
© Dominik Lenze
Querdenker-Demonstration in Berlin: Russland-Fans, Verschwörungsideen und „Döp-Dödö-Döp“
Mehrere tausend Personen sind am Sonnabend bei einer Querdenker-Demonstration in Berlin unterwegs. Doch viele kommen nicht aus Berlin. Es sind auch rechte Symbole zu sehen.
Stand:
Laute, martialische Trommelklänge und Trillerpfeifen: In Berlin ist am Sonnabend die große Querdenker-Demonstration gestartet – vier Jahre nach der ersten großen Veranstaltung der Bewegung. Mehrere tausend Menschen nahmen bei der Versammlung unter dem Motto „Einigkeit und Recht und Freiheit – der Umzug“ teil.
Gegen 14 Uhr waren nach Einschätzung der Polizei bereits rund 9000 Personen anwesend. An der anschließenden Kundgebung sollen bis zu 12.000 Menschen teilgenommen haben. Angemeldet waren 5.000 und 17.000. Insgesamt waren 500 Beamte im Einsatz. Im Zuge der Demonstration habe es mehrere Freiheitsbeschränkungen gegeben, sagte ein Sprecher der Polizei am Nachmittag. Der Grund: Verstoß gegen das Vereinsgesetz.
Um kurz nach 12 Uhr hat die Demonstration auf der Hardenbergstraße am Ernst-Reuter-Platz begonnen. Sie sollte bis 15 Uhr über unter anderem die Joachimsthaler Straße, den Kurfürstendamm, Nollendorfplatz, Bülowstraße, Potsdamer Straße zur Klingelhöferstraße führen. An der Siegessäule hat die Bewegung „Querdenken 711“ zu einer Kundgebung unter dem Motto „Freiheit, Frieden, Freude“ angekündigt. Anmelder ist der Querdenken-Initiator Michael Ballweg.
Spendentasse für Querdenker
Unter Jubel betrat Ballweg um 15.30 Uhr die Bühne. Die Versammlungsauflage, dass Compact-Symbole verboten sind, ließ er von einer roboterhaften Stimme vom Band vortragen – das Publikum grölte und pfiff. Kurz zuvor verwies er auf eine Querdenken-Spendentasse, die durch das Publikum ging.
„Repräsentative Demokratie ist das Gegenteil von Demokratie“, sagte Ralf Ludwig, Rechtsanwalt und einer der Initiatoren der Querdenken-Bewegung und es gab Applaus. Als er das Compact-Verbot erwähnt, gab es wieder Pfiffe und Buhrufe. Ludwig will nun durch Sachsen, Thüringen und Brandenburg touren: „Ich möchte die Leute ermutigen, in diesen Ländern ihre Verfassung zu ändern.“

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Überraschend: Nicht nur Berliner nahmen an der Versammlung teil. Nach der bedruckten Kleidung und den Ansteckern war überregional mobilisiert worden – Querdenker aus Hamburg, Sachsen, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen waren nach Berlin gekommen.
Eine ganze Delegation „Freiheitstrychler“ ist gekommen. Die Gruppe ist sowas wie das Schweizer Äquivalent zu Querdenken. Sie trugen schwere Kuhglocken auf ihren Schultern. Einige der Teilnehmenden waren auch schon auf den Querdenker-Demonstrationen während der Corona-Pandemie dabei.
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Rechte Symbole und Anspielungen vertreten
Viele Protestierer trugen während des Demonstrationszug Fahnen. Neben Friedensflaggen mit weißen Tauben wurden auch Deutschland- und Russlandfahnen sowie vereinzelt Palästina-Flaggen gezeigt. Ein Teilnehmer trug die verbotene „Compact“-Flagge „Ami Go Home“ offen durch die Stadt. Die Polizei hat gegen 14 Uhr beschlossen, gegen die Flaggen vorzugehen.
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Auch sonst fanden sich immer wieder rechtsextreme, zumeist versteckte Zeichen auf der Demonstration. So trug eine Frau etwa ein T-Shirt mit „Döp-Dödö-Döp“, eine Anspielung auf das „Sylter Lied“ („Ausländer raus“). Auch die rechtsextreme Pseudo-Gewerkschaft „Zentrum“ ist mit einem eigenen Wagen vor Ort.

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Im hinteren Teil des Aufzugs wehte eine Reichsflagge. Auf Nachfrage, ob der Fahnenschwenker lieber einen Kaiser über sich hätte, als von der Ampel-Regierung regiert zu werden, antwortete er: „Klar, wer denn nicht?“. Auf dem Wagen „Klimalüge enttarnt“ spricht ein Redner eine Wahlempfehlung für AfD aus. Sie sei die einzige Partei, die man noch wählen könne, so der Sprecher.
Die AfD Märkisch-Oderland selbst ist ebenfalls auf der Demonstration durch ihr Mitglied des Brandenburger Landtags, Lars Hünich, vertreten. Sie hat beim Tierpark einen eigenen Wagen abgestellt. Auch die AfD Berlin ist unter anderem mit Hugh Bronson vor Ort.
Ehrung vermeintlicher Helden
In der Nähe der Siegessäule gab es eine Fotoausstellung über vermeintliche Helden des Widerstands. Geehrt wurden hier unter anderem Heinrich Fiechtner, früheres Mitglied der AfD, der während der Corona-Pandemie zu Attentaten aufgerufen hat – und Roy Grassmann, der heute Mitglied der Neonazi-Trainingsgruppe in Pankow ist.

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Auch der terrorverdächtige Michael Fritsch wird auf einem Banner geehrt. Auf Nachfrage, warum ein Terrorverdächtiger gefeiert wird, will an dem entsprechenden Stand niemand etwas damit zu tun haben. Auf wiederholte Nachfrage versuchte ein Mann des Stands dem Tagesspiegel-Reporter das Handy aus der Hand zu reißen – erfolglos.
Auch ein Teilnehmer des Potsdamer Geheimtreffens, der AfD-Politiker Ulrich Siegmund, galt in der Ausstellung als Held des Widerstands. Der Landtagsabgeordnete aus Sachsen-Anhalt wurde als Vorsitzender des Sozialausschusses abgewählt, nachdem er bei dem rechtsextremen Treffen im Landhaus Adlon teilgenommen hatte.

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Misstrauen gegenüber den Medien
Immer wieder waren auch Sprechgesänge zu hören. So riefen Teilnehmer „Raus aus der Nato – Rein ins Vergnügen“ sowie „Raus aus der Nato – rein in den Frieden“. Ein paar Teilnehmer hatten auch selbstgebastelte Schilder dabei. Eines trug die Aufschrift „Free Palestine“, ein weiteres „Kriegstreiberei stoppen“.
Nach mehreren Jahren Erfolglosigkeit war der Aufzug auch eine überraschende Machtdemonstration der Verschwörungsgläubigen. Viele Influencer und Streamer der Szene waren bei der großen Kundgebung vertreten, beispielsweise WeichreiteTV (AfD-Mitglied aus Leipzig) und „Privatinvestor TV“, ein YouTube-Format des ehemaligen Chefs der Werteunion, Max Otte. Die Influencer und auch viele Teilnehmer filmten die Pressevertreter und zeigten offen ihr Misstrauen gegenüber der freien Presse.
Auch auf TikTok wird in einem Livestream der Demonstration gegen die Medien gehetzt. Es ist dabei von Propaganda der Medien die Rede, angeblich unter der Führung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD).
Die Querdenken-Bewegung hatte sich im Zuge der Corona-Pandemie von Stuttgart aus in vielen deutschen Städten formiert. Die Anhänger demonstrierten immer wieder öffentlich gegen die politischen Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus.
Bei einer bundesweiten Demonstration der Querdenker am 2. August 2020 in Berlin hatten nach Angaben der Polizei rund 20.000 Teilnehmer gegen die damaligen Corona-Maßnahmen protestiert. Nach Einschätzung der Veranstalter war die Zahl um ein Vielfaches höher.
Bei einer Demonstration der Querdenker am 29. August 2020 versuchten etwa 400 Personen das Reichstagsgebäude in Berlin zu stürmen, darunter Verschwörungsideologen, Reichsbürger und Rechtsextreme. Sicherheitskräfte konnten den Versuch jedoch unterbinden. (mit dpa)
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