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„Schmerzhafte Einschnitte“: Berliner Senatschef Wegner verteidigt Milliarden-Streichliste
CDU und SPD haben ein Sparpaket für den Berliner Haushalt 2025 beschlossen. Regierungschef Wegner sieht weiterhin einen Etat mit „klaren Prioritäten“. Hier gibt es die ganze Streichliste.
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Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hat die milliardenschweren Einsparungen für das kommende Jahr verteidigt. „Es ist gelungen, uns auf Maßnahmen zu verständigen und trotzdem noch klare Prioritäten zu setzen“, sagte Wegner am Dienstagmorgen im Abgeordnetenhaus – einen Tag, nachdem sich die Spitzen der Koalition auf die finalen Einsparungen verständigt haben.
Der CDU-Chef nannte unter anderem die vergleichsweise geringen Kürzungen im Bereich Innere Sicherheit, Justiz und im Etat von Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD). Auch die Bildung sei weiterhin ein Schwerpunkt der Koalition, erklärte Wegner.
Ein großer Teil der Landesausgaben wird zudem komplett ausgeklammert. Bei den Bezirken, die mit Zuweisungen von rund 11 Milliarden etwa ein Viertel des Haushalts ausmachen, wird nicht gekürzt. SPD-Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey sprach von einer „Entscheidung für gute Politik vor Ort“.
Verkehr, Umwelt, Kultur und Wissenschaft besonders betroffen
Gleichzeitig bedeute das, dass in anderen Etats mehr gespart werden müsse, erklärte Wegner. „Bestimmte Bereiche, die besonders aufgebläht wurden in den vergangenen Jahren, werden besonders herangezogen“, sagte er unter anderem mit Blick auf den Verkehrs- und Umweltbereich, in dem mit rund 660 Millionen Euro die größten Einschnitte zu verzeichnen sind. Wie berichtet, wird unter anderem das 29-Euro-Ticket abgeschafft und das Sozialticket von neun auf 19 Euro erhöht. Auch für den Öffentlichen Nahverkehr und zahlreiche Straßensanierungs- und Radwegeprojekte steht weniger Geld zur Verfügung.
Ebenfalls stark betroffen sei die Kultur und die Wissenschaft, räumte Wegner ein. „Wenn man drei Milliarden aus einem Haushalt herausnehmen muss, dann sind das schmerzhafte Einschnitte“, sagte der Regierungschef.
Insgesamt kürzt die schwarz-rote Koalition zwei Milliarden Euro aus dem Haushalt im kommenden Jahr. Eine weitere Milliarde soll durch höhere Einnahmen, insbesondere durch kreditbasierte Finanzierungsmodelle und eine Erhöhung der Zweitwohnsitz- und der Vergnügungssteuer, erreicht werden. Die Konsolidierung ist notwendig, weil die schwarz-rote Koalition Ende 2023 einen Haushalt beschloss, der für das Jahr 2025 rund 42 Milliarden Euro Ausgaben, jedoch nur 39 Milliarden Euro Einnahmen vorsah.
SPD-Fraktionschef Raed Saleh verteidigte dieses Vorgehen, das viel Unsicherheit bei zahlreichen landesfinanzierten Projekten und Institutionen ausgelöst hatte. „Wir haben bewusst entschleunigt“, sagte Saleh am Dienstag. Einsparungen mit der „Brechstange“ bereits während der Haushaltsverhandlungen Dezember 2023 wären nicht vermittelbar gewesen, erklärte Saleh bereits im Juni dieses Jahres.
Bundesweite Herausforderung
Hinter den Kürzungen steht eine finanzpolitische Herausforderung, die nicht nur Berlin, sondern alle anderen Bundesländer und auch den Bund betrifft. Die Finanzhaushalte sind in den vergangenen Jahren unter anderem durch die Corona-Pandemie, die Energiekrise, die Inflation und geringere Steuereinnahmen unter Druck geraten. Da das Ausgabevolumen durch die Schuldenbremse begrenzt ist, können diese nicht in der Größenordnung wie zuvor ansteigen, was de facto zu Kürzungen führt.
„Es braucht einen Mentalitätswechsel, der ist nicht leicht herbeizuführen“, sagte Finanzsenator Stefan Evers (CDU) zu dieser Herausforderung. „Aber wir haben es geschafft.“ Evers lobt wie alle anderen Partei- und Fraktionsspitzen von CDU und SPD die „vertrauensvolle Zusammenarbeit“ in der Koalition.
Zudem betonte Evers, dass es sich bei vielen Etatkürzungen um in den Vorjahren nicht verausgabte Mittel handeln würde – de facto also kein Geld verloren gehe. Als Beispiel nannte er die Mittel für die Verwaltungsdigitalisierung. „Digitalisierung in dieser Stadt wird nicht am fehlenden Geld scheitern“, sagte Evers. Bei vielen Mitteln, die im Haushalt stünden, würde es sich um „Illusionen“ handeln, manche Kürzungen würden jedoch in der Tat einen „Verlust“ bedeuten.
Die geplanten Maßnahmen der Haushaltskonsolidierung sollen in Form eines Nachtragshaushaltes vom Parlament verabschiedet werden, erklärte Evers. Ein Senatsbeschluss ist für den kommenden Dienstag geplant. Die Beratungen im Abgeordnetenhaus könnten demnach am 5. Dezember beginnen. Dass es dabei noch zu größeren Änderungen bei den Kürzungen kommt, gilt als unwahrscheinlich.
Opposition kritisiert Einsparungen deutlich
Die Opposition äußerte am Dienstag scharfe Kritik an den bekannt gewordenen Sparmaßnahmen. „Schwarz-Rot macht Politik gegen die Menschen: Alle, die in Berlin unterwegs sind, werden die Sparbeschlüsse von Schwarz-Rot besonders bitter zu spüren bekommen“, teilten Bettina Jarasch und Werner Graf, Fraktionsvorsitzende der Grünen, mit. Zudem werde das Versprechen der funktionierenden Stadt „leichtfertig aufgegeben“.
Die Fraktionsvorsitzenden der Linken, Anne Helm und Tobias Schulze, sagten: „Mit den beabsichtigten harten Einschnitten bei Kultur und Wissenschaft bedroht die Koalition die Leistungsfähigkeit von wichtigen Ressourcen unserer Stadt und Gesellschaft.“ Kultur und Wissenschaft hätten Berlin nach den Krisen am Anfang des Jahrhunderts zum Anziehungspunkt für viele Menschen gemacht und die „Grundlagen für den wirtschaftlichen Aufschwung Berlins“ gelegt.
Die AfD-Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker sprach von einer Gefährdung der Inneren Sicherheit Berlins. „Dass Gebäude von Polizei und Feuerwehr nicht saniert, dringend benötigte Fahrzeuge nicht angeschafft und Neubauvorhaben auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben werden, ist fatal“, sagte Brinker.
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