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Weil FDP verschärftes Waffengesetz nicht wollte: Droht Silvester in Berlin wieder Baller-Randale mit Schreckschusswaffen?
Nach der Silvesterrandale 2022/23 forderten Innensenatorin Spranger und Bundesinnenministerin Faeser schärfere Regeln für den Kauf von Schreckschusswaffen. Doch bei der Novelle des Waffengesetzes hat die Ampel genau das nicht gemacht.
Stand:
Trotz Reform des Waffenrechts droht auch beim bevorstehenden Jahreswechsel Silvesterrandale mit Schreckschusswaffen. In den Waffengeschäften, die vor jedem Jahreswechsel eine große Nachfrage melden, kann man sich auch diesmal mit Schreckschusspistolen eindecken. Denn die von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) angekündigte Verschärfung der Regeln für den Kauf solcher Waffen wurden nicht umgesetzt.
„Das ist nicht nachvollziehbar“, sagte Berlins Innensenatorin Iris Spranger (SPD). „Ich habe absolut kein Verständnis dafür, dass ein geeigneter Erfordernisnachweis für den Erwerb von Schreckschusswaffen nicht im Gesetz aufgenommen wurde.“ Schreckschusswaffen könnten missbräuchlich verwendet werden, davor müssten unbeteiligte Menschen geschützt werden. „Ich bleibe bei meiner Forderung, dass der Nachweis des Erfordernisses zum Erwerb einer Schreckschusswaffe vorgelegt werden muss.“
In der Silvesternacht vor einem Jahr registrierte die Polizei allein 346 Verstöße gegen das Waffengesetz. Beim Jahreswechsel 2022/23 mit massiven Ausschreitungen war einem Beamten der Feuerwehr eine Schreckschusspistole ins Gesicht gehalten worden. Die Polizei berichtet, dass Schreckschusswaffen massenhaft eingesetzt worden seien.
Ich habe absolut kein Verständnis dafür, dass ein geeigneter Erfordernisnachweis für den Erwerb von Schreckschusswaffen nicht im Gesetz aufgenommen wurde.
Innensenatorin Iris Spranger (SPD)
Nach der Silvesterrandale vor zwei Jahren hatte Faeser angekündigt, den Verkauf von Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen – kurz SRS-Waffen – zu beschränken. Zuvor hatte Spranger darauf gedrängt, zumal Silvester Schreckschusswaffen auch gegen Polizisten und Retter der Berliner Feuerwehr eingesetzt worden waren. „Wichtig ist mir, dass der Bedarf für eine solche Waffe konkret nachgewiesen werden muss“, hatte Spranger gesagt.
Bei einem Besuch der Feuerwehrwache in Neukölln hatte Faeser dann erklärt, nötig sei eine Erlaubnis für den Kauf von Schreckschusswaffen. Diese hätten in der Silvesternacht eine große Rolle gespielt, seien aber „eben nicht ein harmloses Instrument“, sagte Faeser. „Es handelt sich um eine Waffe. Dafür braucht es eine Erlaubnis. Diese Verschärfung halte ich für ein wichtiges Signal.“
Nach Solingen lag der Fokus auf einem Messerverbot
Doch monatelang geschah nichts. Erst nach dem islamistischen Terrorangriff auf ein Stadtfest in Solingen im August hatte es die Ampel-Koalition ganz eilig und setzte ein Sicherheitspaket durch. Dazu gehörte auch die Novelle des Waffengesetzes, das Ende Oktober in Kraft trat.
Selbst das Bundesinnenministerium gibt offen zu, dass die Koalition mit dem beschlossenen Sicherheitspaket unmittelbar auf den Terrorangriff reagiert haben. „Die Änderungen im Waffengesetz sind daher auf die Eindämmung von Gewalttaten mit Messern fokussiert“, sagte ein Ministeriumssprecher.
Waffen- und Messerverbotszonen in Berlin geplant
So sei per Gesetz seien jegliche Messer bei öffentlichen Veranstaltungen wie Volksfesten oder Märkten und im Bahnfernverkehr verboten worden. Die Bundesländer dürfen nun zudem Waffen- und Messerverbotszonen einrichten. Davon macht nun auch Berlin Gebrauch, ab Februar soll es solche Zonen im Görlitzer Park, am Kottbusser Tor und am Leopoldplatz geben.
Aber „Regelungen zu SRS-Waffen waren nicht Gegenstand der Änderungen des Waffengesetzes, weil diese von der FDP in der Bundesregierung nicht mitgetragen wurden“, sagte der Ministeriumssprecher. Dabei hatte selbst der Bundesrat im Juni beschlossen, dass das Waffenrecht verschärft und der Kauf von Schreckschusswaffen erschwert werden muss. Und noch im Herbst hatte Innensenatorin Spranger gemahnt: Der Schutz der Bevölkerung vor Missbrauch von Waffen muss verbessert werden. „Hier besteht dringender gesetzgeberischer Handlungsbedarf.“
Die Bundesinnenministerin hat nicht geliefert.
Grünen-Innenexperte Vasili Franco
„Die Bundesinnenministerin hat nicht geliefert“, kritisierte die Grünen-Innenexperte Vasili Franco. „Es wurde gar nicht erst versucht, die Regulierung von SRS-Waffen in das kürzlich verabschiedete Sicherheitspaket aufzunehmen“, sagte er dem Tagesspiegel.
SRS-Waffen dürften ohne Erlaubnisschein zwar nur zu Hause aufbewahrt werden, was jedoch die wenigsten kümmere und nicht einmal kontrolliert werden kann. „Es gibt keinen vernünftigen Grund, wieso man erlaubnisfrei sogenannte SRS-Waffen erwerben und besitzen sollte“, sagte Franco. „Gerade im Nahbereich sind diese Waffen extrem gefährlich und zudem aus der Ferne leicht mit echten Schusswaffen zu verwechseln.“
Jeder 18-Jährige kann eine Schreckschusswaffe kaufen
Tatsächlich gibt es keine großen Hürden für den Erwerb. Der Käufer muss über 18 Jahre alt sein, andere Voraussetzungen gibt es nicht. Hinzu kommt meist eine Belehrung durch den Verkäufer. Um die legal erhältlichen und täuschend echt aussehenden Schreckschuss- und Gaspistolen in der Öffentlichkeit – mit Ausnahme öffentlicher Veranstaltungen – tragen zu dürfen, bedarf es eines Kleinen Waffenscheins, der bei den zuständigen Behörden beantragt werden muss. Allerdings berechtigt er nicht dazu, in der Silvesternacht in der Öffentlichkeit mit den Waffen herumzuballern.
Immerhin soll nach dem neuen Waffengesetz stärker überprüft werden, wer aus Gründen der Gefährdung den Kleinen Waffenschein beantragt. Und wer keinen Kleinen Waffenschein besitzt, darf die Waffe nur auf dem eigenen Grundstück tragen.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte bereits Anfang 2023 eine Registrierungspflicht beim Kauf einer SRS-Waffe. Anders argumentiert der Verband Deutscher Büchsenmacher und Waffenfachhändler (VDB). SRS-Waffen seien vor allem in Großstädten zum Jahreswechsel ein Problem. Die Polizei melde dann vor allem Verstöße durch das Führen der Waffe in der Öffentlichkeit ohne Kleinen Waffenschein sowie das Schießen in der Öffentlichkeit ohne Schießerlaubnis.
„Beide Vergehen können bereits jetzt nach dem Waffengesetz geahndet werden“, sagte eine Verbandssprecherin. „Insofern würde hier ein wirkungsvoller Vollzug mehr erreichen als eine waffenrechtliche Verschärfung, die ohnehin nur diejenigen träfe, die sich an die gesetzlichen Vorschriften halten.“ Denn es sei ohnehin grundsätzlich nicht erlaubt, die Waffe in der Öffentlichkeit abzufeuern.
86 Prozent der SRS-Waffen würden nach einer Erhebung des Verbandes zum Selbstschutz gekauft. Die Zahl der verkauften SRS-Waffen sowie die steigende Zahl der Kleinen Waffenscheine spiegele das Unsicherheitsgefühl der Bürger wider. Es sei der falsche Ansatz, der Unsicherheit damit zu begegnen, „dass der Schutz erschwert wird, anstatt durch verstärkte Polizeipräsenz und konsequente Ahndung von Straftaten dafür zu sorgen, dass das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung steigt“, sagte die Sprecherin.
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