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Die ukrainische Musikgruppe Yagody

© promo

Тост за це!: Wo Regisseur Andreas Merz am Wochenende mit Freunden aus Donezk feiert

„Kyiv Mule“ in Kreuzberg und philosophische Kartoffeln auf dem Boxi. Ein Wochenende auf den Spuren der ukrainischen Exil-Community.

Stand:

Regisseur Andreas Merz stand vor einer großen Karriere im Theaterland Russland. 2010 hatte er die Möglichkeit erhalten, zum ersten Mal im Ausland zu arbeiten. „So landete ich also in Donezk in der Ostukraine noch lange, bevor der heutige Krieg dort überhaupt vorstellbar gewesen wäre.

Damals war Donezk eine moderne Stadt im Aufbruch – und die Teilnehmer:innen unseres Straßentheater-Projektes träumten von einer europäischen Zukunft für ihre Heimat“, erinnert er sich.

Regisseur Andreas Merz inszenierte früher im Heimathafen Neukölln und an der Volksbühne.

© Inga Peredii

Bis 2021 arbeitete Merz dann in der Russischen Föderation und wurde mehrfach für den nationalen russischen Theaterpreis „Goldene Maske“ nominiert. Aus Protest gegen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine beschloss Andreas Merz jedoch, seine Karriere in Russland nicht fortzusetzen.

2022 nahm er Kontakt zu den damaligen Spieler:innen in Donezk auf. Einige sind inzwischen nach Berlin geflohen, andere sind gekommen, um in ihrem dokumentarisches Theaterstück „Donezk.UA“ die Lebenswirklichkeit in ihrer Heimat zu zeigen.

„Es gibt bei den ukrainischen Kolleginnen eine große Freude heute hier in einer so schönen und freien Stadt wie Berlin spielen zu können – und dann holt uns immer wieder die Realität ein“, sagt Andreas Merz.

Zwischen diesen emotionalen Polen bewegen sich auch seine Tipps für dieses Wochenende.

1 Theatrale Reise in den Donbass

Leben in Donezk, wie es die Kamerafrau und Regisseurin Valeriya Treshchova sieht.

© Valeriya Treshchiva

Mein Wochenende beginnt diesmal schon am Donnerstag – und zwar mit unserer Premiere von „Donezk.UA“ am TD Berlin.

Zwei Jahre ist es nun her, dass ich beschlossen habe – als Reaktion auf den russischen Angriff – meine alten Freunde aus Donezk aufzusuchen und ihre Lebensgeschichten nachzuzeichnen, um zu zeigen, wie der Krieg das Leben der Menschen verändert hat.

2010 haben wir gemeinsam in der Ostukraine Straßentheater gemacht, heute haben wir zusammen Premiere in Berlin. Die Aufregung ist groß, schließlich ist die Vorstellung zweisprachig.

Aber was ist schon Lampenfieber, wenn unsere Gedanken bei all unseren Freunden sind, die heute nicht mit uns in Berlin sein können. Den Wodka nach der Vorstellung werden wir uns jedenfalls redlich verdient haben.

2 Yoga mit Rundumsicht

Der Aufstieg zum Pappelplateau im Volkspark Prenzlauer Berg ist ein intensives Fitnesstraining.

© imago images/POP-EYE/imago images/POP-EYE/Christian Behring via www.imago-images.de

Samstagvormittag wollen mich unsere Schauspielerinnen Katya und Zoryana zum Yoga mitnehmen. Kateryna ist für unser Projekt aus Armenien angereist, wohin sie schon 2014 geflüchtet ist, und gemeinsam mit Zoryana wohnt sie nun in einer WG an der Landsberger Allee.

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Entdeckt haben die beiden dort für sich den fast vergessenen Volkspark Prenzlauer Berg, eine kleine Wildnis mitten in der Stadt, wohin sie mich heute verschleppen wollen, um auf dem großen Aussichtsplateau Yoga machen. Aber ob ihnen das tatsächlich gelingt, wird sich noch weisen müssen. Wahrscheinlich ist die Anziehungskraft meines Kopfkissens letztlich doch größer ...

3 Sundowner

Inzwischen sind die Hochhäuser weitergewachsen: Sonnenuntergang an der Modersohnbrücke 2022.

© IMAGO/Funke Foto Services/IMAGO/Joerg Krauthoefer

Wer viel probt, muss noch mehr entspannen. Ein Ort, den ich durch unsere ukrainischen Mitspieler*innen wieder neu entdeckt habe, ist die Modersohnbrücke im Friedrichshain. Mit einem kühlen Bier vom Späti sehen wir, wie die Sonne langsam über dem Westen der Stadt abtaucht.

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Und Zoryana aus Lviv summt dazu „Рани ся гоють“ – „Die Wunden werden heilen“ aus dem Song Tsunamia, mit dem sie mit ihrer Folk-Band Yagody (Foto ganz oben) im ukrainischen Vorentscheid für den Eurovision Songcontest teilgenommen hat – 12 Punkte aus Friedrichshain-Kreuzberg!

4 Darauf einen „Ukrainian Sunset“

Abtauchen in eine andere Welt: die Space Meduza Bar

© promo

Am Samstagabend lassen das Team und ich unsere Premieren-Woche im Space Meduza in der Skalizer Straße ausklingen. Seit Jahren ist die Kreuzberger Bar zum Wohnzimmer in der Fremde für viele Ukrainer*innen geworden.

Aber auch alle anderen neuen und alten Berliner*innen können hier ukrainische Lebensfreude in Form von abgefahrenen Cocktail-Kreationen wie „Mermaid of Dniester“, „Ukrainian Sunset“ oder „Kyiv Mule“ in sich aufsaugen. Und obendrauf gibt es noch jeden Freitag und Samstag einen Live-Gig mit unterschiedlichen Bands.

An diesem Freitag treten die französische Sängerin Odde Brisson und der dänische Komponist Julian Winding auf, dessen Songs u.a. im Film „The Neon Demon“ zu hören waren.

Gemeinsam tauchen wir ab in die Nacht, in der wir kurz die Schrecken vergessen, mit denen wir uns im letzten Monat beschäftigt haben. Was bleibt ist die Hoffnung auf einen neuen Morgen ohne Angst und Krieg – und hoffentlich ausreichend Kopfschmerztabletten für die Folgen dieser Nacht. 

5 Ukrainische Glücksbringer

Maria Krutoholovas niedliche Kartoffel im Prozess der Transformation.

© Mariia Krutoholova

Am Sonntag nach der Premiere gehe ich auf Jagt nach Abschiedsgeschenken und Glücksbringern bei einer guten Freundin: der Kyiver Künstlerin Maria Krutoholva (@maria.krutoholova), die ihre Bilder auf dem Flohmarkt Boxhagener Platz verkauft.

Marias Bilder sind eine Neugestaltung traditioneller ukrainischer Motive wie der berühmten Motanka-Puppen in einem modernen Design – aber auch Kartoffeln (Abb.) und Borschtsch bekommen in ihren Zeichnungen ein Gesicht.

Im Februar 2022 reiste sie mit einem kleinen Koffer nach Berlin, um für eine Woche Freunde zu besuchen, geblieben ist sie wegen des Kriegs in ihrer Heimat nun schon mehr als zwei Jahre.  

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