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Bitte mit Brusttoupet. Dieter Thomas Kuhn (rechts) konnte man beispielsweise in der Hafenbar treffen.

© privat

Nächte in der Hafenbar in Berlin: Westgeld und Wahnsinn

Die eine trug dort stolz die Siebzigerjahre-Klamotten ihres Vaters spazieren, der andere holte sich einen Korb. Eine erinnert sich an die Nacht des Mauerfalls, die andere kannte einen Geheimtrick, an der Schlange vorbei zu kommen. Erinnerungen an Nächte in der Hafenbar - die nun leider schließt.

Von

Sing, mein Axel, Sing

Der pure Waaaahnsinn, eigentlich immer. Berlin-Mitte, Chausseestraße, Treppe hoch und Hossa! Kumpel Axel (der natürlich anders heißt) sieht Anita, schwarz ist ihr Haar, die Augen wie zwei Sterne so klar, einfach atemlos. Na dann, Rote Lippen soll man küssen, verdammt ich lieb’ dich! Schnell zwei Bier aus Hawaii geordert, kess rangepirscht und angesprochen: „Für dich soll’s rote Rosen regnen“ – kam so lala bei Anita an, sie wirkte schüchtern („Was will der blöde Kerl da hinter mir nur?“) und sprach Kauderwelsch: „Wenn I mit dia tanz, da vergeht nie die Zeit.“ Klassischer Korb, darauf zwei, drei, vier Schnäpse („Zugabe, Zugabe“) und dann war Schnaps auch sein letztes Wort. Irgendwann kam nämlich Tino, der Türsteher, und schickte ihn zur Hölle, Hölle, Hölle. Kumpel Axel lallte noch so was wie: „Menno, Tino!“ Es war wirklich Zeit für den Heimweg. André Görke

Keine Erinnerung

Ein einziges Mal war ich in der Hafenbar. Wie es drinnen aussah? Keine Ahnung, ich kann mich nicht erinnern. Nicht, weil ich betrunken gewesen wäre. Es war die Nacht vom 9. November 1989. Aufgebrochen waren wir in einer Gruppe von sechs, sieben Leuten, nachdem uns die Nachricht erreicht hatte. An der Bornholmer Brücke machten wir rüber in den Osten, liefen ziellos durch die fremde Stadt, stundenlang. Irgendwann sind wir in der Hafenbar gelandet, es war wahnsinnig laut und wahnsinnig voll. Wie so oft in dieser Nacht haben wir wildfremde Menschen umarmt, angestoßen. Stunden später zurück zum Checkpoint Charlie, in den Westen, wo wir johlend empfangen wurden. Jedes Mal, wenn ich an der Hafenbar vorbeifahre, überkommt mich die Erinnerung an diese unwirkliche, unvergessliche Nacht. Patricia Wolf

Bisschen flirten

Schlangestehen nervt! Und vor der Hafenbar ist die Schlange in der Regel besonders lang. Im Winter heißt das meist frieren bis um die nächste Straßenecke. Da hilft nur ein Trick. Und da jetzt leider bald Schluss sein soll, kann ich ihn ruhig verraten: Einfach jemanden ganz vorne in der Schlange ansprechen. „Hey, schön, dass du auch wieder da bist. War echt spitze beim letzten Mal.“ Bisschen smalltalken, bisschen flirten, bisschen was vom mitgebrachten Getränk abgeben.

Schlagerspaß. Immer Freitags bilden sich Schlangen vor der Hafenbar. 300 Berliner feiern dann zu Schlagerhits die Nacht durch.
Schlagerspaß. Immer Freitags bilden sich Schlangen vor der Hafenbar. 300 Berliner feiern dann zu Schlagerhits die Nacht durch.

© imago

Klar, dass man den Typen nicht kennt. Merkt er aber gar nicht, weil sich 90 Prozent der Gäste sowieso nicht an den vorherigen Besuch erinnern können. Hat man es rein geschafft, schnellstmöglich wieder von der neuen Bekanntschaft entfernen. Rauf auf die viel zu volle Tanzfläche. Weitertanzen, immer weiter. Bis zum nächsten Mal. Katrin Schulze

Dank Papas Klamotte

Wem ich die wirklich besten Partys meines Lebens zu verdanken habe? Der Hafenbar, meinem Vater, und Dieter Thomas Kuhn! Bei einem dieser zahlreichen Schlager-Revival-Partys in der Hafenbar, es muss Mitte der 90er Jahre gewesen sein, war er der Stargast, nein, nicht der Vater: „die singende Fönwelle“ mit dem bestfrisierten Brusttoupet der Welt. War einfach gut der Abend, wie viele andere dort auch, immer voll damals, immer lustig, immer Tanzmarathon. Aber noch besser war der ausgemistete Kleiderschrank meines Vaters, der es mir erst ermöglichte, auf alle diese großartigen „70er-Verkleidungs-Schlager“-Feten zu gehen. Meine Lieblingsklamotten, die ich heldenhaft vor meiner Mutter und dem Altkleidercontainer gerettet habe: ein unglaublich enges, rosarotes Glitzerhemd, dazu eine prächtig erhaltene weiße Stoffhose mit einem Schlag, der bei Sonnenschein in der Hafenbar super Schatten gespendet hätte. Armin Lehmann

Nur mit Westgeld

Ende der 1970er Jahre führte uns der alljährliche Studentensommer auf Baustellen in Friedrichsfelde, in eine Kohlenhandlung in Pankow und in den „Möbelmarkt Schönhauser“ in der heutigen Kulturbrauerei. Für die abendliche Kultur gab es Freikarten für die Disko im Palast der Republik und andere steife Lokalitäten. Als Studenten aus Leipzig wollten wir aber mehr erleben. Die „Hafenbar“ wurde als Geheimtipp gehandelt. Schon von Weitem sahen wir eine große Menschentraube vor dem Lokal. Es gab aber keine geordnete Schlange, in die man sich als braver Bürger einreihen konnte. Der Grund dafür sollte sich wenig später aufklären: Einige liefen erhobenen Hauptes hindurch und erhielten sofort Einlass. Die Parole dafür hieß: „Westgeld“. Einige hatten offenbar so viele Scheine in der Tasche, dass sie sich die Damen zur Begleitung für den Abend aus der Masse heraussuchen konnten. Wir Studenten hatten keine Chance. Fortan blieb die „Hafenbar“ für mich ein Tabu. Claus-Dieter Steyer

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