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Stephanie Otto ist seit 2019 Vorstandsvorsitzende der Berliner Stadtreinigung (BSR).

© Gestaltung: Tagesspiegel/BSR / Amin Akhta

Stephanie Ottos Vision für Berlin 2030: „Ob in Berlin überhaupt noch gekehrt und gefegt werden muss?“

Eine Stadt, in der kaum Abfall produziert wird, eine Kreislaufwirtschaft funktioniert und Secondhand der Standard ist. Dafür braucht es nur mehr Eigenverantwortung und härtere Strafen, denkt die BSR-Chefin.

Stephanie Otto
Ein Gastbeitrag von Stephanie Otto

Stand:

Meine Vision beginnt in einem lichtdurchfluteten Pavillon auf der Expo 2030 im saudi-arabischen Riad. Hier versammeln sich Berliner:innen zusammen mit Gästen aus aller Welt. Die Frage, die alle beschäftigt: Wie hat Berlin es geschafft, den Streit um Müll und Reinigung hinter sich zu lassen und stattdessen eine Stadt zu werden, die kaum noch Abfall produziert? Ein kurzer Film zeigt lebendige Plätze, grüne Straßen und Menschen, die gemeinsam anpacken, gebrauchte Dinge tauschen und Defektes reparieren. Überquellende Mülleimer und achtlos weggeworfene Verpackungen gehören der Vergangenheit an.

In der Expo-Diskussionsrunde lautet eine der ersten Fragen, ob in Berlin überhaupt noch gekehrt und gefegt werden muss. Natürlich gebe es immer noch die Reinigung per Hand und maschinell während der unterschiedlichen Jahreszeiten sowie im Winterdienst, wird von den BSR-Vertreter:innen erklärt, aber man müsse deutlich weniger Zeit und Geld darauf verwenden. Damit ergebe sich die Chance, Berlin noch lebenswerter zu machen.

Wie hat Berlin das geschafft?

Ein sauberes Berlin entsteht nicht allein durch regelmäßige Reinigung. Es braucht vielmehr eine gemeinsame Haltung und ein gemeinsames Verantwortungsgefühl für den öffentlichen Raum – davon bin ich überzeugt.

Die BSR sorgt bereits heute mit modernen Konzepten dafür, dass Abfälle schnell und effizient beseitigt werden. Doch das schönste Stadtbild schaffen wir gemeinsam, wenn Müll gar nicht erst entsteht. Wie schaffen wir das? Indem wir Verpackungsmüll reduzieren und nicht achtlos fallen lassen, illegale Ablagerungen zu unterlassen und stattdessen für Aussortiertes die Recyclinghöfe oder unser Angebot „Kieztage“ mit den Bezirken zu nutzen. Auch müssen wir Orte schaffen, die zum sorgfältigen Umgang mit Ressourcen anregen und Aufklärungsarbeit leisten. Hierfür brauchen wir alle Berliner:innen – dabei können und müssen alle mitmachen.

Ein Beispiel für diesen Bewusstseinswandel sind Kinder, die an ihrem Geburtstag anstelle klassischer Feierlichkeiten, wie einen Besuch im Freizeitpark oder Shopping mit Freund:innen, eine „Kehrenbürger“-Aktion planen. Im Park Müll sammeln, ausgerüstet von der BSR. Für sie wird es normal und sie wachsen damit auf, Verantwortung für ihre Stadt zu übernehmen.

Sauberkeit ist im Berlin 2030 kein Verwaltungsproblem mehr und bedeutet mehr als kehren und entsorgen: Sie ist Teil eines gemeinschaftlichen Verständnisses für unser Berlin. Städte wie Kopenhagen oder Calgary machen vor, dass ein bewussterer Umgang mit der Ressource Abfall nicht nur das Stadtbild verbessert, sondern auch das Miteinander stärkt, weil sich die soziale Teilhabe am öffentlichen Raum dadurch für alle erweitert.

Diese Veränderungen geschehen nicht über Nacht. Dafür benötigen wir neben den Angeboten der BSR auch mehr Motivation bei den Bürger:innen und gleichzeitig mehr konsequente Maßnahmen gegen umweltgefährdende Entsorgung auf der Straße sowie das achtlose Wegwerfen von Müll. Pfandsysteme mit einfacher Rückgabe und Einwegverpackungen, die teurer sind als Mehrweg, sind Beispiele für motivierende Maßnahmen zusammen mit Informationen und Aufklärung, die Verhalten langfristig ändern können.

Illegale Ablagerungen von Müll und notorische Umweltvergehen müssen aber auch konsequenter bestraft werden, gerade da, wo sie regelmäßig geschehen. Die Ordnungsämter müssen ihre Kontrollen auch auf vermeintlich kleine Delikte ausweiten – eine weggeschnipste Zigarette oder liegengelassener Hundekot sind mehr als nur ein Ärgernis, es ist der Eindruck von der Sauberkeit des Umfelds und eine Missachtung des gesellschaftlichen Wirs. Für diese Maßnahmen braucht es mehr Personal bei den Berliner Bezirken.

Berlin ist nicht nur Heimat von rund 3,7 Millionen Menschen, sondern jedes Jahr auch Ziel von Millionen Besucher:innen. Wie wäre es, wenn wir auch in Berlin gemeinsam zeigen, wie eine moderne Metropole Abfall vermeidet und Ressourcen schont, zum Wohl von Bewohner:innen und Gäst:innen?

Klimaschutz durch kluge Ressourcen-Nutzung  

Ein Berlin 2030 hat nicht nur seine Stadtsauberkeit verbessert; es hat eine funktionierende Kreislaufwirtschaft geschaffen, die als Vorbild gilt. Von der Wiederverwendung bis zur klimafreundlichen Energiegewinnung: Mit der „NochMall“, Berlins erstem Gebrauchtwarenkaufhaus, oder dem Reparaturnetzwerk „repami“ macht die BSR schon heute Nachhaltigkeit für alle erlebbar.

Diese Angebote zeigen, dass viele Dinge ein zweites Leben bekommen und durch viele Hände gehen können, bevor sie tatsächlich zu Abfall werden – ein Impuls, der Ressourcen schont und weit über die Stadtgrenzen hinauswirkt. Im Jahr 2030 ist Secondhand der Standard und das Bewusstsein für gebrauchte statt neue Dinge ist in der Breite der Gesellschaft verankert.

Null Verschwendung ist hier der Schlüsselbegriff: Unsere gemeinsam mit dem Senat gegründete Zero-Waste-Agentur ist angetreten, Berlin zur Nullverschwendungshauptstadt zu machen. Die ersten Schritte sind gemacht, die Zero-Waste-Agentur ist DAS Gesicht der Zero-Waste-Bewegung in Berlin und setzt sich dafür ein, Abfall zu reduzieren und die Kreislaufwirtschaft zu transformieren. Sie bringt Menschen und Ideen zusammen. Das Ziel für 2030: Abfallvermeidung wird in Berlin zur Normalität.

Berlin als Vorbild für nachhaltige Kreislaufwirtschaft

Berlin soll bis 2045 klimaneutral werden. Das ist eine große, gemeinschaftliche Aufgabe, zu der auch die BSR ihren Beitrag leistet.

Bei den Bioabfällen schließen wir bereits heute ganze Kreisläufe: Unsere Biogasanlage in Ruhleben gewinnt aus organischen Abfällen Energie, die direkt für die BSR-Fahrzeugflotte genutzt wird – eine echte Kreislaufwirtschaft, die jährlich 2,5 Millionen Liter Diesel auf dem Weg zur nächsten Biotonne einspart. Der Berliner Biomüll wird aber auch zu Kompost für schöne Blumen auf dem Balkon oder im Garten.

Unser Vorangehen zeigt sich auch bei den BSR-Fahrzeugen: 30 Prozent sind bereits heute elektrisch oder mit Wasserstoff unterwegs, bis 2030 wird es die Hälfte sein. Gleichzeitig profitiert auch die Berliner Fernwärme: Die BSR liefert schon jetzt Wärme für rund 100.000 Haushalte. Ein Anteil, den wir bis 2030 weiter steigern, wenn wir konsequent auf nachhaltige Reststoffnutzung setzen.

Berlin 2030: Eine Stadt, die inspiriert

Zurück in den Berlin-Pavillon auf der Expo 2030 in Riad: In meiner Zusammenfassung der Paneldiskussion komme ich zu dem Schluss, dass eine saubere Stadt nicht nur eine Frage professioneller Reinigung ist, sondern vielmehr das Ergebnis eines ganzheitlichen Ansatzes: einer gelebten Circular Economy und eines starken Miteinanders.

Echte Veränderung gelingt nur gemeinsam. Wir bei der BSR sind stolz darauf, Teil dieses Wandels unserer Stadt Berlin zu sein – zusammen mit Kehrenbürger:innen, den Berliner:innen, den Bezirken und allen, die unsere Stadt lebenswerter machen.

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