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Güner Balci, Neuköllner Integrationsbeauftragte, bei einem Interview mit der dpa im Rathaus Neukölln.

© dpa/Carsten Koall

„Reagieren erst, wenn einer mit dem Messer losgeht“: Neuköllns Integrationsbeauftragte warnt vor Auftrieb für Islamisten

Güner Balci fordert harte Abschieberegeln für Kriminelle – und eine klare Benennung des Problems. Jugendliche würden aufwachsen in einem Mix aus Scharia-Vorstellungen und Islamismus-Influencern.

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Die Integrationsbeauftragte des Bezirksamts Berlin-Neukölln, Güner Balci, hat nach dem Attentat von Mannheim eine ehrlichere Debatte über Islamismus und Abschiebungen angemahnt. Durch den Nahostkonflikt bekämen Islamisten in Neukölln auch noch Zulauf. „Wenn Sie in migrantischen Communitys nachfragen, sind die meisten Menschen für harte Abschieberegeln für Straftäter“, sagte Balci der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.

„Wenn ich in Neukölln mit Leuten spreche, die zum zwanzigsten Mal eine brennende Mülltonne vor ihrem Laden hatten, dann sagen die ganz klar: abschieben“, sagte die Integrationsbeauftragte weiter.

Die Leute hätten das Bedürfnis nach einem handelnden Staat, der ihnen Sicherheit gebe „und der ganz klar unterscheidet zwischen gesetzestreuen Migranten und Straftätern“. Selten würden Kriminelle oder Islamisten abgeschoben, stattdessen seien es Familien, „von denen ich als Integrationsbeauftragte sage: Die sind gut für uns, die wollen was erreichen“. Eigentlich sei die Abschiebedebatte total verlogen. 

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Zugleich warnte Balci vor reaktionären muslimischen Milieus. Dort schlage einem pure Menschenverachtung entgegen. „Da geht es nicht um einen spirituellen, theologischen Anspruch. Da geht es um den politischen Anspruch, diese Gesellschaft zu verändern – durch Geschlechtertrennung, Homophobie und einen tief sitzenden Antisemitismus“, sagte Balci. Das müsse erkannt werden, bevor sich Leute noch weiter radikalisierten. „Aber wir fangen ja erst an zu reagieren, wenn einer mit dem Messer losgeht“, sagte sie.

Mein arabischer Bäcker hat überhaupt kein Problem damit, zu sagen: Diese Islamisten-Schweine!

Güner Balci, Integrationsbeauftragte des Bezirksamts Neukölln.

Sie sei nicht überrascht davon, dass Influencer die Messerattacke eines Islamisten auf einen Polizisten in Mannheim feierten. „Nach dem 7. Oktober haben Vertreter von Moscheegemeinden den Terrorangriff nicht nur relativiert, sondern auch gutgeheißen“, sagte sie. Auch in Neukölln sei nach dem Hamas-Terror im Oktober gefeiert worden.

„Es gibt immer einen harten Kern von Leuten, der gegen die Demokratie und die freie Gesellschaft ist“, sagte Balci. „Das Gute ist, dass diese Extremisten es nicht schaffen, die große muslimische Community hinter sich zu vereinen.“ Zwar versuchten sie es in Neukölln immer wieder an den Schulen, „aber am Ende stehen da 20 Hanseln, von denen die allerwenigsten was mit der Schule zu tun haben“. In Neukölln hätten in den vergangenen Monaten wiederholt lautstarke Hamas-Sympathisanten zu Hass und Gewalt aufgerufen. „Wir haben das beobachtet und erkannt, dass das eine sehr überschaubare Anzahl von Leuten ist“, sagte Balci.

Gefahr für Juden und Israelis in Neukölln

Der Islamismus bekomme durch den Nahostkonflikt aber einen großen Auftrieb. Dessen Ideal werde auf der Plattform Tiktok und in Moscheen befeuert. In Neukölln sei „alles voll mit palästinensischen Flaggen und Tüchern“ und es gebe fast jeden zweiten Tag Aktionen mit volksverhetzenden Parolen.

Für jüdische Menschen und Israelis sei es „gerade sehr gefährlich“ in Neukölln. „Ich würde ihnen nicht raten, eine Israelflagge aus dem Fenster zu hängen oder eine Kippa aufzusetzen“, sagte Balci. „Leute wurden schon krankenhausreif geschlagen, weil sie auf der Straße Hebräisch gesprochen haben.“ Die Lage sei „brutal schlimm“. Sie müsse „jüdischen Freunden sagen: Passt auf, wenn ihr zu mir ins Rathaus kommt“.

Scharia und Islamismus-Influencer

Es sei viel zu lange weggeschaut worden, sagte die Beauftragte. Es gebe islamistische Gemeinden, die „das Familienrecht nach Scharia-Vorstellungen durchsetzen, ob bei häuslicher Gewalt oder Trennungen“. Daneben suchten Jugendliche im Islamismus nach Popkultur. Und auf Tiktok werde Islamismus schnell und ansprechend aufbereitet.

„Wenn man als junger Mensch in einem Milieu aufwächst, wo die alten Tanten und Onkel in der Moscheegemeinde Antworten auf die großen Fragen des Lebens finden, die Eltern sich zu Hause berieseln lassen von Fernsehkanälen aus der Heimat und man selbst von islamistischen Influencern auf Tiktok, dann sieht man keine Alternativen mehr“, sagte Balci.

Balci kritisierte auch Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne). Sie nannte es „sehr ängstlich“, dass Baerbock nach dem Attentat in Mannheim in ihrer Erklärung auf der Plattform X das Wort „Islamismus“ vermieden, stattdessen allgemein „Extremismus“ verurteilt und dabei auch auf Rechtsextremismus hingewiesen hatte. „Wenn eine Außenministerin nicht in der Lage ist, Islamismus beim Namen zu nennen, ist sie schlecht beraten“, sagte Balci. Man müsse nicht von Rechtsextremisten sprechen, „wenn gerade ein Islamist einen Menschen abschlachtet“. Das mache einen unglaubwürdig.

„Mein arabischer Bäcker hat überhaupt kein Problem damit, zu sagen: Diese Islamisten-Schweine!“, berichtete Balci. Gerade Menschen aus muslimischen Ländern wüssten, was es bedeute, wenn Islamisten die Deutungsmacht über ihre Kultur und ihre Religion bekämen. „Die ersten Betroffenen sind immer Muslime, die nicht reaktionär konform leben“, sagte die Beauftragte. (mit dpa)

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