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Neue Städtepartnerschaft mit Tel Aviv: Wird sie im Kampf gegen Antisemitismus in Berlin helfen?
Am 5. Mai wollen Tel Avivs Bürgermeister Ron Huldai und Berlins Regierungschef Kai Wegner die Städtepartnerschaft besiegeln. Drei Experten ordnen ein, ob das gegen Antisemitismus in Berlin helfen kann.
- Daniel Böldt
- Michael Müller
- Jamuna Oehlmann
- Samuel Salzborn
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Es wird Berlins 19. Partnerstadt – und die erste in Israel. Am Montag wollen Ron Huldai, Bürgermeister von Tel Aviv, und Kai Wegner die lang vorbereitete Partnerschaft ihrer beiden Städte im Roten Rathaus besiegeln. Wegner knüpft große Hoffnung an die Verbindung.
„Wir können die langjährige und herzliche Verbindung zwischen den beiden Metropolen nun vertiefen und mit noch mehr Leben füllen“, sagte er Anfang April. „Durch den Austausch zwischen den Menschen werden wir dem stärker werdenden Antisemitismus gemeinsam begegnen.“ Wir haben drei Experten gefragt, inwieweit eine Städtepartnerschaft im Kampf gegen Antisemitismus wirklich helfen kann.
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Die Partnerschaft wird helfen – wenn auch eher leise
Aktuell sind die mit Abstand wichtigsten Instrumente im Kampf gegen Antisemitismus Polizei und Staatsanwaltschaft. Aber die Städtepartnerschaft von Tel Aviv und Berlin wird im Kampf gegen Antisemitismus helfen, enorm sogar, wenn auch eher leise. „Die Stimme des Intellekts ist leise“, sagte der Psychoanalytiker Sigmund Freud.
Antisemiten vertreten ein zerstörerisches Weltbild, das Juden ermorden, das Israel vernichten will. Sie sind aggressiv und laut – aber sie sind eben auch Feinde des Intellekts, der Reflexion, des kritischen Denkens, des Pluralismus, der Freiheit und der Demokratie.
Dass neben zahlreichen Bezirken nun endlich Berlin eine israelische Städtepartnerschaft hat, ist wundervoll – es zeigt, dass Berlin unmissverständlich auf der und an der Seite Israels steht. Und die Städtepartnerschaft wird Generationen von Menschen im alltäglichen Austausch leise, charmant und ganz selbstverständlich erleben lassen, dass es und warum es die richtige Seite ist.
Kein Patentrezept, aber ein Baustein für ein Klima der Offenheit
Eine Städtepartnerschaft wie die zwischen Berlin und Tel Aviv ist kein Patentrezept zur Bekämpfung von Antisemitismus – sie ersetzt keine Bildungs- oder Interventionsmaßnahmen, aber sie kann diese Initiativen erleichtern und langfristig zu einem besseren gegenseitigen Verständnis beitragen. Durch persönliche Begegnungen und Austauschformate entstehen Räume, in denen Menschen mit unterschiedlichen kulturellen Prägungen und unterschiedlichen Lebensrealitäten einander als Menschen erleben.
Wer erfährt, dass „die anderen“ in vielen Punkten so sind „wie wir“, beginnt, Vorurteile zu hinterfragen. Solche Erfahrungen sind keine Garantie gegen Antisemitismus, aber sie fördern Empathie, Perspektivwechsel und wechselseitige Anerkennung. Hierin liegt ein wichtiges Potenzial – nicht als kurzfristige Lösung, sondern als Baustein in einem umfassenderen gesellschaftlichen Klima von Offenheit und Differenzsensibilität.
Eine Städtepartnerschaft muss mit Leben gefüllt werden
Die Städtepartnerschaft zwischen Berlin und Tel Aviv ist eine riesige Chance, allerdings nur, wenn man sie auch mit Leben füllt. Das bedeutet, dass mehr daraus entspringen muss als regelmäßige Treffen zwischen den Bürgermeistern und anderen offiziellen Vertretern der Stadt.
Entscheidend wird sein, die Menschen der beiden Städte zusammenzubringen, beispielsweise über Jugendaustauschprogramme, über Sportveranstaltungen. So kann ein gegenseitiges Verständnis entstehen, das dem Antisemitismus seinen Boden entzieht. Als Vorbild können andere lebendige Städtepartnerschaften wie jene mit Tokio oder London dienen.
Machen wir uns nichts vor: Diese Partnerschaft mit Tel Aviv ist vor allem für Berlin bedeutsam. Wir erleben in der Stadt leider Antisemitismus von rechts und von links. Gerade nach dem 7. Oktober 2023 wurde dies deutlich sichtbar. Eine Städtepartnerschaft wird vermutlich nicht jene erreichen, deren Hass besonders tief sitzt. Sie kann aber extrem wertvoll für eine Zukunft Berlins ohne Antisemitismus sein.
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