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Nach dem verheerenden Sturm: So reparieren die Berliner Forsten die Wälder
Die Schäden durch die Orkanböen Ende Juni waren beispiellos. Jetzt zieht die Forstverwaltung Bilanz – und erklärt, warum sie wenig wegräumt und viel liegenlässt.
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Der Morgen ist kalt, aber die Septembersonne brennt mit enormer Kraft auf die Freifläche im Tegeler Forst. Ein Durcheinander aus Stämmen und Ästen liegt im grellen Licht, irgendwo zwischen Tegeler See und Heiligensee, wo bis Ende Juni dunkler, dichter Laubwald stand. Vor allem Buchen waren es, die meisten um 150 Jahre alt. Dann fuhr erst ein Gewittersturm durch die Kronen und drei Tage später ein zweiter, dessen Zerstörungskraft nach Aussagen altgedienter Forstleute beispiellos war in Berlin.
Viele Buchen hätten noch 100 Jahre leben können
Nachdem sie wochenlang nur mit dem Freilegen und Absichern von Straßen und Wegen beschäftigt waren, haben die Berliner Forsten jetzt hierher geladen, um ihr Vorgehen zu erklären. Es gebe nämlich zwei Arten von Rückmeldungen aus der Bevölkerung, berichtet Betriebsleiter Felix Weisbrich: „Warum räumt ihr nicht auf?“, würden die einen fragen, „warum räumt ihr denn auf?“, die anderen.
Namen werden nicht genannt, aber es hat sich herumgesprochen, dass die zweite Fraktion vor allem aus dem Umfeld der „Waldinitiative Berlin“ kommt. Die streut über Politik, Verwaltung und Medien den Vorwurf, die Forstleute würden durch übertriebenes Herumfuhrwerken die Schäden noch vergrößern.
Wir halten uns bei allem, was wir hier tun, an die Vorgaben von Landeswaldgesetz, Waldbaurichtlinie, FSC und Naturland.
Andreas Kraus, Umweltstaatssekretär
Durch eine sogenannte Rückegasse läuft Weisbrich in die Reste des Waldes hinein. „Das sieht erst mal wild aus“, sagt er und deutet auf die Fahrspuren der Raupe, die hier umgeworfene Stämme herausgezogen hat. Aber dank der definierten Gasse werde der Waldboden ringsum geschont. Die nächste Gasse ist 40 Meter entfernt – wie es die Richtlinien für die Gütesiegel FSC und Naturland verlangen, mit denen sich die Berliner Forsten seit 2002 schmücken.

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Weisbrich lässt die Journalisten raten, auf welcher Seite der Gasse die Forstleute überhaupt gearbeitet haben und auf welcher nicht. Die Antwort ist tatsächlich schwierig: Das Chaos ähnelt sich auf beiden Seiten.
Weisbrichs Quiz hat seinen Zweck erfüllt. Denn es illustriert die Zurückhaltung der Forsten bei der Schadensbeseitigung. Maximal 15 Prozent der umgeworfenen Stämme würden entnommen und an lokale Sägewerke sowie die Holzwerkstatt der JVA Tegel abgegeben. Mindestens 85 Prozent blieben liegen und dienen als Lebensraum für Kleingetier sowie als Feuchtigkeitsspeicher, Schattenspender und Fraßschutz für nachwachsende Bäumchen, die mit dem Sonnenlicht nun ihre Chance bekommen.
Der Erlös des Holzverkaufs fließt in den Berliner Landeshaushalt
Der neue Umweltstaatssekretär Andreas Kraus sagt, dass der Sturm insgesamt 35.000 bis 40.000 Festmeter Holz „geworfen oder gebrochen“ habe. Knapp 15 Prozent davon wären also rund 5000 Festmeter, die verwertet werden. Das ist etwa halb so viel, wie im vergangenen Winterhalbjahr planmäßig aus allen Berliner Wäldern geholt wurde – und nur ein Zehntel der in den Jahren davor üblichen Menge. Der Erlös fließe in den allgemeinen Landeshaushalt, sagt Kraus.

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Zusätzliche Brandgefahr ergebe sich nach Einschätzung der Feuerwehr durch das Totholz nicht, sagt Weisbrich. Bei einem reinen Kiefernforst wäre das anders. Es war Pech, dass der Sturm ausgerechnet den von Laubbäumen dominierten Tegeler Forst erwischt hat – ist er doch für Mikroklima, Wasserhaushalt und Brandschutz günstiger.
Zugleich war es logisch, dass die voll belaubten Bäume den Orkanböen im Sommer schlechter standhielten als einem Herbststurm, wenn sie schon weitgehend kahl sind. Mithilfe von Drohnen hat die Forstverwaltung mehr als 100 Lücken entdeckt, die die Unwetter im Revier Tegelsee gerissen haben.
Im Spandauer Forst hat es nach Auskunft von Behördenchef Gunnar Heyne eher Einzelbäume als ganze Flächen erwischt. Was als Katastrophe über den Berliner Nordwesten hereinbrach, soll nun als Reallabor zum Erkenntnisgewinn für die künftige Waldpflege dienen, die angesichts der Klimakrise absehbar schwieriger wird. Nach Angaben der Forstleute ist die wissenschaftliche Begleitung durch die Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde bereits angelaufen.
Die Folgen der Unwetter werden Stoff für Master- und Doktorarbeiten. Sichtbar bleiben werden sie noch mindestens ein Menschenleben lang.
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