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Imam Mohamed Taha Sabri steht im Gebetsraum der Dar-Assalam-Moschee in Neukölln.

© Carsten Koall/dpa

Predigten per Livestream und Essen zum mitnehmen: So feiern Berlins Muslime Ramadan während der Coronakrise

Gemeinsame Rituale müssen in der Krise im Ramadan ausfallen. Das schafft Platz für neue Angebote, stellt die Berliner Moscheen aber vor eine Herausforderung.

Die Sonne geht unter, der Muezzinruf ertönt und die muslimischen Gemeinden laden Nachbarn, Freunde, Nicht- oder Andersgläubige zu einem großen Fest ein. Beim Fastenbrechen im islamischen Fastenmonat Ramadan wird nach Einbruch der Dunkelheit in entspannter Atmosphäre gegessen und getrunken - normalerweise. Aufgrund der Corona-Pandemie sind derartige Zusammenkünfte in diesem Jahr nicht möglich.

„Viele Menschen sind sehr traurig darüber. Das Besondere am Ramadan ist doch das Zusammenkommen“, sagt die Sprecherin der Neuköllner Begegnungsstätte (NBS), Juanita Villamor. Ein Verein, der die Dar as-Salam Moschee in Berlin betreibt.

Im Ramadan verzichten viele gläubige Muslime einen Monat von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang auf Essen und Trinken. Abends kommen sie dann normalerweise zum gemeinsamen Fastenbrechen zusammen.

Nach Angaben des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD) beginnt der Fastenmonat in Europa in diesem Jahr am 24. April. Je nach Region könne der Start für Gläubige allerdings schon am Abend des 23. April sein - beispielsweise in Saudi-Arabien oder Marokko. „Weil es vom Stand des Mondes abhängt“, sagt der Berliner Landesvorsitzende des ZMD, Mohamad Hajjaj.

Allein in Berlin sollen laut ZMD rund 350.000 Muslime leben, bundesweit sind es laut den Angaben rund fünf Millionen.

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Um ihren Gemeindemitgliedern trotz des Kontaktverbots im Fastenmonat nahe zu sein, setzt die Neuköllner Begegnungsstätte vor allem auf Online-Angebote. „Die Hutba, die Freitagspredigt, wird bei uns live auf Facebook gestreamt“, sagt die Sprecherin. So wolle man die Menschen begleiten.

Normalerweise kommen bis zu 1500 Gläubige zum Freitagsgebet

Normalerweise kämen bis zu 1500 Gläubige zum Freitagsgebet in die Moschee. Zudem könnten Familien Muezzinrufe ihrer Kinder aufnehmen und die Videos an die Gemeinde schicken. „So können die Kinder den Gebetsruf üben und die Facebook-Community kann den Besten auswählen.“

Zusätzlich zu den Online-Angeboten überlegt die NBS, „Essen to go“ für ihre Mitglieder anzubieten. Denn das Besondere am Fastenbrechen sei normalerweise, dass die Gläubigen Speisen in der Moschee erhielten. „Vielleicht bieten wir im Laufe des Tages einen Abholservice an. Wir könnten Vorbestellungen mit festen Abholzeiten machen, damit da nicht auf einmal 30 Menschen stehen“, sagt Villamor.

Imam Mohamed Taha Sabri steht vor dem Eingang der Dar-Assalam-Moschee in Neukölln.
Imam Mohamed Taha Sabri steht vor dem Eingang der Dar-Assalam-Moschee in Neukölln.

© Carsten Koall/dpa

Laut der Islamischen Förderation Berlin (IFB) - ein Dachverband mit nach eigenen Angaben 17 Mitgliedsgemeinden - ist die NBS bei weitem nicht die einzige Gemeinde, die Alternativangebote im Ramadan anbietet.

„Die Islamische Gemeinschaft Millî Görüs (IGMG) hat zum Beispiel Imame zu Wort gebracht, die kurze Online-Predigten gehalten haben. Es werden Gesprächskreise über das Internet organisiert, die die Gemeindemitglieder besuchen können“, sagt Sprecher Murat Gül. Selbst der Koranunterricht für Jugendliche werde online weitergeführt. Man lasse die Menschen nicht alleine.

Eine wichtige Botschaft hat die IFB auch an alle Menschen, die zur Risikogruppe zählen. „Sie sind darauf hingewiesen, nicht zu fasten“, sagte Gül. Die Gesundheit gehe immer vor und jeder müsse auch aus religiöser Sicht den Empfehlungen der Experten folgen. Diese Regelung gelte jedoch immer und Kinder, Schwangere oder kranke Menschen seien auch außerhalb der Corona-Zeiten vom Fastengebot ausgenommen, heißt es.

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Die Corona-Krise wirkt sich jedoch nicht nur auf den Alltag der Gläubigen aus, sondern stellt auch die Gotteshäuser selbst vor ein großes Problem. „Gerade im Ramadan spenden die Menschen üblicherweise viel an die Moscheen. Vor allem bei der Freitagspredigt“, sagt Villamor. Diese meist sicheren Einnahmen für die Glaubenseinrichtungen, die dadurch ihren Unterhalt finanzierten, fielen nun weg. „Diese finanziellen Einbußen stellen die Glaubenseinrichtungen vor die größte Herausforderung.“

Laut ZMD-Sprecher Hajjaj erwirtschaften die rund 80 Berliner Moscheegemeinden normalerweise sogar etwa die Hälfte ihres jährlichen Etats im Ramadan. „Viele Muslime leisten auch ihre jährliche Pflichtabgabe, das Zakat, für üblich im Ramadan und spenden direkt in der Moschee.“ In diesem Jahr nicht. (dpa)

Jordan Raza

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