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© Foto: privat

Protest plus Sanierungsgipfel im Roten Rathaus: Marode Berliner Schule demonstriert trotz Giffeys Gesprächsangebot

Es fehle an politischer Verantwortungsübernahme, findet die Elternschaft des Pankower Gymnasiums am Europasportpark. Nun trägt sie ihren Unmut zur Regierenden Bürgermeisterin.

Ein Schlagabtausch der besonderen Art bahnt sich an diesem Freitag an: Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) macht den desolaten Zustand eines einzelnen Berliner Gymnasiums zur Chefsache, während das grün-geführte Finanzressort unter Daniel Wesener weiterhin versucht, einen Präzedenzfall zu vermeiden.

Es geht um das Gymnasium am Europasportpark in Pankow. Es hat die berühmtesten Fenster der Stadt, weil sie so unvergleichlich vermodert sind, dass sogar die Unfallkasse warnte. Für diesen Freitag kündigten die Eltern einen Schulmarsch zum Roten Rathaus an, um vor der Gefahr der Schließung wegen herausfallender Fernster zu demonstrieren.

Postwendend kam die Antwort der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) in Form einer Einladung in ihren Amtssitz: Sie will dort mit der Schulleitung, der Finanz- und Bildungsverwaltung sowie Elternschaft über einen Ausweg aus der baulichen Krise reden.

Es besteht ein Misstrauen gegenüber der Politik.

André Mors, Gesamtelternvertreter des Gymnasiums am Europasportpark

Doch die Eltern halten an der Entscheidung zu demonstrieren fest. „Es besteht ein Misstrauen gegenüber der Politik. Wir haben lange darüber diskutiert und dann entschieden, dass wir trotz des Gesprächsangebots demonstrieren wollen“, sagte Gesamtelternsprecher André Mors dem Tagesspiegel am Mittwoch.

Das „trotz“ hängt mit der Erfahrung der Schule zusammen: Als diese 2016 gegründet wurde, war sie bereits marode, denn die Bildungsverwaltung hatte den unsanierten Altbau an den Bezirk übergeben. Dort war damals als Bildungsstadtrat Torsten Kühne (CDU) zuständig.

Stadtrat Kühne hatte keine Wahl: Er brauchte das Gebäude für seinen Babyboomer-Bezirk. Schon damals sei er – etwa wegen der fehlenden Innenausstattung – bei der Finanzverwaltung vorstellig geworden, berichtet der Bezirkspolitiker, der inzwischen Bildungsstadtrat in Marzahn-Hellersdorf ist. Letztlich sei Pankow mit der maroden Immobilie allein gelassen worden. Inzwischen trägt statt Kühne seit der Wahl vor einem Jahr Dominique Krössin (Linke) die Verantwortung als Stadträtin.

173
Schulen wurden für die Sanierung benannt. Nur 40 wurden berücksichtigt.

Zwischendurch gab es Hoffnung: Die Bezirke waren vom Senat aufgefordert worden, ihre Sanierungsbedarfe anzumelden: Sie trugen 173 Schulen zusammen, die vor 2026 in die Investitionsliste aufgenommen werden sollten. Anschließend war der Senat am Zuge.

Was dann geschah, ließ etliche Bezirke fassungslos zurück: Die Bildungsverwaltung ordnete die 173 Schulen in eine Prioritätenliste, von der die Finanzverwaltung 133 kappte. Anders ausgedrückt: Nur 40 Schulen waren übrig, und die Schule am Europasportpark gehörte nicht dazu. Das war im Sommer.

Das Gymnasium am Europasportpark wurde von der Investitionsliste des Senats gestrichen.
Das Gymnasium am Europasportpark wurde von der Investitionsliste des Senats gestrichen.

© Foto: André Mors

Seither ist viel in Bewegung geraten. Erst kam Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD) zu Besuch und bestätigte den miserablen Zustand der Schule. Dann bestätigte der Senat mit seinem Beschluss im September, dass die vom Abgeordnetenhaus bewilligten Gelder keine weiteren Spielräume lassen. Allerdings schien ein Schlupfloch gefunden: In schwerwiegenden Fällen müssten auch Schulen, die es nicht auf die Liste geschafft hätten, saniert werden können, betonte Giffey unter Zustimmung von Finanzsenator Daniel Wesener. Dafür sehe die Landeshaushaltsordnung das Hilfsmittel der „außerplanmäßigen Ausgaben“ vor.

Falsche Hoffnungen geweckt

Inzwischen stellte sich aber heraus, dass falsche Hoffnungen geweckt wurden. Seitdem Pankows Stadträtin Krössin versucht, über diesen Ausweg der „außerplanmäßigen Ausgaben“ die Schule am Europasportpark und zwei weitere Problemschulen für Sanierung und Ausbau anzumelden, erntet sie Nachfragen. Weseners Staatssekretärin Jana Borkamp (Grüne) möchte von Krössin wissen, welche Schulen denn „getauscht“ werden könnten.

Was das bedeuten würde, schilderte Krössin am Mittwoch: Sie müsste die beiden einzigen Pankower Schulen „opfern“ – die Schule am Planetarium und die Gustave-Eiffel-Schule –, die es aus dem Bezirk auf die Gesamtliste des Senats geschafft hatte – von insgesamt 29, die der Bezirk angemeldet hatte. Das komme aber nicht infrage, steht für Krössin fest.

Somit richten sich auch ihre Erwartungen auf den Freitag, wenn im Roten Rathaus eine einzige Schule zur Chefsache erklärt werden soll. Die Pankower Bildungsstadträtin hat aber auch die anderen beiden Haupt-Sorgenkinder im Gepäck: das Rosa-Luxemburg-Gymnasium, das seit 20 Jahren auf einen Anbau wartet, und das Max-Dellbrück-Gymnasium, dessen Baufälligkeit nicht weniger „krass“ sei als die der Schule am Europasportpark, sagt Krössin.

Der Finanzsenator machte am Mittwoch eine ganz andere Rechnung auf: Im Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses berichtete er, dass im Jahr 2022 Schulbaumittel abermals „in erheblichem Umfang“ ungenutzt geblieben seien, teilte sein Sprecher dem Tagesspiegel mit. Die Behörde gehe „von einem höheren zweistelligen Millionenbetrag aus“ – das betreffe „auch die Bezirke“.

Kühne nannte diese Darstellung Weseners „unfair“, da im ersten Halbjahr 2022 vorläufige Haushaltswirtschaft gegolten habe. Das bedeute bekanntermaßen, dass keine neuen Vorhaben angeschoben werden könnten. Dennoch sei es gelungen, 90 Prozent der Gelder auszugeben – ein „Rekordwert“, wie der Bildungsstadtrat betont. Es sei nie möglich, alle Mittel zu verausgaben, was mit Firmenpleiten, Fachkräftemangel, Materialengpässen und vielem anderen zusammenhänge und damit, dass die Bezirke nicht „überplanen“ dürften.

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