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Berlin: Martin Hikel (SPD), Bezirksbürgermeister Neukölln

© dpa/Jonathan Penschek

Update

Neues Beben bei der Berliner SPD: Martin Hikel verzichtet auf Kandidatur zum Bezirksbürgermeister in Neukölln

Erst wurde Franziska Giffey nicht auf die Bezirksliste zur Abgeordnetenhauswahl gesetzt. Jetzt will Bezirksbürgermeister Martin Hikel nicht erneut antreten – ihm reichte das Wahlergebnis nicht.

Stand:

Für die Neuköllner SPD, aber auch für die Berliner SPD ist es ein Polit-Beben: Der bekannte und beliebte Bezirksbürgermeister Martin Hikel tritt 2026 nicht erneut als Kandidat für den Posten an. Der Co-Landesparteichef zog damit die Konsequenzen aus einem aus seiner Sicht zu mageren Ergebnis bei der Kandidatenwahl am Sonnabend. Die SPD stellt nur noch zwei Bezirksbürgermeister – einer davon ist Hikel.

Der Kreisdelegierten der SPD Neukölln wollten am Sonnabend ihre Kandidaten für die Wahl zum Abgeordnetenhaus, für die Bezirksverordnetenversammlung und das Bezirksamt bestimmen. Hikel, 2,08 Meter groß, war als Bürgermeisterkandidat gesetzt, doch von Parteilinken und Jusos gab es bei der Versammlung deutliche Kritik.

Kritik an Hikels Verbundeinsätzen gegen kriminelle Clans

Sie warfen dem 39-Jährigen vor, zu häufig medienwirksam bei Verbundeinsätzen der Behörden mit der Polizei gegen kriminelle Clanstrukturen aufzutreten. Auch würde er den Begriff antimuslimischer Rassismus nicht benutzten und zu wenig mit der Partei kommunizieren.

Seine Kritiker verpassten ihm schließlich bei der Nominierung einen Denkzettel. Hikel wurde nur mit 68,5 Prozent der Stimmen zum Bürgermeisterkandidat gewählt. Doch dann geschah, womit seine Kritiker womöglich nicht gerechnet hatten. Hikel erklärte, nicht erneut für das Amt des Bezirksbürgermeisters zu kandidieren. Das Ergebnis reiche nicht aus, um geschlossen in den Wahlkampf zu ziehen, soll er den Schritt begründet haben.

Ich habe meinem Kreisverband ein Angebot für eine pragmatische Politik gemacht. Das Ergebnis gibt mir nicht ausreichend Rückenwind.

Martin Hikel zum Verzicht auf eine Kandidatur

Wörtlich sagte er laut „B.Z.“: „Ich habe bei meiner Vorstellung deutlich gemacht, wir sind in einer schwierigen Situation. Kulturell intern und extern auf uns. Ich bin fest überzeugt, dass wir im nächsten Jahr erfolgreich sein können, wenn wir geschlossen sind. Liebe Genossinnen und Genossen, das Ergebnis zeigt, dass es diese Geschlossenheit nicht gibt. Das ist schade, das ist bedauerlich. Ich meine das ernst. Ich kann in dieser Form nicht euer Spitzenkandidat sein.“ Nach Hikels Erklärung wurde die Kreisdelegiertenkonferenz abgebrochen.

Mitglied spricht von „Super-GAU“ für die SPD

„Ich habe meinem Kreisverband ein Angebot für eine pragmatische Politik gemacht, die den Bedürfnissen meines Bezirks gerecht wird“, sagte Hikel danach dem Tagesspiegel. „Das Ergebnis der SPD Neukölln gibt mir jedoch nicht ausreichend Rückenwind für einen erfolgreichen Wahlkampf als Bezirksbürgermeister, um die Herausforderungen in Neukölln in den kommenden Jahren zu bewältigen.“ Daraus ziehe er „nach acht Jahren sehr erfolgreicher Arbeit im Bezirk meine Konsequenzen“. Er werde sich bis zum Ende seiner Amtszeit mit voller Kraft seinem Amt widmen.

Für die Neuköllner SPD sei der Vorfall der „Super-GAU“, sagt ein Sozialdemokrat. Ohne den bekannten Hikel werde es bei der Wahl noch schwerer. Offen ist denn auch, ob seine Kritiker ihn wirklich zu diesem Schritt bewegen wollten. Von einem nicht eingeplanten Unfall ist die Rede. „Wenn den Leuten bewusst gewesen wäre, was das heißt, hätte es wohl nicht so viele Gegenstimmen gegeben“, sagt einer.

Wollten die Kritiker Hikel bewusst schädigen

Ein anderer unterstellt den Kritikern aus dem linken Lager der Partei hingegen Kalkül: „Das war mit Ansage“. Hikel habe zuvor deutlich gemacht, dass er auch nach parteiinternen Auseinandersetzungen um die Listenaufstellungen auf ein geschlossenes Ergebnis baue. Mit der Entscheidung, dennoch gegen ihn zu stimmen, hätten die Kritiker seinen Verzicht bewusst in Kauf genommen.

„Wir als SPD Neukölln danken Martin Hikel ausdrücklich für seine erfolgreiche Arbeit in den vergangenen Jahren“, erklärte die Partei in einer Mitteilung. „Unter oftmals schwierigen Rahmenbedingungen hat er mit großem Einsatz dazu beigetragen, unseren Bezirk zusammenzuhalten, sozialen Ausgleich zu sichern und unsere politischen Schwerpunkte voranzubringen. Wir bedauern seine Entscheidung.“ Noch in diesem Jahr werde die Neuköllner SPD ihr Spitzenteam im Bezirk neu aufstellen.

Ob Hikel, der bis Jahresende in Elternzeit ist, unter diesen Umständen noch Landesparteichef im Duo mit Nicola Böcker-Giannini bleiben will, ist unklar. Sein Verzicht trifft die Partei hart. In einer Woche, am 15. November, will die Berliner SPD bei einem Landesparteitag Steffen Krach zum Spitzenkandidaten für die Berlin-Wahl küren.

Bereits zuvor war der Name der bekanntesten Berliner SPD-Politikerin von der Bezirksliste für die Abgeordnetenhauswahl gestrichen worden. Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey wurde von ihrem Kreisvorstand nicht für die Bezirksliste nominiert. Sie war Hikels Vorgängerin als Bezirksbürgermeisterin und bis 2023 Regierende Bürgermeisterin.

Neukölln war Ausgangspunkt für Giffeys Karriere

Für Giffey ist es ein politischer Rückschlag – wieder einmal. Nachdem vor wenigen Monaten ihre Ambitionen auf eine erneute Spitzenkandidatur gescheitert waren, kann sie sich nun nicht einmal in ihrem eigenen Kreisverband durchsetzen.

Was ihr bleibt, ist der Direktwahlkreis in Rudow, den sie 2023 jedoch mit 16 Prozentpunkten Abstand hinter der CDU verloren hatte. Es scheint daher nicht unwahrscheinlich, dass Giffey – die 2021 als Hoffnungsträgerin vom Bund zurück nach Berlin wechselte – den Einzug ins Abgeordnetenhaus 2026 verpasst.

Besonders bitter für Giffey: Neukölln war für sie einst Ausgangspunkt einer der beeindruckendsten bundespolitischen Karrieren in der jüngeren Vergangenheit. Nur drei Jahre nachdem Giffey 2015 Bürgermeisterin des Bezirks wurde, holte sie die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) als Familienministerin in ihr Kabinett. 2021 trat sie im Zuge der Affäre um ihre Doktor-Arbeit zurück, hielt jedoch an ihrer bereits feststehenden Kandidatur als Regierende Bürgermeisterin in Berlin fest.

Zunächst sah es so aus, als wenn Giffey sich dadurch freischwimmen konnte: Sie gewann die Wahl und führte fortan eine rot-grün-rote Koalition als Regierungschefin an. Doch das Chaos bei der Berlin-Wahl, für das Giffey keine Verantwortung trug, holte sie ein. Bei der Wiederholungswahl 2023 siegte die CDU deutlich.

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