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Sonja und Peter Frühsammer vom "Frühsammers"Restaurant in Berlin.

© Mike Wolff

Negative Bewertungen: Berliner Sterne-Restaurant Frühsammer wird erpresst

Sollten nicht 300 Euro fließen, werde man negative Online-Bewertungen über das Restaurant schreiben, drohen Erpresser. So reagiert der Betreiber.

„Was wir wollen? Ganz einfach: Geld!“ So steht es in einer Drohmail, die das Gourmetrestaurant Frühsammer in Wilmersdorf erhalten hat und am Montag auf Facebook veröffentlicht hat. Den Betreibern wird damit gedroht, das Restaurant negativ zu bewerten, wenn nicht sofort 300 Euro gezahlt würden.

Der Betrag soll in Bitcoin überwiesen werden, in der Mail findet sich auch ein Link zu einem YouTube-Tutorial, wie genau das funktionieren soll. Als Beweis, dass es die Erpresser ernst meinen, wurde bereits eine negative Bewertung auf Google geschrieben: Nur 3 von 5 Sternen. „Ausbaufähig“. Das Essen sei kalt gewesen. „Jetzt sollten Sie wissen, dass wir nicht bluffen“, schreiben die Erpresser.

In der Emailadresse steht ein Name: Rita Sommer. Unter diesem Namen wurde auch die schlechte Kritik auf Google veröffentlicht. Sollten die 300 Euro beziehungsweise 0,1 Bitcoin nicht überwiesen werden, kündigen die Erpresser heftigere Bewertungen an. So werde man zum Beispiel schreiben: „Nie wieder, total unfreundlich zu uns und den Kindern, unverschämt …“ und nur noch 1 von 5 Sternen bei der Google-Bewertung anklicken. Man habe Zugriff auf hunderte Social-Media-Accounts, Facebook, Instagram, Xing, Booking.com … Natürlich könnte das Restaurant eine Löschung der Einträge bei den Webseitenbetreibern beantragen, diese würde bei Google jedoch sehr lange dauern.

„Jeden Tag informieren sich die meisten Ihrer Kunden über die angesprochenen Portale“, schreiben die Erpresser. „Es entsteht Ihnen definitiv ein größerer Schaden, als die von uns geforderten 300 Euro.“ Bei Nichtzahlung würde es bald 1800 Euro kosten. Sollte das Restaurant zahlen, wird garantiert, dass es nie wieder etwas von den Erpressern hört. „Auch werden wir Ihre Daten nicht im Darknet weiterleiten“, heißt es in der E-Mail. Zudem erhalte das Restaurant bei Zahlung zusätzlich eine positive Bewertung „als Bonus“.

Google hat bisher nicht reagiert

Betreiber Peter Frühsammer hat Strafanzeige gestellt wegen „betrügerischer Erpressung“ – via Online-Portal der Polizei. Und er hat die Mail an Bewertungsportale weitergeleitet - etwa an Tripadvisor.de – die dortige Rechtsabteilung reagierte und will die Sache im Auge behalten. Google hat bisher nicht reagiert, die Bewertung von Rita Sommer steht weiterhin online. Frühsammer hat den Erpressern auch geantwortet, denn er will sich von deren Schreiben nicht beeindrucken lassen. „Wir haben Stammkunden, die lesen Fachmagazine – und verlassen sich nicht auf Online-Rezensionen", sagt Frühsammer. Aber: ganz kalt lässt es ihn dann doch nicht. Neue Gäste würden auch Online-Bewertungen ansehen. Er selbst mache das ja vorab ebenso, wenn er zum Beispiel ein Hotel buche.

Zwar sei die Drohmail sehr personalisiert geschrieben, trotzdem hätten die Erpresser laut Frühsammer nicht wirklich Ahnung. „Wir kennen Ihre Adresse“, heißt es zum Beispiel - es werde jedoch eine veraltete Privatadresse genannt. „Es hat mich nicht wirklich beunruhigt“, erzählt Frühsammer. „Sowas muss man anzeigen und verfolgen. Man weiß ja nicht, was als nächstes kommt.“

"Da kann ja jeder schreiben, was er will"

Er sei ein großer Kritiker der Online-Bewertungen. „Da kann ja jeder schreiben, was er will, man weiß nicht, ob er wirklich bei uns gegessen hat – und so eine Kritik bekommt man dann nur schwer wieder aus dem Netz.“

Das wissen auch die Erpresser. „Glauben Sie mir, wir machen das nicht erst seit gestern“, schreiben sie. Man sei keine rumänische Hackerbande. Das Restaurant sei gezielt ausgesucht worden, anhand der Anzahl der bisherigen Rezensionen. Frühsammer solle gewarnt sein: Bei einer Anzeige werde nichts passieren, das würde alles sehr lange dauern und trotzdem müsste sich das Restaurant eigenständig um die Löschung der negativen Kritiken kümmern. Und für diese nehme man sich Zeit: „Immerhin leben wir davon", heißt es in der Drohmail.

Erpresser nutzen Soziale Netzwerke als Druckmittel

Die Polizei sagte auf Nachfrage, derartige Fälle seien natürlich bekannt, es werde als Erpressung behandelt. Nicht das LKA, sondern die örtliche Kriminalpolizei ermitteln bei so etwas – so auch in diesem Fall aus Wilmersdorf. „Es kommt immer mal wieder vor, dass Erpresser die Sozialen Netzwerke als Druckmittel nutzen“, sagte ein Sprecher der Polizei.

Die Texte der Erpresser würden sich oftmals gleichen. Die Mail, die Frühsammer erhalten hat, sei aber in dieser Form nicht bekannt. Geraten sei es natürlich, die Polizei zu verständigen und keinesfalls zu zahlen. Wie oft solche Fälle aufgeklärt würden, sei schwer zu sagen, Zahlen dazu würden nicht gesammelt.

Auch dem Hotel- und Gaststättenverband Berlin (DEHOGA) sind derartige Fälle bekannt. „Da werden schon mal bestimmt rund 3000 Restaurants angeschrieben“, berichtet Geschäftsführer Thomas Lengfelder. „Und wenn nur einer zahlt, haben die Erpresser schon etwas gewonnen.“ Es sei natürlich schwer, da die Ruhe zu behalten. Das Restaurant Frühsammer habe gut reagiert und die Polizei eingeschaltet.  

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