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Es ist ein weites Magnetfeld. Das Emsland hatte bereits Anschluss an den Transrapid – wegen einer Teststrecke. 

© imago/Joachim Schulz

Schnell von Berlin nach Hamburg: Vor 25 Jahren sollte der Transrapid gebaut werden

Mit 300 km/h von Berlin nach Hamburg: Vor 25 Jahren wurde der Bau des Transrapids beschlossen. Eine Erinnerung an geplatzte Träume.

Mit Tempo 300 nach Hamburg! Eine Stunde Fahrzeit! Heute vor 25 Jahren, am 2. März 1994, beschloss die Bundesregierung den Bau der Magnetschnellbahn von Berlin nach Hamburg. 14,5 Millionen Passagiere sahen die Planer pro Jahr zwischen beiden Städten hin- und herschweben, also 20 000 pro Tag und Richtung.

Und das trotz horrender Preise, ein Ticket sollte 30 Prozent teurer sein als ein 1.-Klasse-Ticket für den ICE. Diese blühende Fantasie musste sein, um das Projekt schönzurechnen. Die Kosten stiegen immer schneller, der Traum vom Schweben zerplatzte fünf Jahre nach dem Beschluss der damaligen CDU/FDP-Regierungskoalition.

Sechs Milliarden Euro „für 20 Minuten Fahrzeitgewinn“, rechnete Bahn-Chef Mehdorn vor

Anfang 2000 verkündete der frisch ernannte Bahn-Chef Hartmut Mehdorn das Aus. Der Transrapid sei ein „betriebswirtschaftlicher Mühlstein“, den er sich nicht „an den Hals hängen“ werde. Mehdorns Rechnung sah so aus: Sechs Milliarden Euro „für 20 Minuten Fahrzeitgewinn“, das geht nicht. Die Notbremse kam spät, aber sie kam – zum Glück.

Was sind in den Jahren davor nicht alles für Pläne geschmiedet worden von Industrie und Politik, damit das „Made in Germany“-Prestigeobjekt irgendwo fahren kann. 1989 sollte der Transrapid von Düsseldorf nach Köln schweben, so lautete der Beschluss von Kanzler Kohl. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits 1,4 Milliarden Mark Steuergeld in das Projekt investiert worden.

Dann kam die Wiedervereinigung, Berlin rückte plötzlich in den Blick. Eine Stunde Schweben, das war für die West-Berliner, die auf schiefen DDR-Gleisen in Interzonenzügen nach West-Deutschland gerumpelt waren, natürlich eine Offenbarung.

1992 wurde der Transrapid Hamburg–Berlin in den Bundesverkehrswegeplan aufgenommen. Die Entscheidung pro Transrapid war gleichzeitig eine kontra Eisenbahn – was damals verschwiegen wurde. Die Bundesbahn beschränkte den Ausbau ihrer Strecke Berlin–Hamburg auf Tempo 160. Das kam viel billiger als die damals üblichen 200, weil ab 160 km/h alle Bahnübergänge beseitigt werden müssen.

Bahnhöfe in Westkreuz, Spandau, Hauptbahnhof ...

Zu dieser Zeit war noch nicht mal klar, wo der Transrapid starten sollte. Ursprünglich sollte er in Spandau losschweben, dann Westkreuz und schließlich im noch nicht gebauten Hauptbahnhof. Ganz Visionäre sahen die Züge auch an den Flughäfen Sperenberg oder Leipzig halten. Noch hielt die Begeisterung an. Der Tagesspiegel meldete im Oktober 1998: „Die Planungen für den Bau der Magnetschnellbahn laufen auf vollen Touren. Bis zum Jahresende sollen alle 20 Planfeststellungsverfahren für die 292 Kilometer lange Strecke eingeleitet sein.“

Doch die Kosten stiegen immer schneller, immer höher. Aus 4,5 Milliarden Euro 1993 wurden 7,5 Milliarden, unabhängige Gutachter nannten zehn Milliarden. Viel Geld für eine Referenzstrecke, damit die Industrie ihr Produkt verkaufen kann. Mit heute lustig anmutenden Versprechungen wurden Brandenburger Politiker gelockt: Im November 1997 teilte der Sprecher der „Magnetschnellbahn-Planungsgesellschaft“ (MPG) mit, dass bereits Anfang 1999 Baubeginn zwischen den Haltepunkten Schwerin und Perleberg sei.

Zwischen Arcaden und Bahnhof sollte der Transrapid fahren. Deshalb gibt es dort eine Lücke. Dort könnte ein neuer Bahnsteig entstehen. Das Foto entstand auf dem Rathausturm.
Zwischen Arcaden und Bahnhof sollte der Transrapid fahren. Deshalb gibt es dort eine Lücke. Dort könnte ein neuer Bahnsteig entstehen. Das Foto entstand auf dem Rathausturm.

© André Görke

Zwischen diesen beiden Städten könne die Magnetschwebebahn ab 2002 versuchsweise fahren – und 90 Arbeitsplätze im Transrapid-Werk Perleberg sichern. 1998 trat die rot-grüne Bundesregierung an. Sie hatte sich im Koalitionsvertrag geeinigt, die Magnetschnellbahn nur zu bauen, wenn sich die Kosten für den Bund nicht erhöhen.

Der ICE fährt heute übrigens in 90 Minuten nach Hamburg – mit Tempo 230

In dem bereits zitierten Tagesspiegel-Artikel von Oktober 1998 kam auch der grüne Verkehrsexperte Michael Cramer zu Wort. Mit dieser Koalitionsvereinbarung, sagte der Politiker, sei die Schwebebahn „faktisch tot“. 14 Monate später beerdigte dann auch Mehdorn die Transrapidstrecke nach Hamburg.

Von diesen Plänen blieb eine bis heute frei gehaltene Trasse zwischen dem Bahnhof Spandau und dem Einkaufszentrum. Hier soll in den kommenden Jahren der zu klein geratene Bahnhof Spandau erweitert werden. Der ICE fährt heute übrigens in 90 Minuten nach Hamburg – mit Tempo 230.

Viele, viele weitere Transrapid- Träume wurden nach 2000 noch gesponnen, ob nach Moskau, auf Teneriffa, nach Schönefeld, in Bayern oder in NRW. 2006 endete der Mythos Transrapid abrupt – beim Unfall eines Testzuges starben 23 Menschen.

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Eckardt Rohkamm, Vorstandschef des Transrapid-Herstellers Thyssen (l.), und Bundesverkehrsminister Wissmann (CDU), 1996.
Eckardt Rohkamm, Vorstandschef des Transrapid-Herstellers Thyssen (l.), und Bundesverkehrsminister Wissmann (CDU), 1996.

© imago/photothek

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