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Die Philologische Bibliothek der Freien Universität Berlin. Auf dem Uni-Campus soll ein Mann Frauen belästigt haben. (Symbolbild)

© imago/Reiner Zensen

Update

Sexuelle Belästigung an Freier Universität: Berliner Polizei wirft Asta vor, Täter zu schützen – Kritik auch vom Senat

An der Freien Universität soll ein Mann Frauen belästigen. Der Studierendenausschuss warnt Betroffene davor, die Polizei einzuschalten – diese widerspricht.

Stand:

Die Berliner Polizei wirft dem Studierendenausschuss der Freien Universität (Asta) vor, Täter:innen statt Opfer sexueller Belästigung zu schützen. Auch Innensenatorin Iris Spranger (SPD) übte deutliche Kritik. Zuvor hatte der Asta in einem Rundschreiben an Studierende auf einen Mann hingewiesen, der schon mehrfach Frauen auf dem Campus verbal belästigt haben soll. Allerdings riet der Asta davon ab, die Polizei zu informieren, weil diese die Situation unnötig eskalieren könne.

Der Mann hat mittlerweile auf dem Campus Hausverbot, wie das Uni-Präsidium dem Tagesspiegel bestätigte. Der Asta empfahl Menschen, denen der Mann begegnet, diesen wegzuschicken und dabei auf das Hausverbot zu verweisen. Auch an die uniinterne Security oder den sozialpsychiatrischen Dienst könnten Betroffene sich wenden. Der Mann soll sich aus Sicht des Astas häufig in einem „psychischen Ausnahmezustand“ befinden.

Es sei „natürlich in eurem Ermessen“, ob die Polizei hinzugezogen werde, schrieb der Asta weiter an die Studierenden. „Wir möchten jedoch unbedingt darauf hinweisen, dass Polizeieinsätze für von Rassismus betroffene Menschen grundsätzlich mit einem erhöhten Risiko einhergehen, Polizeigewalt zu erfahren.“

Polizei reagiert auf Asta-Warnung

Damit will der Asta Betroffene offenbar davor warnen, dass die Polizei die Opfer selbst drangsalieren könnte. Der mutmaßliche Täter, ein weißer Deutscher, ist selbst nicht von Rassismus betroffen. Das stellte der Asta auch in einem Statement klar.

Das Ohnmachtsgefühl und die Hilflosigkeit, die im Erleben der Straftat entsteht, können sich verfestigen.

Beate Ostertag, Sprecherin der Berliner Polizei

Aus Sicht von Polizeisprecherin Beate Ostertag gefährdet der Asta mit diesem Hinweis die Studierenden. „Wer in Gefahr ist, Opfer einer Straftat wurde oder die Notsituation einer anderen Person wahrnimmt, sollte sich immer an die Polizei Berlin als zuständige Behörde wenden und den Sachverhalt anzeigen“, sagte sie dem Tagesspiegel. Wer in Gefahr sei, solle in jedem Fall die Notrufnummer 110 wählen.

Auch eine Beleidigung auf sexueller Grundlage sei eine Straftat, stellte sie klar. „Opfern hier von Strafanzeigen abzuraten, ist aus Sicht der Polizei ein Verhalten, das potenzielle Täterinnen und Täter schützt und die Gefahr birgt, langwierige Folgen für die Psyche der oder des Betroffenen dieser Straftaten zu haben.“ Dadurch könne sich das „Ohnmachtsgefühl und die Hilflosigkeit, die im Erleben der Straftat entsteht“, verfestigen, sagte Ostertag weiter.

Zudem seien ohne Strafanzeigen oder anderweitige Hinweise auch keine Strafverfolgung oder die Einleitung präventiver Maßnahmen möglich. „Potenzielle weitere Opfer können somit nicht vor sexuellen Übergriffen des Täters geschützt werden“, sagte Ostertag.

Die Beauftragte für Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit der Berliner Polizei habe bereits die FU kontaktiert und ein Gespräch über die Vorfälle und das Rundschreiben angeboten. Zudem tausche sich der zuständige Polizeiabschnitt mit der Universitätsleitung eng aus.

Innensenatorin Spranger warf dem Asta Unkenntnis über die Polizei vor. „Ich kann nur empfehlen, sich mit der Polizei Berlin ernsthaft, gerne auch kritisch, auseinanderzusetzen, bevor man sich zu so grotesken, fehlgeleiteten Aussagen hinreißen lässt“, sagte Spranger. „Der Hinweis, sich nicht an die Polizei zu wenden, ist unverantwortlich und gefährlich. Gerade in Notsituationen zählt jede Sekunde.“ Das beziehe sich sowohl auf die Abwehr der akuten Gefahr, als auch die notwendigen Ermittlungen und vor allem die professionelle Betreuung von Opfern sexualisierter Gewalt.

Auch ohne akute Notsituation bleibe die Asta-Aussage unverantwortlich, sagte Spranger. „Denn erst mit dem Wissen um solche Straftaten kann die Polizei auch weitergehende Maßnahmen zum Schutz vor künftigen Übergriffen treffen“, erklärte sie. „Diese beginnen bei Gefährderansprachen, gehen über die psychologische Betreuung des Täters bis hin zu dessen Festnahme und einem möglichen Haftbefehl.“ Sie bezweifle, dass ein Hausdienst besser im Umgang mit Menschen in psychischen Ausnahmesituationen geschult ist als die Polizei Berlin.

Auch Wissenschaftssenatorin Ulrike Gote (Grüne) kritisierte den Asta. „Dort, wo Vorfälle passieren, muss alles getan werden, um so etwas künftig zu verhindern“, sagte sie am Montag im Wissenschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses. „Wir sollten alles, was der Rechtsstaat bietet, nutzen. Wir müssen Frauen ermutigen, in solchen Fällen selbstverständlich die Polizei zu informieren, aber auch Übergriffe zur Anzeige zu bringen – gleichwohl stehen dabei aber immer der Wille und das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen an oberster Stelle.“ Berlins Hochschulen müssten sichere Orte für Frauen sein. „Alle Instrumente müssen da greifen“, sagte Gote.

Wer Opfern sexueller Gewalt rät, sich nicht an die Polizei zu wenden, setzt Frauen durch Falschberatung zukünftigen Übergriffen aus.

Stephan Weh, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei

Massive Kritik von den Gewerkschaften

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) zeigt sich schockiert von der Empfehlung des Asta. Derart „polizeifeindliche Zeilen von einer solchen Institution“ hätte sie nicht erwartet, sagte GdP-Landeschef Stephan Weh. „Eine solche Darstellung über die Arbeit der Berliner Polizei entbehrt jeglicher Grundlage und offenbart ein eigenartiges Demokratieverständnis“, erklärte Weh. „Wer Opfern sexueller Gewalt rät, sich nicht an die Polizei zu wenden, vereitelt die Verfolgung von Straftaten, macht sich zum Mittäter und setzt Frauen durch Falschberatung zukünftigen Übergriffen aus.“

Die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) erklärte: „Sexuelle Belästigung ist eine Straftat, egal, wer sie wo begeht! Hier ist die Polizei zuständig. Wer Täter mehr schützt als Opfer, dreht Ursache und Wirkung um.“

Auch die Universität hatte zuvor dem Asta widersprochen und dazu aufgerufen, die Polizei zu informieren. „Mitglieder und Gäste der Freien Universität sollten, wenn Gefahr in Verzug ist oder sie oder andere Personen in eine Notsituation geraten, den Notruf der Polizei wählen“, schrieb die Pressestelle.

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