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Eine nicht geleerte Mülltonne mit Hausmüll.

© dpa/Sebastian Gollnow

Streik der Berliner Stadtreinigung: Volle Tonnen, verdreckte Parks – die Müllwerker haben uns in der Hand

Die Brücken in der Stadt bröckeln, die Busse und Bahnen nerven – und nun streikt auch noch die Müllabfuhr. Je mehr Entsorgungsaufgaben an die BSR gehen, desto größer wird das Druckpotenzial.

Bernd Matthies
Eine Glosse von Bernd Matthies

Stand:

Es wird Frühling, die Knospen sprießen, und man möchte Berlin mal wieder, Entschuldigung, in die Tonne treten – nur, dass die Tonnen gerade nicht abgeholt werden. Dazu bröckeln die Brücken, die Busse und Bahnen nerven, alles wird angefangen, nichts wird fertig. Und der ganze Senat scheint, den Finanzsenator mal ausgenommen, in eine Art Bummelstreik getreten zu sein, denn wer nichts macht, der macht angeblich nichts falsch.

Doch das ist Unsinn. Denn wenn alle nichts machen, dann ist Streik, und das ist falsch, wenn eine ganze Stadt gelähmt wird. Erst war was mit der Post, dann ruhte die BVG noch mehr als üblich, dann mussten unzählige Reisende ihre Flugpläne beerdigen, aktuell zeigen uns die Müllmänner die Folterwerkzeuge vor. Alle wollen ihr Stück vom nicht vorhandenen Kuchen, das ist gutes demokratisches Recht, auch wenn die Forderungen jenseits aller Vernunft liegen und es sich um absolut sichere Arbeitsplätze handelt.

Egal. Der Müll also. Es müffelt schon seit Tagen aus eklig überfüllten Abfallbehältern, die Recyclinghöfe sind dicht, nun bleiben auch die Tonnen auf dem Hof stehen. Je mehr Entsorgungsaufgaben an die BSR gehen, desto größer wird das Druckpotenzial. Das ist eine einfache Rechnung, in jedem Park zu besichtigen.

Die Ratten, Füchse und Krähen freuen sich über den reich bestückten Speiseplan, und draußen im Land höhnen sie mal wieder über das dysfunktionale Berlin. Als ich aus ähnlichem Anlass hier vor ein paar Jahren den drastisch gemeinten Vergleich mit Kalkutta gezogen habe, kam sofort Expertenprotest: Ob ich in letzter Zeit mal in Kalkutta gewesen wäre?

So sieht´s also aus. Kreative Gegenmaßnahmen sind rar. Ja, wir können unseren Sperrmüll, die Gartenabfälle und Pappkartons nach Brandenburg fahren, wo sie sich sicher mächtig drüber freuen werden. Aber im Ernst: Müll lässt sich, Achtung, weitgehend vermeiden, wenn man nicht so viel verpacktes Zeug kauft, nicht mehr kocht, als man essen will, und die Kellerentrümpelung verschiebt. Vielleicht wäre das ein Grund, den Kaffee einfach an Ort und Stelle zu trinken, statt mit Handy links und Pappbecher rechts durch die Gegend zu irren? Und diese Praxis dann auch gleich beizubehalten?

Vor ein paar Jahren verglich unser Autor Bernd Matthies Berlin aus ähnlichem Anlass mit der indischen Stadt Kalkutta. Protest folgte sofort. Ob er kürzlich mal in dort gewesen sei, fragten Experten.

© IMAGO/Depositphotos

Übrigens, liebe Hundehalter: Niemand verbietet euch, die gefüllten Kotbeutel mit nach Hause zu nehmen und dort irgendwo zu lagern, bis die Tonnen wieder rollen. Das ist nicht angenehm, gewiss, aber immer noch besser, als alles zu hässlichen Bergen am Straßenrand aufzuhäufen.

Mit anderen Worten: Konzentrierter Einsatz normaler alltäglicher Vernunft könnte dem Streik, zumindest diesem Streik, ein wenig die Spitze nehmen. Nun ist konzentrierte Vernunft nicht unbedingt eine Berliner Spezialdisziplin. Aber nach dem Streik ist vor dem Streik – und wir alle zahlen die Zeche jedes Mal, garantiert. Da wäre Umdenken ganz sicher keine schlechte Lösung.

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