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Frohes Neues!

© Patrick Pleul/dpa

Vorgezogener Jahresrückblick: So wird 2019 in Berlin gewesen sein

Blick zurück nach vorn: Geböller ohne Ende, Gebietstausch am BER, Gefahr an der Panke. Unsere Prognose für das neue Jahr.

JANUAR

Die Silvesternacht übertrifft die schlimmsten Befürchtungen. Während die CDU für den nächsten Jahreswechsel den Einsatz von Blauhelmen in Neukölln und Moabit fordert, beschließt die rot-rot-grüne Koalition als Konsequenz, das Böllern ganzjährig zu erlauben. So verliere es den Reiz des Besonderen, erklärt Innensenator Andreas Geisel, und ein Verbot wäre ohnehin nicht zu kontrollieren. „Der Senat hat den totalen Knall“, titelt die „Bild“-Zeitung.

Nur wenige Tage später rückt allerdings ein anderes Thema in den Fokus: Wegen des milden Winterwetters breiten sich die Amerikanischen Sumpfkrebse massiv aus. Nach der Invasion des Tiergartens werden die ersten Exemplare in Landwehrkanal und Pankower Bürgerpark gesichtet. Offenbar sind sie über die renaturierte Panke dorthin gelangt.

FEBRUAR

Der neue Verkehrsstaatssekretär Ingmar Streese tritt offiziell sein Amt an. Zum Auftakt preist er die Vorteile des Radfahrens, warnt als gelernter Verbraucherschützer aber vor den Gefahren von Billigrädern: Lenkergriffe seien oft mit Weichmachern belastet und manche Sättel noch immer nicht FCKW-frei.

„Bild“ wirbt für den „Volksböller“ und lässt besorgte Pankower Eltern zu Wort kommen, die ihre Kinder wegen der Sumpfkrebse nicht mehr im Bürgerpark spielen lassen. Die Umweltverwaltung schaltet eine „Hummer-Nummer“, unter der Sichtungen gemeldet werden können. Allerdings ist die Leitung dauerbesetzt. Probleme macht auch die neue Hundeführerscheinstelle, in der Zwei- und Vierbeiner stundenlang warten müssen. Verbraucherschutzsenator Dirk Behrendt nimmt die Mitarbeiter gegen Kritik in Schutz: „Die Beamten dort machen einen echten Knochenjob.“

MÄRZ

Bei vorfrühlingshaftem Wetter nimmt der Radverkehr weiter zu. In Friedrichshain kommt es zu einer Massenkarambolage, bei der 17 Radler leicht verletzt werden. Laut Polizei soll ein Vorausfahrender auf dem 60 Zentimeter breiten Radweg vor einer roten Ampel plötzlich angehalten haben, woraufhin die Nachfolgenden auffuhren. Der Verursacher entkam unerkannt.

Zeugen beschrieben ihn als mittelalten Brillenträger, dessen Rad durch markante Griffe und Sattel aus Naturleder aufgefallen sei. Von Polizeipräsidentin Barbara Slowik wird die Aussage kolportiert, sie würde sich in Friedrichshain nicht aufs Fahrrad trauen – was das Präsidium dementieren lässt.

Tier gewinnt. Die Invasion der Amerikanischen Sumpfkrebse ist 2019 nicht zu bremsen. Die Tiere vereiteln sogar das Modellprojekt „1000 Baumhäuser für Berlin“.
Tier gewinnt. Die Invasion der Amerikanischen Sumpfkrebse ist 2019 nicht zu bremsen. Die Tiere vereiteln sogar das Modellprojekt „1000 Baumhäuser für Berlin“.

© Peddersen/dpa

APRIL

Die Tourismuswerber von Visit Berlin starten eine Kampagne unter dem Slogan „Welcome to the Crabital of Europe“, die sich vor allem an Gourmets richtet. Unter der Hummer-Nummer hat das landeseigene IT-Dienstleistungszentrum eine Auswahl von Rezepten geschaltet: „Drücken Sie die Eins für Suppen, Zwei für Salat, Drei für Hauptgerichte. Für vegane Speisen drücken Sie die Neun.“

Ein Koalitionskrach über Neubau und Naturschutz mündet in die Kampagne „1000 Baumhäuser für Berlin“, mit der Bausenatorin Katrin Lompscher die Interessen in Einklang und die Mieten unter Kontrolle bringen will. Die FDP spricht von einem typischen linken Luftschloss und fordert, die Baumhäuser wenigstens per Seilbahn an den ÖPNV anzubinden.

MAI

Bei der Landtagswahl in Brandenburg holt die AfD die meisten Stimmen. Als erste Amtshandlung kündigt der designierte Ministerpräsident Andreas Braun einen Finanzierungsstopp für den BER an: Man wolle keinen Flughafen bezahlen, von dem aus vaterlandslose Berliner Altparteiwähler ihr Urlaubsgeld ins Ausland brächten. „Die sollen lieber in den Spreewald fahren.“ Die Bauarbeiten in Schönefeld müssen mangels Geld eingestellt werden.

JUNI

Eine Gruppe um den Stadtsoziologen Andrej Holm besetzt das fast fertige Stadtschloss. Die Initiative „Krieg’ den Palast“ will damit ein Zeichen gegen den Mangel an bezahlbaren Wohnungen setzen und zugleich an die Vergangenheit des Ortes erinnern, an dem der nach der Wende abgerissene Palast der Republik stand.

Die BVG schickt ihren ersten dreistöckigen Bus auf die Strecke – als Lösung für die wachsende Stadt. Sukzessive soll das neue Modell die bisher üblichen Dreierpulks auf der Linie M29 ersetzen. Der Auspuff auf dem Dach soll außerdem die Stickoxidbelastung für Passanten senken.

Verkehrsstaatssekretär Streese verpasst die Präsentation, weil ihm sein Fahrrad gestohlen wurde. Ursprünglich wollte Streese bei dem Termin das Pilotprojekt „Ticketloser ÖPNV“ präsentieren, das zunächst im Obergeschoss der Dreidecker getestet werden soll. Insidern zufolge hängt das Gratis-Angebot allerdings vor allem mit dem Sicherheitsrisiko zusammen, da die Fahrer sich erst an die enorme Höhe der Busse gewöhnen müssen, die nicht durch alle Brücken passen.

JULI

Die Diesel-Fahrverbote wegen der hohen Stickoxidbelastung treten in Kraft. Nur die befürchtete Sperrung der Stadtautobahn nahe dem Dreieck Funkturm konnte im letzten Moment verhindert werden, nachdem sich herausgestellt hatte, dass die NO2-Belastung dort zu rund einem Drittel aus Notstromaggregaten des ICC stammt, die bei dessen Schließung unbemerkt angesprungen waren.

Während die Luft an den anderen betroffenen Straßen tatsächlich besser wird, sind die Ausweichrouten völlig verstopft. Durch die längeren Wege der Dieselfahrer nimmt der Autoverkehr insgesamt massiv zu. Die CDU sieht sich in ihrer Forderung nach Grünen Wellen für alle bestätigt. Notfalls müssten für den Fließverkehr auch Radwege weichen, erklärt ihr verkehrspolitischer Sprecher. Radfahrer führen ohnehin meist auf dem Gehweg, und die rot-rot-grüne Kriminalisierung unbescholtener Radwegparker sei unerträglich.

AUGUST

Der Grund der seit Jahren zunehmenden Wildschweinplage ist gefunden: Sumpfkrebse haben die Schwarzkittel aus ihren Suhlen im Grunewald vertrieben.

Bildungssenatorin Sandra Scheeres kündigt fürs neue Schuljahr an, dass in Mensen einmal wöchentlich ein Krebsgericht auf dem Speiseplan stehen soll. So werde die Versorgung der Kinder mit Eiweißen und mehrfach ungesättigten Fettsäuren verbessert, erklärt sie auf einer Pressekonferenz.

Am Rande des Termins wird außerdem bekannt, dass alle Berliner Abiturienten das vom Bund soeben beschlossene soziale Pflichtjahr in Grundschulen absolvieren müssen, um das von Scheeres so genannte Gap beim Lehrpersonal endlich zu schließen. Man habe einschlägige gute Erfahrungen mit dem jahrgangsübergreifenden Lernen (JÜL) gemacht, bei dem hoch motivierte Zweitklässler den ABC-Schützen Schreiben und Rechnen beibringen, berichtet Scheeres.

SEPTEMBER

Beim Richtfest für das erste Baumhaus in einer Platane im Pankegrünzug werden im Geäst zwei Dutzend Sumpfkrebsgelege entdeckt. Das Baumhausprojekt wird vorläufig gestoppt. Zum Ausgleich kann Berlin einen Teil seiner Räume im Dachgeschoss des Humboldtforums als Wohnungen umwidmen. Die 180-Quadratmeter-Apartments sollen vor allem Familien zentrumsnahes Wohnen ermöglichen, erklären Bausenatorin Lompscher und ihr Mieterbeauftragter Holm.

OKTOBER

Dank einer Bundesbürgschaft kann am BER wieder gearbeitet werden. Zunächst wird das vom Bund als Gegenleistung verlangte Pier für Lufttaxis geplant. Parallel werden die bei Regen überfluteten Kabelschächte entlang der Südbahn saniert. Tausenden heimatlos gewordenen Sumpfkrebsen gelingt über den Selchower Flutgraben die Flucht nach Rudow.

In der City wird das 50. Jubiläum des Fernsehturms gefeiert. Angesichts des durch die Wohnungen im Humboldtforum noch verschärften Parkplatzmangels ringsum startet die FDP ein Volksbegehren für eine Seilbahn vom Fernseh- zum Funkturm. So soll eine ebenso symbolische wie praktische Verbindung zwischen Ost und West entstehen, erklärt Fraktionschef Sebastian Czaja. Für Besserverdienende sind beheizbare Erste-Klasse-Gondeln mit Wlan geplant.

NOVEMBER

Zum 30. Jahrestag des Mauerfalls wird das im Vorjahr gescheiterte DAU-Projekt nachgeholt. Wegen fehlender Planungskapazitäten bei der Verkehrslenkung Berlin (VLB) wird die Mauer allerdings nicht in der City errichtet, sondern an der südöstlichen Stadtgrenze zwischen Schmöckwitz und Rauchfangswerder.

Die bisher zu Köpenick gehörende, über nur eine Zufahrtsstraße erreichbare Halbinsel wurde im Rahmen eines Gebietstausches Brandenburg zugeschlagen. Dafür liegt der BER nun auf Berliner Terrain. Die Resonanz aufs Mauerprojekt ist jedoch mäßig, da viele Besucher wegen Fahrbahnmarkierungsarbeiten schon weit vor Schmöckwitz im Stau stecken blieben.

DEZEMBER

Brandenburg meldet Restitutionsansprüche gegen Berlin an: Die im Humboldtforum gezeigten Manuskripte von Theodor Fontane seien auf illegalem Weg in die Hauptstadt gelangt, erklärt Ministerpräsident Braun. Berlin könne sie allerdings für 52 Millionen Euro kaufen. Dieser Betrag entspricht zufällig den Einnahmeausfällen, die Brandenburg wegen des massiven Tourismusrückgangs seit der Landtagswahl erlitten hat.

Der neue Potsdamer Finanzminister Thilo Sarrazin fordert radikale Einsparungen bei Behörden, Nahverkehr und Schulen, damit die Kosten nicht aus dem Ruder laufen. Berlin dagegen kann aus dem Vollen schöpfen: Dank der Böllerfreigabe lockt die Hauptstadt hochqualifizierte Chirurgen aus ganz Europa an. Zudem sind die Berliner fitter und seltener krank, seit Krebsfleischgerichte die Discounter und Imbisse der Stadt erobert haben.

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