
© imago images/photothek
Umziehen, verkleiden, Fax: Das rät Twitter Wolfgang Ischinger für die Suche nach Bürgeramtsterminen in Berlin
Ein Hilferuf: Der langjährige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz verzweifelt an der Berliner Verwaltung. Jetzt schaltet sich sogar ein Bezirksstadtrat ein.
Stand:
Wolfgang Ischinger hat viel von der Welt gesehen. Unter Außenminister Joschka Fischer (Grüne) war er Staatssekretär und deutscher Botschafter in den USA. Ab 2008 organisierte Ischinger 14 Jahre lang die Münchner Sicherheitskonferenz.
Von Barack Obama, Donald Trump, Emmanuel Macron und Benjamin Netanjahu bis Wladimir Putin gaben sich die Staatschefs der Welt die Klinke. Ischinger kennt die Mächtigen alle, doch in Berlin ist selbst der 76-Jährige manchmal machtlos.
Am Donnerstag tut der Sicherheitsexperte seine Verzweiflung via Twitter kund: „Wer hilft? Mein Personalausweis muss dringend verlängert werden. Online gibts natürlich nirgends Termine, in ganz Berlin. Was tun?“, fragt Ischinger. Er wolle keine Stunden im Bezirksamt vertrödeln. „Wer weiß Rat?“ Seine Beziehungen und Bekanntschaften zu den Entscheidern der Welt helfen Ischinger nicht. Vor der Berliner Verwaltung sind eben alle gleich.
Oder doch nicht? Schnell geht Ischingers Tweet viral, Hunderte Nutzer kommentieren unter seinem Beitrag und versuchen dem Diplomaten zu helfen. Der häufigste Rat umfasst nur ein Wort: „Umziehen.“ Doch es gibt auch kreative Vorschläge. Er solle sich mit einem Kostüm als Hauptmann von Köpenick verkleiden und sein Glück versuchen, schlägt ein Nutzer vor. Alternativ solle er Starkregen abwarten – vermutlich in der Hoffnung, dass wasserscheue Berliner ihre Termine nicht wahrnehmen.
Auch einige Journalisten haben für Ischinger Ratschläge parat. „Ein Fax schicken mit der Bitte um eine Terminvergabe. Kein Witz“, rät Pioneer-Korrespondent Thorsten Denkler. Sein Kollege Michael Bröcker empfiehlt das Bezirksamt Zehlendorf.
„An den Schalter hinten rechts, der nette Herr darf auch kurzfristig Termin vergeben“, schreibt er und rät zum „Betteln“. Das wiederum ruft den CDU-Bundestagsabgeordneten Michael Grosse-Brömer auf den Plan. „Dass man in Deutschland dafür betteln muss, spricht auch für sich“, schreibt der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses.
Tatsächlich ist Ischingers Schicksal kein Einzelfall. Obwohl die noch regierende Koalition aus SPD, Grünen und Linken seit 2016 verspricht, dass man innerhalb von 14 Tagen einen Termin beim Bürgeramt bekommt, scheitert dieses Vorhaben seither an der Realität.
Für die kommenden zwei Monate sind mal wieder alle Termine bei Bürgerämtern ausgebucht. Zuletzt hieß es aus der Innenverwaltung, die Ämter seien wegen der Wahlwiederholung zusätzlich gebeutelt.
Dabei heißt es auf der Seite der Berliner Innenverwaltung optimistisch: „Es gibt viele Wege zu den Berliner Bürgerdiensten, ob ein Besuch vor Ort, telefonisch oder per Internet.“ So seien 2021 590.050 neue Pässe und Personalausweise ausgestellt worden.
Doch es scheint noch einen anderen Weg zu geben. „Schreiben sie mir ne Mail“, antwortet der Lichtenberger Bezirksstadtrat Kevin Hönicke auf Ischingers Post. Dazu veröffentlicht der SPD-Politiker seine Mailadresse. Eine Bevorzugung für den prominenten Bittsteller?
Ich habe keine geheimen Termine.
Kevin Hönicke, Bezirksstadtrat aus Lichtenberg, wollte Wolfgang Ischinger helfen.
Er habe gar nicht genau gesehen, wer geschrieben habe, sagt Hönicke auf Anfrage: „Ich habe nur das Problem gesehen, welches ich gerne gelöst haben wollte.“ Er kümmere sich seit Jahren um Menschen, die dringend Termine bräuchten, einen direkten Zugriff habe er aber nicht.
„Ich habe keine geheimen Termine und ich reserviere auch nicht Termine, sondern ich versuche abgesagte Termine über die Verwaltung zu nutzen.“ Eine Vorgehensweise, die er selbst nicht als ideal betrachtet. „Generell fordere ich seit Jahren, dass das Online-System endlich überarbeitet wird.“
Wolfgang Ischinger habe er jedoch nicht helfen können, sagt Hönicke. Er habe ihm nicht geschrieben. Dafür hätten sich zwei andere Menschen bei ihm gemeldet.
Aber wie steht es nun um den Personalausweis von Deutschlands Top-Diplomaten? Anruf im Hause Ischinger. Dazu sei nun alles gesagt, sagt seine Frau am Telefon. Ihr Mann sei zudem nicht in Berlin, dann legt sie auf. Vielleicht hat Wolfgang Ischinger die Twitter-Ratschläge ja ernst genommen und versucht sein Glück nun in Bürgerämtern anderer Bundesländer.
- Barack Obama
- Benjamin Netanjahu
- Donald Trump
- Emmanuel Macron
- Lichtenberg
- SPD
- Steglitz-Zehlendorf
- Treptow-Köpenick
- USA
- Wladimir Putin
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: