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Eine schaut, eine andere schaut zurück. 2012 waren diese Fotos von Alfred Banze in der U-Bahnstation Tempelhof zu sehen: Sie zeigten gelangweilte Reisende in der chinesischen Stadt Guangzhou beim Warten auf den Zug.

© Promo

Berliner Untergrund: Strecke der U5 wird ab Herbst zur Kunstlinie

Erstmals rückt eine einzelne U-Bahnlinie in den Mittelpunkt des Wettbewerbs "Kunst im Untergrund". Denn Gentrifizierung findet nicht nur in Kreuzberg, sondern auch am Berliner Stadtrand statt.

Seit 1930 fahren die Züge der U-Bahnlinie 5 von Alexanderplatz in Richtung Osten. Heute hält die Linie an 20 Stationen und endet auch in Hönow – an der Grenze zu Brandenburg. Ist hier Kunst zu finden? Die „neue Gesellschaft für Bildende Kunst“ hat genau diese Frage in einem internationalen Wettbewerb gestellt. „Was ist draußen?“ ist eine Ausschreibung, die künstlerische Projekte auf den Bahnhöfen zwischen Tierpark und Hönow verwirklichen will.

Es ist nicht das erste Mal, dass der Wettbewerb „Kunst im Untergrund“ die U-Bahnhöfe der Stadt mit den Arbeiten zeitgenössischer Künstler dekoriert. Bereits zu DDR-Zeiten wurde der Bahnhof Alexanderplatz künstlerisch gestaltet, heute sind Kunstwerke in Bahnhöfen der gesamten Stadt zu sehen. Meist sind es Fotografien, die anstelle der gewöhnlichen, großformatigen Plakatwerbung hinter den vorbeirauschenden Zügen in den U-Bahnhöfen hängen. Informationen zum Werktitel und zum Künstler sind an den Infohäuschen der Bahnhöfe versteckt, so dass die Werke häufig erst auf den zweiten Blick als Kunst erkennbar sind.

So waren 2012 die irritierenden Fotografien von Alfred Banze im U-Bahnhof Tempelhof zu sehen: Sie zeigten gelangweilte Reisende in der chinesischen Stadt Guangzhou beim Warten auf die U-Bahn, und der Berliner Fahrgast fühlte sich merkwürdig ertappt. Nicht jeder bemerkt, dass er keine Werbung vor sich hat – es handelt sich eben nicht nur um Kunst im Untergrund, sondern auch um Untergrund-Kunst. Äußerst intim und etwas auffälliger waren die abfotografierten Tagebuchseiten der Künstlerin Carla Åhlander, die im vergangenen Jahr auf dem Bahnhof Schwartzkopffstraße zu sehen waren. Sie stammten alle von Personen, die im Umkreis des Bahnhofs lebten und der Künstlerin ihre intimen Notizen zur Verfügung gestellt hatten. Sie waren nicht nur Zeugnis individueller Biografien, sondern bildeten ebenso kollektive Erfahrungen etwa aus der Nachkriegszeit ab.

Auch Hellersdorf erlebt sozialen Wandel

Ausgerichtet wird der Wettbewerb vom Kunstverein „nGbK“ – neue Gesellschaft für bildende Kunst –, der die interessantesten Einreichungen für ein Jahr in den U-Bahnhöfen aushängt. Der Kreuzberger Verein zeigt normalerweise in seinem Ausstellungsraum in der Oranienstraße zeitgenössische Kunst, vor allem zu sozialpolitischen Themen. Daneben beschäftigt er sich jedoch mit der Kulturvermittlung im öffentlichen Raum und präsentiert auf verschiedenen Berliner U-Bahnhöfen Kunstwerke. Dafür kooperiert der Verein mit der BVG und der Wall AG.

In diesem Jahr hat der Wettbewerb Gentrifizierung zum Thema und stellt dabei anders als bisher eine einzelne U-Bahnlinie in den Mittelpunkt. Die Initiatoren wollen darauf aufmerksam machen, dass durch Bevölkerungswachstum, steigende Immobilienwerte und Veränderungen des sozialen Umfelds viele Berliner an den Stadtrand gedrängt werden. Die künstlerischen Projekte, die an den U-Bahnhöfen der Linie 5 realisiert werden, verlagern das kreative Zentrum in dieses „Draußen“. Der Verein weist mit dem vom Senat finanzierten Projekt darauf hin, dass nicht nur das Kottbusser Tor in Kreuzberg, sondern auch der Cottbusser Platz in Hellersdorf von sozialem Wandel geprägt wird. Im Bezirk Marzahn-Hellersdorf entstehen Neubausiedlungen, Businessparks und Shoppingcenter.

Am nächsten Freitag, 15. August, ab 19.30 Uhr sind noch einmal alle eingereichten Projekte in der eigens für den diesjährigen Wettbewerb eingerichteten „Station urbaner Kulturen“ am U-Bahnhof Kaulsdorf-Nord ausgestellt. Ergänzt wird das Programm durch Kurzfilme zum Thema. Die zehn spannendsten Kunstprojekte werden dann ab Ende September die Bahnhöfe der U5 gestalten. Ein Ausflug dürfte sich lohnen – und spätestens mit der Erweiterung der U-Bahnlinie 5 über das Rote Rathaus und den Bundestag ist der Weg auch in das politische Zentrum der Stadt nicht mehr weit.

Das Projekt im Netz unter www.kunst-im-untergrund.de

Jana Scholz

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