, die Betroffene kurzfristig vor geplanten Abschiebungen warnen. Von den Grünen gibt es dafür postwendend Kritik: „Die CDU zeigt sich von ihrer unmenschlichsten Seite.“ Und die Linke wettert: „Das ist ein schäbiger Vorstoß zur Kriminalisierung der Flüchtlingshilfe.“
Die CDU im Abgeordnetenhaus kommt mit dem Vorstoß Forderungen aus der Polizei nach und ist damit auf einer Linie mit Innensenatorin Iris Spranger (SPD). Die Fraktion hat dazu am Freitag auf ihrer Klausur beschlossen, eine entsprechende Bundesratsinitiative anzuschieben. Die Geheimhaltungspflicht bei derlei Informationen soll demnach nicht mehr nur für Beamte und Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes gelten, sondern auch auf Nichtamtsträger erweitert werden. Damit könnte ein Verstoß gegen die Geheimhaltungspflicht auch strafrechtlich verfolgt werden.
Nach Ansicht der CDU-Fraktion gibt es im Aufenthaltsgesetz eine Lücke. Personen, die nicht in Behörden und öffentlichen Institutionen tätig sind, könnten Informationen zu Abschiebungen weitergeben, ohne belangt zu werden. Das ist bislang nur bei Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes der Fall, wenn sie Informationen oder Dienstgeheimnisse unbefugt offenbaren und damit „wichtige öffentliche Interessen gefährden“.
Hinweise auf Charterflüge für Abschiebungen im Internet
Das sei unzureichend, heißt es im Beschluss der CDU-Fraktion. Denn auch Nichtamtsträger könnten Informationen über geplante Abschiebungen weiterleiten. Das könne „maßgeblich den Erfolg von Aufenthaltsbeendigungen beeinträchtigen und die Durchführung geplanter Maßnahmen verhindern“. Der „Missbrauch von vertraulichen Informationen“ müsse verhindert werden, um die Abschiebungen durchzusetzen.
Die CDU-Fraktion will auch härter gegen Gruppen und Organisationen vorgehen, die Abschiebungen verhindern wollen. Tatsächlich veröffentlichen diese Gruppen immer wieder Hinweise zu Abschiebefliegern, samt Angaben zu Fluggesellschaften. Deshalb fordert die CDU, dass das Vorgehen der Gruppen strafrechtlich geprüft werden und illegale Tätigkeiten unterbunden werden müssten.
CDU und Innensenatorin Spranger auf einer Linie
Die CDU stimmt dabei mit Forderungen von Innensenatorin Spranger überein. Im September hatte sie einen Fünf-Punkte-Plan für eine härtere Asyllinie vorgestellt. Demnach müsse der Bund dafür zu sorgen, dass geplante Abschiebungen per Flug nicht weiter durch Warnungen über Apps und oder andere Hinweise vereitelt werden. „Eine finanzielle Förderung von Organisationen, die dazu beitragen, muss beendet werden“, hatte Spranger erklärt.
Sie sieht ein weiteres Problem: Denn offenbar hat der Senat „verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen und Projekte“ erheblich gefördert, um Geflüchtete zu beraten und zu unterstützen. Aber: „Soweit jedoch die Förderung zweckwidrig dafür verwendet wird, die gesetzliche Ausreisepflicht zu unterlaufen oder Rückführungen zu erschweren oder zu vereiteln, steht dies nach Auffassung des Senats dem Förderzweck entgegen.“
Wenn wir diese Frühwarnsysteme nicht abstellen, wird es auch weniger Abschiebungen geben.
Stephan Weh, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Berlin.
Bei der Berliner Polizei ist das Problem seit Jahren bekannt. Häufig sollen Beamte eine Person für eine Abschiebung in ihrer üblichen Unterkunft oder Wohnung abholen, finden sie aber nicht. Grund sind laut Gewerkschaft der Polizei (GdP) Aktivisten, die die Flugverbindungen gezielt auf Abflüge durchsuchen würden. Nur jede vierte geplante Abschiebung sei erfolgreich.
Das Prinzip: Wenn für die Maschinen keine Sitzplätze buchbar sind, sei klar: Ein Abschiebeflug steht bevor. In den sozialen Medien werde schon eine Woche vorher veröffentlicht, wenn es bestimmte Charter gibt. Betroffene würden über „Social-Media-Kanäle wie zum Beispiel Deportation Alarm, über Messengerdienste und so weiter gewarnt“, sagte GdP-Landeschef Stephan Weh bei einer Anhörung im Innenausschuss. „Wenn wir diese Frühwarnsysteme nicht abstellen, wird es auch weniger Abschiebungen geben. Das eine hängt mit dem anderen zusammen.“
SPD-Innenpolitiker: Informationen zu „Abschiebefliegern“ sind öffentlich
Diplomatisch reagierte Integrationssenatorin Cansel Kiziltepe auf die Forderung aus der Union. „Wir werden dieses Thema in der Koalition und im Senat diskutieren“, ließ sich die SPD-Politikerin am Sonnabend zitieren.

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Ihr Sprecher wurde deutlicher und würdigte die Arbeit der Berliner Flüchtlingshilfe: „Es ist nicht angebracht, diese wichtige Arbeit der Flüchtlingsorganisationen jetzt schlechtzureden, die Unterstützenden unter Generalverdacht zu stellen und zu kriminalisieren.“ Sie seien oft „die letzten Rettungsanker“ und klärten Geflüchtete im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten über ihre Rechte und Pflichten auf. „Und diese Arbeit unterstützen wir.“
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion distanzierte sich ebenfalls von dem Vorhaben der CDU – und rückte damit auch von der Innensenatorin aus seiner eigenen Partei ab. „Die Informationen zu sogenannten ‚Abschiebefliegern‘ sind deshalb nicht strafbar, weil sie in der Regel aus öffentlich zugänglichen Fluginformationen gewonnen werden“, teilte Martin Matz mit. „Die im Internet verfügbaren Informationen wie ‚Deportationwatch‘ stehen dabei nicht in einem erkennbaren Zusammenhang mit Zuwendungsempfängern des Landes Berlin.“
Insofern sei es fraglich, was die von der CDU vorgeschlagene Änderung bewirken könne, sagte Matz. Die Debatte dürfe auch „nicht den Blick darauf verstellen“, dass es in Berlin im vergangenen Jahr 1290 durchgeführte Abschiebungen und 12.902 freiwillige Ausreisen gegeben habe. „Die meisten ausreisepflichtigen Menschen haben jedoch eine Duldung.“
Grüne: Unterstützer von Geflüchteten sind keine Staatsfeinde
Vasili Franco, innenpolitischer Sprecher der Grünen, kritisierte ebenfalls den CDU-Vorstoß: Erst seien Gesetze geändert worden, um Abschiebetermine den Betroffenen nicht mehr mitzuteilen und den Rechtsschutz zu erschweren. „Als Nächstes sollen ausgerechnet diejenigen kriminalisiert werden, die Geflüchtete im Alltag unterstützen. Das sind zutiefst solidarische Menschen, keine Kriminellen!“ Zudem sei es in einem freien Land nicht verboten, gegen Abschiebungen aufzurufen.
Ich rate der CDU, mal bei den Kirchen zu fragen, wie die das finden.
Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linke-Fraktion im Abgeordnetenhaus
Die Linke wies darauf hin, dass Geflüchtete ihre Rechte oft nicht kennen würden und kaum Zugang zu effektivem Rechtsschutz hätten. Genau deshalb fördere das Land Berlin Unterstützungsstrukturen. „Wer diese zum Staatsfeind erklärt, will verhindern, dass Menschen ihre Rechte wahrnehmen“, erklärte Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Abgeordnetenhausfraktion. „Ich rate der CDU, mal bei den Kirchen zu fragen, wie die das finden.“
14.000 von 16.000 Ausreisepflichtigen in Berlin sind geduldet
In Berlin leben laut Innenverwaltung aktuell mehr als 16.000 Ausreisepflichtige. Die meisten – etwa 14.000 – haben aber aus verschiedenen Gründen einen Duldungsstatus. Fehlende Reisedokumente waren in „etwa 25 Prozent“ der Fälle der Grund dafür. Mehr als 2000 Menschen, Tendenz steigend, halten sich ohne gültige Aufenthaltserlaubnis und Duldung in der Hauptstadt auf.
2024 haben die Berliner Behörden 1290 Menschen abgeschoben. Viele waren den Angaben zufolge Straftäter, die aus der Haft in ihre Heimatländer gebracht wurden. Jedes Jahr reisen aber auch mehr als 10.000 Asylbewerber freiwillig aus.
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