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© dpa/Annette Riedl

Tag eins im Berliner Koalitionspoker: CDU wirbt um Grüne – kühler Empfang für die SPD

Die Stimmung zwischen Bettina Jarasch und Kai Wegner war am Freitag gelöst. Doch inhaltlich ist der Weg zum schwarz-grünen Bündnis am weitesten.

Schon zu Beginn des ersten Sondierungsgesprächs zwischen CDU und Grünen am Freitagnachmittag brandet Applaus auf. Die beiden Verhandlungsgruppen um Kai Wegner (CDU) und Bettina Jarasch (Grüne) hatten sich da gerade erst am großen Kreis aus Tischen im Café im Wasserturm auf dem Schöneberger Euref-Campus platziert. Eine politische Botschaft soll das nicht sein, sagte eine CDU-Parteisprecherin rasch. Der Grund für das Klatschen ist der Geburtstag des parlamentarischen Geschäftsführers der Grünen-Fraktion, Sebastian Walter.

Unübersehbar sind die Signale schwarz-grüner Einheit gerade vonseiten der CDU an diesem Nachmittag trotzdem. Die beiden Verhandlungsgruppen grüßen sich herzlich. Man duzt sich. Wegner sagt zu Geburtstagskind Walter: „Herzlichen Glückwunsch – wir feiern heute unter Freunden!“ Auch einen passenden Spruch hat sich der CDU-Spitzenkandidat überlegt: „Es soll heute ums Klima gehen – um das in der Koalition, aber auch um das in der Stadt.“ Dann schließen sich die Türen und der schwierigere Teil beginnt: Denn inhaltlich müssen beide Parteien tiefe Gräben überwinden.

Kühler Empfang für die SPD-Verhandlungsgruppe

Geradezu kühl geriet im Vergleich der Empfang der SPD-Verhandler um die bisherige Regierungschefin Franziska Giffey und ihren Co-Parteichef Raed Saleh. Die CDU hatte sie als erste eingeladen, strikt nach der Ergebnisreihenfolge der Wahl. Einen Spruch hatte sich Wegner nicht überlegt, man gab sich die Hand. Mehr als die Floskel, man erwarte „gute Gespräche“, hörte man nicht, dann verschwanden die beiden Gruppen auch schon im roten Backsteinbau neben dem alten Gasometer.

Vier Stunden lang wurde verhandelt, 60 Minuten länger als geplant. Als die SPD-Verhandlungsgruppe um 14 Uhr vor die Presse trat, war den Mienen der Sozialdemokraten nur wenig zu entnehmen. SPD-Chefin Franziska Giffey betonte, die längere Dauer habe „nichts zu bedeuten“, man habe noch ein Thema mehr als geplant besprochen. Das habe dann länger gedauert, sagte Giffey.

Auf der Agenda standen bei dem ersten Gespräch neben der Auswertung des harten Wahlkampfs die Themen Verwaltung, innere Sicherheit, Wohnungsbau und Verkehr. Besonders bei der geplanten Verwaltungsreform und im Verkehrsbereich habe man „große Schnittmengen“, versicherte Wegner nach dem Gespräch. Am Montag wird es eine zweite Runde zwischen beiden Parteien geben. „Wir haben heute nicht alle Themen geschafft“, sagte Giffey. Über Details der Gespräche haben beide Seiten Stillschweigen vereinbart.

Inhaltlich dürften sich SPD und CDU schnell einig werden. Das deutete auch Wegner am Freitag an. Die Sondierungen nach der Wahl 2021 machten die Gespräche leichter, sagte der CDU-Parteichef. Schon damals hatten CDU und SPD Schnittmengen ausgelotet. Die SPD verhandelte dann aber mit Grünen und Linken weiter. Die Frage ist bei diesem Zweierbündnis eher: Geht die SPD lieber als Juniorpartner in eine Große Koalition, als ein weiteres rot-grün-rotes Bündnis zu führen? Und was würde aus Franziska Giffey? Würde die Regierende Bürgermeisterin Senatorin unter Wegner?

Besonders das Thema Enteignungen spaltet CDU und Grüne

Die Gespräche mit den Grünen dürften inhaltlich deutlich schwieriger werden. Besonders in den Bereichen Verkehr, in der Antidiskriminierungspolitik, aber auch im Wohnungsbereich gibt es riesige politische Unterschiede. Letztlich müssen beide Parteien einen Ausgleich finden zwischen dem sehr konservativen Lager der CDU um den innenpolitischen Sprecher Frank Balzer, der auch mit am Verhandlungstisch sitzt, und die sehr linken Teile der Grünen-Fraktion um die Koordinatorin des linken Parteiflügels, Katrin Schmidberger. Das Bündnis hätte nur eine Mehrheit von sechs Sitzen im Parlament.

Vor allem der Enteignungsvolksentscheid wird bei den Gesprächen früher oder später Thema werden. Wahrscheinlich ist, dass erstmal alle anderen Themen möglichst weit verhandelt werden, um dann einen eleganten und für alle tragbaren Umgang damit finden zu können. Kai Wegner hatte Enteignungen stets vehement abgelehnt, Bettina Jarasch selbst hatte beim Volksentscheid mit Ja gestimmt. Durch die laufende Arbeit der Enteignungskommission wird die nächste Koalition sich mit ihren Ergebnissen beschäftigen müssen.

Erste Verhandlung von CDU und Grünen über vier Stunden

Auch das erste Sondierungsgespräch zwischen CDU und Grünen dauerte vier Stunden. „Wir hatten gute Gespräche in einer gleichermaßen offenen wie ernsthaften Atmosphäre“, sagt Bettina Jarasch danach.. „Es gab interessante Gemeinsamkeiten, aber auch eine Reihe von Themen, wo es große, große Unterschiede gibt“, so Jarasch. Man habe einen „langen Weg zueinander zu überwinden“.

Kai Wegner erklärte im Anschluss, es gebe auch nach den ersten Gesprächen mit SPD und Grünen „keine Präferenz“. Deshalb werde man beide Parteien kommende Woche noch einmal treffen. Die SPD am Montag, die Grünen am Mittwoch.

Auch Wegner betonte die langen Debatten über „gesellschaftspolitische Fragen“, man habe Vertrauen aufbauen müssen. „Wir haben auch sehr, sehr lange über erfolgreiche Regierungsarbeit gesprochen, in der man anderen auch mal einen Erfolg gönnen kann“, sagte Wegner. Über viele Streitpunkte müsste aber noch gesprochen werden.

Mitglieder aus der Grünen- und CDU-Verhandlergruppe zeigten sich danach positiv überrascht von den Gesprächen. Es habe eine gegenseitige Offenheit geherrscht, bei der über Gemeinsames und Trennendes gesprochen werden konnte. „Wir haben auch mal gelacht“, sagte Wegner. Grüne bestätigten das.

Im Laufe der kommenden Woche könnten sich dann auch die bisherigen drei Koalitionspartner SPD, Grüne und Linke zu Gesprächen treffen. Die SPD hat bisher nicht offiziell dazu eingeladen.

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