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Im Streit um die geplante nächtliche Schließung des Görlitzer Parks hat eine Initiative Drohbriefe an Baufirmen verschickt. (Archivbild)

© Fabian Sommer/dpa

Streit um Umzäunung des Görlitzer Parks: Aktivisten verschicken Drohbriefe an Baufirmen

Der Berliner Senat sucht nach einer Baufirma für die Umsetzung der umstrittenen Umzäunung des Görlitzer Parks. Die Gruppe „Görli 24/7“ hat Drohbriefe an Baufirmen geschickt. Die CDU will rechtlich dagegen vorgehen. Das sagen Bezirk und Senatsverwaltung.

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Die Proteste gegen die vom Senat geplante Umzäunung des Görlitzer Parks in Berlin-Kreuzberg erreichen ein neues Level. Die Gruppe „Goerli 24/7“ hat Baufirmen angeschrieben und droht mit „zivilem Ungehorsam“ bei Start der Bauarbeiten für den Zaun. Die Firmen sollen so davon abgehalten werden, den Auftrag der Stadt Berlin anzunehmen.

Der Senat um den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) sieht in dem Zaun ein Mittel gegen die ausgeuferte Drogenkriminalität in Park und seiner Umgebung. Im Juni sollen die Bauarbeiten starten. Der Bezirk ist gegen den Zaun sowie die damit einhergehende nächtliche Schließung, und möchte das Problem mit mehr Sozialarbeit lösen. Der politische Streit geht schon lange. Mehrere radikale Gruppierungen haben ihren Widerstand gegen den Zaun angekündigt.

„Wir möchten Sie dazu auffordern, sich nicht an einem Zaunbau um den Görlitzer Park zu beteiligen und von einer Bewerbung zum Zaunbau Abstand zu nehmen“, heißt es in dem Schreiben von „Görli 24/7“, das dem Tagesspiegel vorliegt. Die Gruppierung hatte bereits im Februar einen „Hausbesuch“ bei einer städtischen Einrichtung unternommen sowie das Zerschneiden von Zäunen im Park geübt.

„Wir werden die Protestformen wählen, die uns angemessen erscheinen, um den Zaunbau zu verhindern. Dabei wenden wir auch Formen des zivilen Ungehorsams an“, heißt es weiter. „Wer Kreuzberg und Berlin kennt, weiß, dass politische Konflikte hier auch ganz anders ausgetragen werden können.“ Man wolle keine Konfrontation, sondern setze auf ein solidarisches Miteinander, denn der Zaun sei kein Mittel gegen die Drogenprobleme in dem Park, er würde diese nur in die anliegenden Kiez verteilen.

Die Gruppe von Aktivist:innen hat bestätigt, Urheber zu sein. Welche Firmen diese Briefe erhalten haben, ist nicht bekannt, die Gruppe wollte sich nicht dazu äußern. Auf der Website heißt es, man wolle die Idee vom Zaunbau einstürzen lassen. Die Gruppe hatte mit Aktionen im „Görli“ auf sich aufmerksam gemacht und probte dort bei einer angemeldeten Kundgebung das Durchbrechen von Polizeiketten und wie man am besten einen Zaun einreißt.

CDU prüft rechtliche Mittel gegen „Görli 24/7“

Clara Herrmann, Grünen-Bürgermeisterin des Bezirks, sagte dem Tagesspiegel auf Nachfrage: „Bedrohungen gehören nicht zum demokratischen Diskurs in politischen Konflikten.“ Das Bezirksamt lehne die dauerhafte nächtliche Schließung des Parks ab. Man setze aber auf Vernunft, denn die Pläne für die Umzäunung seien unausgegoren.

Bedrohungen gehören nicht zum demokratischen Diskurs in politischen Konflikten.

Clara Herrmann, Grünen-Bürgermeisterin in Friedrichshain-Kreuzberg

Die CDU im Bezirk verurteilt die „Drohbriefe“ aufs Schärfste. „Diese Einschüchterungsversuche gegen Unternehmen, die sich an einem demokratisch legitimierten Bauprojekt beteiligen, sind ein Angriff auf unseren Rechtsstaat“, sagte Fraktionsvorsitzende Ulrike von Rekowsky. „Wer mit Gewalt droht, um politische Entscheidungen zu sabotieren, verlässt den Boden der Demokratie und stellt sich auf die Seite von Chaos und Gesetzlosigkeit.“ Die CDU kündigt an, mit allen rechtlichen Mittel dagegen vorgehen zu wollen.

Das sagt die Senatsverwaltung

Die stadteigene Grün Berlin GmbH ist mit der Vergabe des Auftrags für die Bauarbeiten beschäftigt, die Ausschreibung läuft bis zum 2. April. Die Senatsverwaltung für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt teilte dem Tagesspiegel auf Nachfrage mit, man könne derzeit keine weiteren Angaben zu Verlauf, Beteiligung und Ergebnissen machen, da es sich um ein laufendes Verfahren handele. Trotzdem können eine Androhung von Gewalt unter keinen Umständen toleriert werden.

Der Grün Berlin GmbH liegen keine Informationen vor, ob potenzielle Bewerber:innen aufgrund eines Schreibens der Initiative Görli 24/7 von einer Bewerbung absehen.

Aktivist:innen mit „Hausbesuch“

Die Gruppe „Görli 24/7“ hatte der Grün GmbH bereits im Februar einen Besuch abgestattet. Rund 20 Aktivist:innen hatten ihr den Negativpreis verliehen, den „Beton-Preis“ – weil die GmbH vom Senat damit beauftragt wurde, den „rassistischen Zaun“ zu bauen. Die Gruppe skandierte, frei nach der Kreuzberger Band „Ton Steine Scherben: „Für einstürzende Zaunbauten!“ Wie weit der Protest gegen den Zaun geht und ob der Bau polizeilich bewacht werden muss, ist offen.

Man bleibe „widerständig“ und werde das auch „allen Baufirmen vermitteln, die meinen, sich an diesem miesen Projekt auch noch bereichern zu können“, schreibt „Görli 24/7“. „Jeder Baufirma, die sich dennoch am Zaunbau beteiligt, werden wir öffentlich deutlich machen, dass sich unsere Ablehnung gegen den Zaun nicht ihrem Profit beugt.“

Der Plan des Senats aus CDU und SPD für die Schließung des Parks in der Nacht zur Eindämmung von Drogenhandel und Gewaltkriminalität stammt aus dem Jahr 2023. Wegner hatte den ersten Termin für die Fertigstellung für 2024 angekündigt. Auch weil der Bezirk dagegen prozessierte, verschob sich das Projekt mehrfach nach hinten.

Firmen können sich für Zaunbau bewerben

Im April soll eine Firma ausgewählt werden. Baubeginn solle dann am 28. April sein. Als Termin für die Fertigstellung wurde der 20. Dezember genannt. Realistisch ist, dass erste Vorarbeiten erst nach dem 1. Mai mit den großen linken Demonstrationen starten, also im Laufe des Mai oder Juni.

Nächster Protest am 1. Mai in Form einer Party 

Laut der Ausschreibung sind unter anderem etwa 50 Meter Metall-Zaunanlagen erforderlich, um die Lücken in den vorhandenen Mauern zu schließen. Außerdem geht es um 16 Sonderelemente in unterschiedlichen Höhen für Tore aus Stahl, 2 Schiebetoranlagen, 8 große Drehkreuze in „vandalismussicherer Ausführung“ und 46 elektrische Schließsysteme für alle Toranlagen. 

Die Initiative argumentiert: „Für uns ist der Zaun um den Görli menschenverachtend, ausgrenzend, populistisch und will uns von der freien Gestaltung unseres Lebens abhalten“. Der Senat wolle „Wähler mit billigen autoritären Scheinlösungen“ einfangen.

Der nächste Protest gegen Schließung und Zaun ist für den 1. Mai in Form einer Party im Park angekündigt: „Free görli – Rave against the zaun“. Von dort soll es dann am Abend mit einem Demonstrationszug zur großen linksradikalen Demonstration in Kreuzberg und Neukölln gehen. (mit dpa)

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