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„Richter entscheiden, nicht der Algorithmus“: Berlins Justizsenatorin weitet den Einsatz künstlicher Intelligenz aus
Hohe Arbeitslast, eine Pensionierungswelle, Konkurrenz ums Personal – damit hat auch Berlins Justiz zu kämpfen. Senatorin Badenberg erklärt, wie Digitalisierung helfen kann.
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Die Berliner Justiz verliert in den nächsten Jahren trotz enormer Belastung sechs Prozent ihrer Beschäftigten und hat dabei zunehmend Probleme bei der Nachwuchsgewinnung. Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) hat deshalb mehr Unterstützung gefordert, setzt aber auch auf Künstliche Intelligenz.
„Wir haben immer wieder Sondersituationen, die bei der Amts- und Staatsanwaltschaft und bei den Strafgerichten zu einer weit überdurchschnittlichen Arbeitsbelastung führen“, sagte Badenberg dem Tagesspiegel. Sie erinnerte an die Corona-Pandemie, das Massaker der islamistischen Hamas an Israelis am 7. Oktober 2023 und zahlreiche Demonstrationen und Straftaten mit Nahost-Bezug.
„Die Klimaaktivisten haben zwei, drei Jahre lang die Staatsanwaltschaft durch eine Vielzahl an Verfahren stark in Anspruch genommen“, sagte sie dem Tagesspiegel. Dann sei 2024 das Cannabis-Gesetz gekommen, wodurch die Justiz mehrere tausend Altfälle rückwirkend aufarbeiten musste. „Das ist in der Summe eine unglaublich hohe Belastung“, sagte Badenberg.
Mehr Personal nötig
Deshalb forderte die Senatorin nun mehr Unterstützung für die Justiz. „Wenn die Polizei auf der einen Seite gestärkt wird, was in den letzten Jahren richtigerweise geschehen ist, dann ist das Resultat auch mehr Fälle für die Justiz“, sagte sie. „Dieser Entwicklung wurde personell jedoch nicht in gleichem Maße Rechnung getragen. Deshalb müssen wir aus meiner Sicht nachschärfen.“
Die Lage sei jedoch angespannt. „In den nächsten Jahren werden bis zu 600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Ruhestand gehen“, sagte die Senatorin. Insgesamt hat die Justiz 10.500 Beschäftigte und Bedienstete, hinzu kommen rund 2000 Nachwuchskräfte. „Der demografische Wandel sorgt dafür, dass der Bewerberkreis kleiner wird“, erklärte die Justizsenatorin. „Wir stehen im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft und in der Hauptstadt zusätzlich mit dem Bund – und das um die besten Köpfe.“
Um in diesem Wettbewerb bestehen zu können, brauche es attraktive Rahmenbedingungen und klare Anreize. Zugleich arbeite die Justiz intensiv daran, mit digitalen Lösungen die Arbeit zu erleichtern und Prozesse effizienter zu gestalten. Dazu zählt auch Künstliche Intelligenz.
Es gebe bereits KI-gestützte Lösungen, die etwa die Aktenstrukturierung vereinfachten. Gemeinsam mit Niedersachsen habe Berlin das KI-Tool „Emil“ entwickelt. „Es unterstützt Richterinnen und Richtern bei Asylverfahren, indem es Erkenntnisse zu Herkunftsländern zusammenstellt“, sagte Badenberg.
Damit ersetze das System die aufwendige Suche in zahlreichen Datenbanken durch einen zentralen Chatbot und fasse die umfangreichen Suchergebnisse strukturiert zusammen. „Dies erleichtert die Durchdringung des Prozessstoffes für die richterliche Entscheidungsfindung“, sagte Badenberg.

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„Entscheidungen in unserem Rechtsstaat werden von Menschen getroffen werden und das muss so bleiben“, schränkte die Senatorin ein. Bei alldem blieben derlei Anwendungen Assistenzsysteme, die keine gerichtlichen Entscheidungen ersetzten. „Was mir ganz wichtig ist: Entscheidungen trifft weiterhin allein der Richter – nicht der Algorithmus.“
Badenberg hatte sich zuvor im Tagesspiegel-Interview gegen die Sparpläne des schwarz-roten Senats ausgesprochen. Schon im Februar hatte die Hausspitze des Justizressorts mit einer Protokollerklärung zu einem Sparbeschluss des Senats festgehalten, dass sie die Kürzungspläne nicht mittragen könne.
„Die Besonderheit ist, dass 97 Prozent meines Haushalts für gebundene Pflichtaufgaben vorgesehen sind“, sagte Badenberg. Die Justiz habe als dritte Säule des Rechtsstaats eine tragende Rolle. Eine angemessene Ausstattung der Justiz sei zwingend, bei Digitalisierung und Informationssicherheit müsse mehr getan werden.
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