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Offene Drogenszene in Berlin: Holt die Trinker und Fixer von der Straße
Alkohol- und Drogenkonsum in der Öffentlichkeit empfinden manche als Zumutung. Während die Politik in Berlin die Schultern zuckt, entwickeln andere Städte neue Ideen.

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Das Elend nimmt zu. Mehr Obdachlose, mehr Trinker, mehr Süchtige sind auf den Straßen und Plätzen der Stadt zu sehen. Trinker und Süchtige hausen unter der Unterführung des Bahnhofs Charlottenburg an der Lewishamstraße; manche verschlägt es in die Wilmersdorfer Straße, wo der Eingangsbereich des geschlossenen Karstadt-Kaufhauses etwas Schutz vor Schnee, Regen und Wind bietet.
In Friedrichshain konzentriert sich das Elend laut der Sprecherin der Stadtmission, Barbara Breuer, am U-Bahnhof Samariterstraße und im Ringcenter. Wedding und Neukölln-Nord gehören zu den Stadtteilen, in denen Trinker, Crack-Raucher und Fixer in der Öffentlichkeit auffallen.
Dass Sucht und Obdachlosigkeit zusammenkommen, kann nicht verwundern. Das Leben auf der Straße fordert diesen Menschen vermutlich so viel ab, dass es ohne Alkohol und/oder Drogen nicht zu ertragen ist.
Im Wohnungslosenbericht 2024 bezeichnet die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe die Städte Berlin und Hamburg als geprägt von „Straßenwohnungslosigkeit“. Die Kleiderkammer der Stadtmission hat laut Sprecherin Breuer binnen sechs Jahren doppelt so viele Besucher: nicht mehr 90, sondern 180. Täglich.
Über einen Platz torkelnde, mit der Schnapsflasche fuchtelnde Trinker oder streitende Crack-Raucher müssen einen öffentlichen Ort nicht gleich zum Angstraum machen. Dass sich Bürger dadurch belästigt fühlen, kann man verstehen. Dafür muss vom Pinkeln im Gebüsch oder an der Hauswand gar nicht die Rede sein. Ein erkennbar Weggetretener in der U-Bahn – kann man sicher sein, dass er den Passanten nicht auf die Gleise oder die Treppe hinunter schubst?
Ein Ort, der manchen ein ungutes Gefühl macht, wird für andere zum Angstraum. Und wie so oft ist die Berliner Politik ohne Konzept, ohne Idee.

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Im Umgang mit solchen Randgruppen gibt es verschiedene Strategien. In manchen Städten regiert die Härte. Als sich die Klagen über den Zustand des Hamburger Hauptbahnhofs häuften, setzte der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher, ein Sozialdemokrat, ein Alkoholverbot durch.
Der Hauptbahnhof war in den Augen der Bürger und der Politiker zum sozialen Brennpunkt geworden (das war er früher immer mal wieder, wie wohl viele Bahnhöfe in Deutschland). Tschentscher begründete die Verbotspolitik des Senats der dpa gegenüber so: „Auch in den späten Abendstunden wollen die Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel vom Restaurant-, Kino- oder Theater-Besuch aus sicher und ohne Belästigung nach Hause fahren können.“
Eine Rundum-Bestreifung der Bahnhofsgegend durch Bundes- und Stadtpolizei sorgt für den notwendigen Druck. Am Bahnhof mag das helfen. Die Hamburger Grünen-Fraktionsvorsitzende Jennifer Jasberg sagt: Die Szene habe sich dadurch in ein Wohngebiet verlagert.

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„Sicher und ohne Belästigung“: das sind subjektive Faktoren. Härte hilft da nur punktuell. Streitereien gibt es meistens zwischen Betrunkenen und/oder Crackheads, nicht zwischen Obdachlosen mit einem Suchtproblem und Passanten. So bestätigt es Oliver Schruoffeneger (Grüne), Stadtrat für Ordnungsangelegenheiten in Charlottenburg-Wilmersdorf.
Auch er nimmt wahr, dass die Probleme mit Trinkern, Süchtigen und Obdachlosen größer werden. Im Umgang mit zechenden Bewohnern der Tegeler Unterkunft, die im Charlottenburger Norden am Schifffahrtskanal Probleme machten, setzt Schruoffeneger auf Aufräum-Aktionen mit Schülern und Kita-Kindern: Holt Euch die Grünanlagen zurück. Auch nur eine punktuelle Lösung.
Vielleicht braucht Berlin, was in München die Trinkerszene aus den Schlagzeilen gebracht hat. Seit 2020 gibt es in Bahnhofsnähe einen Aufenthaltsraum der Caritas, in dem Bier und Wein erlaubt sind, Schnaps nicht. Mitarbeiter machen Hilfsangebote. Die Trinker können tagsüber Zeit dort verbringen. In Kiel gibt es das seit 2003. Betreutes Trinken sozusagen. Die Berliner Politik wartet lieber auf den Frühling. Dann wird das Elend weniger auffallen.
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