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„Wie sehe ich eigentlich aus? Wie auf einer Beerdigung!“ Torsten Rohde hat die Twitter-Omi Renate Bergmann erfunden.

© Mike Wolff

Stadtspaziergang mit Torsten Rohde: Die Oma? Der Oma!

Zehntausende Fans bei Twitter und Facebook, ihre Herkunft: Spandau. Ein Rentner-Spaziergang mit Renate Bergmann, 82, durch die Altstadt. Oder besser: mit Torsten Rohde.

Na Mensch, das geht ja gut los. Renate Bergmann, 82, blinzelt in die Sonne, die Augen tränen („Haselnusspollen!“), die Handtasche stört. Und sowieso: „Wie sehe ich eigentlich aus? Wie auf einer Beerdigung!“ Aber da muss Renate Bergmann jetzt in der dunklen Jacke durch. Klick-klick-klick, und dann ist das Foto vor der Nikolaikirche ist fertig. Los geht’s zum Senioren-Bummel durch die Altstadt Spandau. Da spielt nämlich ihre Geschichte. Oder besser: seine.

1. Spaziergangsstopp – Ein Plausch am Marktplatz

Blumen, Brot, Gemüse. Die ersten Marktstände sind aufgebaut, der Frühling ist da. „Ich habe mich eben an die Fischtheke gestellt und gelauscht, was die Leute so erzählen“, sagt Torsten Rohde, 44. „Das ist beste Inspiration.“ Rohde ist der wichtigste Mann hinter „Renate Bergmann“ – er ist Renate Bergmann. Der Autor schreibt nämlich diese Bücher voller Omi-Weisheiten. Elf Stück sind es bereits, stets „Spiegel“-Bestseller-Liste, das ganz neue Buch heißt: „Das Dach muss vor dem Winter drauf. Die Online-Omi baut ein Haus.“ Renate Bergmann ist ein Internetphänomen. Fans bei Facebook: 47.000. Fans bei Twitter: 52.000. Menschen, die Torsten Rohde in der Altstadt Spandau erkennen: 0. „Wenn ich auf dem Dorf eine Lesung habe, ist das anders, da freuen sich die Leute ein halbes Jahr drauf und bringen sogar Geschenke mit“, erzählt Rohde. „Da habe ich sogar einen Fanclub.“ Lust auf ein Käffchen?

2. Spaziergangsstopp – Café Fester, ein Klassiker

Renate Bergmann, so steht es in den Büchern, wohnt irgendwo in Spandau. Stadtrand, Neubaublock – das grüne Umland liegt ums Eck. Klingt nach Staaken und Heerstraße-Nord, oder? Vielleicht. So genau wird das nicht erzählt, es bleibt Fiktion, auch wenn Leser das nicht immer auseinanderhalten und böse werden („Da gibt es aber keine S-Bahn!!!“). Der Name Spandau ist auch gar nicht wichtig: „Einen Dorfplatz, einen Markt, einen Waldfriedhof hat jede Gemeinde“, sagt Rohde. Deshalb funktioniert das Buch auch überall. Kopfkino mit Oma.

Torsten Rohde ist ein herrlich unaufgeregter Typ. Logo, er kommt ja auch aus einer der unaufgeregtesten Ecke des Landes: zwischen Brandenburg und Magdeburg. Heute wohnt er im bürgerlichen Friedenau. In Spandau setzt er sich gern in die „Konditorei Fester“ am Markt: Super Torten haben die dort, starken Kaffee, Oma-Ambiente, ein Klassiker seit 1928. „Ich setze mich mit Laptop ins Café, höre zu und gucke“, sagt Rohde.

„Da wäre Renate nicht anders. Die löffelt höchstens mal die Herren am Nachbartisch an und gibt ihren Senf dazu.“ 2000 Wörter schreibt Rohde jeden Tag: „Das muss nicht genial sein, aber der Gedanke muss raus.“ Die nächsten 200 Seiten sind im Sommer fertig: das nächste Buch. Eine neue, alte Frau wird dabei sein, verrät er, mit einem speziellen Charakter – eher so Etepete und Schickimicki. „Renate steht ja sonst nicht so auf piekfeine Cafés.“ Das zwölfte Buch kommt im Herbst raus. Der Abreißkalender 2020 mit Weisheiten ist auch schon fertig.

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3. Spaziergangsstopp – Gibt’s hier die Apotheken-Umschau?

Ding, Dong! Willkommen in der ältesten Apotheke Berlins. Die befindet sich schräg gegenüber am Marktplatz. „Privilegierte Adler-Apotheke“ heißt die, ist 400 Jahre alt, ein Gedenkschild hängt an der Fassade. Der Chef reicht eine „Apotheken-Umschau“ über den Tresen. Rohde blättert darin und steckt die Umschau in die Tasche: Viel zu teure Salben fürs Kniegelenk? Steile Esoterik-Tipps? „Typische Bergmann-Themen“, erzählt Rohde.

„Wir wollten in der Apotheken-Umschau sogar mal werben. War aber nicht bezahlbar.“ Rohde macht das anders, er lässt quasi werben. Er erzählt Mini-Episoden im sozialen Netz, die Fans dann immer weiter mit Freude teilen. Zum Beispiel diesen Spruch: „Bevor ich zu Bett gehe, hänge ich immer noch die Bilder meiner verstorbenen Männer ab. Es wäre mit unangenehm, würde die mich ohne Zähne sehen.“ Ach ja, so ist sie, die Oma.

4. Spaziergangsstopp – Enten füttern an der Havel

Neben der Altstadt liegt die Havel, echt hübsch hier. Rohde schlendert am Ufer entlang, lehnt sich ans Geländer und macht gleich mal ein Späßchen. „Soll ich ‚My heart will go on singen’?“ Eine Reise wäre auch mal wieder schön – man muss ja nicht gleich auf einem Kreuzfahrtschiff im Meer absaufen. Urlaub hat Rohde schon seit Jahren nicht mehr gemacht, selbst bei den Kurztrips in London und New York habe er brav getwittert.

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Wann ist eigentlich mal Feierabend? „Gar nicht. Die Leser stehen mit mir auf um sechs Uhr morgens auf und gehen auf der Couch mit mir schlafen. Ich muss immer was geben, sonst können manche nicht schlafen.“ Rohde lacht. Kleine Tweets senden, immer im Gespräch bleiben – bis zum nächsten Buch. Und damit keiner das falsch versteht: Spaß macht das alles sogar auch noch meistens. Zuhause schimpft allerdings die Familie, er solle doch mal bitteschön das Handy weglegen. Aber wo wird das eigentlich nicht gesagt im Jahr 2019?

5. Spaziergangsstopp – Kakao bei Karstadt-Besuch

Zurück in die Fußgängerzone, rein zu „Karstadt“. Das Kaufhaus ist eine stolze Trutzburg in der Altstadt. Gefühlt sah das Haus schon immer so aus in den letzten 50 Jahren, aber Renate Bergmann altert ja auch nicht – die bleibt immer 82. Nur eins hat Rohde mal verändert. „Am Anfang hat sie Volksmusik gehört. Das habe ich gestrichen, das machen ja auch die Alten kaum noch. Jetzt hört Renate Helene Fischer.“ Ganz oben mit Blick auf die Altstadt: das Karstadt-Restaurant.

Rohde will keinen Kuchen, er will eh abspecken („habe nach einer Bänderverletzung zugenommen“), aber auf einen Kakao hat er schon Lust. Ist Renate Bergmann nur komisch? „Ich halte Renate unpolitisch“, sagt Rohde, „aber gegen Pegida, AfD, gegen rechte Tendenzen spricht sie sich schon klar aus. Da geht es mir um Haltung. Ich sage immer vor einer Wahl: Gehen Sie wählen, aber passen Sie auf, was sie wählen.“ Renate ist vielleicht tüdelig, aber die Frau ist nicht doof.

Das Handy hatte Torsten Rohde beim Spaziergang durch die Altstadt übrigens nicht einmal in der Hand.

Renate Bergmann, Rororo, „Die Online Omi baut ein Haus“, 2019, 10 Euro

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Autor André Görke schreibt auch den Spandau-Newsletter für den Tagesspiegel. Darin erzählt Renate Bergmann, dass Sie gerne mal in Spandau auftreten würde - ausgerechnet dort war sie noch nie. Hier ist der Text. Und auch die Chefin des Kulturhauses antwortet auf die Frage, ob Renate Bergmann dort nicht mal auftreten könnte - hier ist der Text. Den Spandau-Newsletter vom Tagesspiegel können Sie kostenlos bestellen unter https://leute.tagesspiegel.de

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