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Berlin: Mittelmaß oder Spitze?

Berlins Clubszene gilt als innovativ. „Stimmt nicht“, sagt Star-DJ Paul van Dyk Bei der Langen Nacht am Sonnabend kann sich jeder sein Urteil bilden

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Wer erwachsen wird, verändert sich. Entwickelt sich weiter. Wird ernsthafter. So auch die Berliner Clubszene. Nach den naiven, unbekümmerten Anfangsjahren der Nachwendezeit wirkt sie nun reifer, charakterlich gefestigt. Vielleicht auch weniger innovationsfreudig, wie Beobachter bemängeln. Muss man sich also Sorgen machen um den Partyruf der Stadt?

Nein, sagt Olaf Kretschmar von der Club Commission. Der Dachverband der Berliner Clubbetreiber koordiniert die am Sonnabend zum zwölften Mal stattfindende „Lange Clubnacht“. 35 Veranstaltungsorte beteiligen sich diesmal daran und widmen sich anlässlich des 50. Jahrestags der Römischen Verträge dem Thema Europa. Eingeladen sind DJs und Musiker aus den 27 Mitgliedsstaaten der EU. So tritt etwa im 103 in Kreuzberg das Elektroprojekt Artaban aus Luxemburg auf und im Bassy in Mitte spielen Cosmonautix aus Griechenland „Balalaika Speed Folk“.

In Kooperationen wie diesen sieht Olaf Kretschmar das Innovationspotenzial für die Clubs der Stadt. „Die Berliner Clubkultur wäre nichts ohne die Künstler aus dem Ausland.“ Viele Clubbetreiber hätten sich auf der Suche nach neuen Ideen in Spanien, Italien oder Skandinavien umgesehen. Dadurch entstünden Kontakte, die eine „gegenseitige Befruchtung“ zur Folge hätten. „Neues entwickelt sich sehr behutsam“, sagt Kretschmar, der auch Geschäftsführer des Oxymoron am Hackeschen Markt ist. Das rastlose Image Berlins, das vor allem durch Clubnomaden wie WMF oder Cookies geprägt worden ist, scheint heute überholt.

Für Alexander Barck vom DJ-Kollektiv Jazzanova macht vor allem die Bodenständigkeit der Stadt und seiner Bewohner die Individualität der Szene aus. „In Berlin ist es sehr schwer, einen Hype zu erzeugen. Dafür kann man gut seine eigene Nische besetzen.“ Obwohl Barck weltweit auflegt, zuletzt in Großbritannien und Australien, fühlt er sich in seiner Heimatstadt am wohlsten. Sein Lieblingsort zum Auflegen in Berlin: das Café Moskau. Dort gastiert er mit seinen Jazzanova-Kollegen einmal monatlich mit der Veranstaltungsreihe „Kaleidoskop“.

Kritisch beurteilt DJ Paul van Dyk die Berliner Clubszene. Er bemängelt deren Zersplitterung. Es gebe zwar viele kleine Clubs, aber keinen von internationaler Relevanz. „Es kommt keiner nach Berlin, um im Week-End zu feiern, aber wenn man da ist, geht man natürlich hin“, sagt van Dyk, der zum internationalen DJ-Jetset gehört. „Es findet kein wirklicher globaler Austausch statt. Das gehört aber dazu, wenn man Kulturhauptstadt sein will.“ Neue musikalische Impulse aus der Clubszene kämen vor allem durch zugezogene Künstler wie Ritchie Hawtin. Sowohl einheimische Künstler als auch Clubbetreiber würden sich mit einem „etablierten Mittelmaß“ zufrieden geben, hätten nicht den Ehrgeiz, sich weiterzuentwickeln. Deshalb könne sich Berlin nicht mit Städten wie London oder New York messen.

Dem widerspricht Olaf Kretschmar von der Club Commission. Neben der Entspanntheit habe Berlin einen weiteren Standortfaktor vorzuweisen: den finanziellen. Nirgends sonst sind die Preise so niedrig. Während Nachtschwärmer hier an regulären Abenden maximal zehn Euro Eintritt zahlen, sind es in London 15 Pfund – umgerechnet mehr als das Doppelte. „Wir haben hier ein sehr kundenfreundliches Preisniveau“, sagt Kretschmar, „das ist ein Standortvorteil geworden, der bei vielen ausländischen Gästen zieht.“ Nach dem Zusammenbruch der New Economy hätten sich Partygänger genau überlegt, wofür sie ihr Geld ausgeben. „Die Szene hat sich darauf eingestellt.“

Das Ticket zur Clubnacht kostet 12 Euro, ist in den teilnehmenden Clubs erhältlich und berechtigt zum Eintritt zu allen Partys. Das komplette Programm gibt es nachzulesen im Internet unter der Adresse www.clubcommission.de.

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